Ein Bürogebäude mit einer Bankfiliale
Die VR Bank Bad Salzungen Bildrechte: MITTELDEUTSCHER RUNDFUNK

Banken Bilanzen, Immobilien, Streit um Deutungshoheit: VR Bank Bad Salzungen-Schmalkalden vor turbulentem Eigentümertreffen

25. März 2024, 20:30 Uhr

Seit Monaten brodelt es in der VR Bank Bad Salzungen-Schmalkalden. Seit die Finanzaufsicht Bafin im Dezember 2023 zwei Sonderbeauftragte in das Südthüringer Geldinstitut entsandt hat, wittern "kritische Genossenschaftler" eine Art feindlicher Übernahme. Doch es mehren sich Indizien, dass der frühere Vorstand um den mittlerweile zurückgetretenen Vorstandschef Siebert bei Geschäften und deren Bilanzierung ziemlich kreativ vorgegangen ist und die Bank wohlhabender aussehen ließ, als sie ist.

Belegschaft fordert Sanierungsvertrag

"Ein 'Weiter so' wird unausweichlich zum 'Aus' unserer Bank führen." Mit deutlichen Worten haben sich Beschäftigte der VR Bank Bad Salzungen-Schmalkalden am Wochenende in einem Statement zum Wirbel um ihre kleine Südthüringer Bank zu Wort gemeldet, der seit einigen Monaten tobt.

In einem Statement, das laut Text "von einem Großteil" der rund 200-köpfigen Belegschaft getragen wird und am Wochenende in lokalen Zeitungen sowie auf der Website der Bank veröffentlicht wurde, werben die Beschäftigten für den Abschluss eines Sanierungsvertrages zwischen der Bank und der Sicherungseinrichtung des Bundesverbandes der Volksbanken und Raiffeisenbanken (BVR). Denn der ist nach Auffassung des seit Dezember 2023 in der Bank tätigen Sonderbeauftragten der Finanzaufsicht Bafin, Christian Gervais, nötig.

Hilferuf wegen drohendem Millionenverlust

Im Spätherbst 2023 hatte die Bank - damals noch unter ihrem Vorstand Stefan Siebert - signalisiert, dass sie wohl die Hilfe der Sicherungseinrichtung des BVR in Anspruch nehmen müsse. Im Rahmen dieser Sicherungseinrichtung helfen Banken einem in Schieflage geratenen Mitgliedsinstitut mit Geld oder mit Bürgschaften aus. Zunächst hatte der damalige Anwalt der Bank, Edgar Steinle, noch von einem für das Jahr 2022 zu erwartenden Verlust von etwa fünf Millionen Euro gesprochen.

Eine Summe, die einem Geldinstitut wie der VR Bank Bad Salzungen-Schmalkalden mit einer Bilanzsumme von etwa einer Milliarde Euro wohl nicht gleich das sprichwörtliche Genick brechen würde. Wie hoch der Verlust nun im Jahr 2022 war, ist immer noch unklar. Nach wie vor liegt keine von Wirtschaftsprüfern testierte Bilanz für das Jahr vor.

Risiken von 220 Millionen Euro?

Andere Zahlen klingen hingegen durchaus lebensbedrohlich: Der frühere Schmalkalder Landrat Peter Heimrich präsentierte Anfang März auf einer Versammlung von VR-Bank-Genossenschaftlern ein Papier, das angeblich aus der Feder des Bafin-Sonderbeauftragten Gervais stammen soll und Heimrich nach dessen Bekunden wie von Geisterhand bewegt in den Briefkasten wanderte.

In dem Papier soll Gervais die der Bank drohenden Risiken auf bis zu 220 Millionen Euro beziffert haben. Diese sollen unter anderem durch eine notwendige Neu- also Abwertung des Immobilienbestandes der Bank, die Neubewertung von Krediten sowie der Genossenschaftseinlagen drohen. Offiziell wollten sich Gervais und die Bank auf Anfrage von MDR investigativ nicht zu dem Papier äußern. Eine Reihe von Indizien legt jedoch nahe, dass die Größenordnung zutrifft.

Bankeigene Immoblien offenbar zu hoch bewertet

Denn offenbar neigte der frühere Bankvorstand unter Siebert dazu, etwa das Immobilienportfolio des Geldhauses in der Bilanz als deutlich wertvoller darzustellen, als es in Wirklichkeit war. Oder möglicherweise dessen Wert durch In-House-Geschäfte auf dem Papier nach oben zu schreiben. Ein Beispiel dafür ist die Immobilie "Am Kirschberg" in Weimar.

Das Gebäude steht in einem Altlasten-Sanierungsgebiet und wurde 2013 von der VR Bank für rund 6,7 Millionen Euro gekauft. Mieter ist die Polizeiinspektion Weimar, die derzeit nach Recherchen von MDR investigativ rund 580.000 Euro Jahresmiete zahlt. Ende 2022 verkaufte die Bank das Gebäude für zwölf Millionen Euro an ihre eigene Tochterfirma, die Filia Domo GmbH mit Sitz in Bad Liebenstein.

Wo der plötzliche Wertzuwachs von nahezu 100 Prozent hergekommen ist, erschließt sich indes nicht. In den vergangenen Jahren seien lediglich werterhaltende Maßnahmen an der Bausubstanz vorgenommen worden, teilten das Thüringer Innenministerium und die Stadt Weimar auf MDR-Anfrage mit. Baumaßnahmen, die eine Wertsteigerung der Immobilie zur Folge haben könnten, habe es nicht gegeben.

Ein helles Gebäude mit Grünfläche und Bäumen davor
"Wertzuwachs" von nahezu 100 Prozent: Die Immobilie "Am Kirschberg" in Weimar Bildrechte: MDR/Grit Hasselmann

Sechs Millionen Euro Gewinn nur auf dem Papier

Den angeblichen Gewinn von rund sechs Millionen Euro bei dem Geschäft hat die Bank nach MDR-Recherchen bislang nicht eingestrichen. Die Käuferin zahlte bislang lediglich eine Anzahlung, die in etwa dem ursprünglichen Preis entspricht, den die VR Bank selbst vor elf Jahren dafür bezahlt hatte. Weil die VR Bank dadurch ihrer eigenen Tochterfirma aber einen sogenannten Organkredit gewährt hat, hätte der Vorstand unter anderem die Genehmigung seines Aufsichtsrates einholen müssen. Eine solche Genehmigung liegt aber nach Auskunft der Bank auf MDR-Anfrage nicht vor.

Zudem habe das Geschäft die Eigenkapitalbasis der Bank geschwächt, begründete Bafin-Sonderbeauftragter Gervais am 29. Dezember 2023 seine Ankündigung, den Verkauf rückgängig zu machen.

Aufregung um "Bordell-Immobilien"

Für Aufregung sorgten in den vergangenen Wochen auch die sogenannten Bordell-Immobilien der Bank in Oberhausen im Ruhrgebiet. Dort hatte die Bank etwa ein Dutzend Immobilien - einige bebaut, andere unbebaut - erworben. In einigen der Häuser werden Bordelle betrieben - ein ethisch fragwürdiger Kauf, so Gervais, der diese Immobilien so schnell wie möglich veräußern will.

Laut einem Bericht des "Handelsblattes" erfuhren die Immobilien aber kurz nach ihrem Kauf einen magischen Wertzuwachs: 2022 für knapp neun Millionen Euro erworben, hätten sie kurz darauf mit einem Wert von 14 Millionen Euro in den Bankbüchern gestanden, berichtet die Zeitung.

Immobilienportfolio womöglich nur die Hälfte wert

Die VR Bank hatte zuletzt unter Sieberts Regie ihr Immobilienportfolio nach MDR-Recherchen mit 500 Millionen Euro bewertet. Wollte man aus den oben beschriebenen Beispielen eine Neigung herauslesen, Immobilien in der Bankbilanz deutlich wertvoller zu machen, als sie tatsächlich sind, käme man wohl auf eine Größenordnung wie in dem von Heimrich präsentierten Papier dargestellt. Mit anderen Worten: das Immobilienportfolio und damit letztlich auch ein Teil des Eigenkapitals der Bank wäre womöglich gerade mal die Hälfte bis zwei Drittel dessen wert, was die Bank bislang behauptete.

Generalversammlung soll Antworten liefern

Ob die am Dienstag in der Messe Erfurt stattfindende Generalversammlung der Genossenschaftsmitglieder der Bank hierzu Erhellendes ergibt, wird sich zeigen. Um die Versammlung hatte es in den vergangenen Monaten erheblichen Wirbel gegeben. Mehrere Hundert Genossenschaftler, angeführt unter anderem von Heimrich und dem in Rheinland-Pfalz ansässigen Verband Igenos e.V. hatten nach der Installierung von Gervais durch die Bafin eine solche Versammlung schon für Ende Januar 2023 gefordert. Gervais hatte dies abgelehnt und stattdessen für den 26. März einberufen.

Messegelände Erfurt
Mehr als 1.000 Genossenschaftler werden zur Generalversammlung in der Messe Erfurt erwartet. Bildrechte: imago/Bild13

Auf der Versammlung wollen die - nennen wir sie mal "kritischen Genossenschaftler" unter anderem weitere Aufsichtsratsmitglieder aus ihren Reihen wählen. Denn den Aufsichtsrat bildet derzeit nur der ebenfalls von der Bafin entsandte Sonderbeauftragte Klaus Dirk Auerbach. Die Kritiker werfen der Finanzaufsicht und dem Genossenschaftsverband vor, die Bank unter ihre Kontrolle bringen und möglicherweise mit einem anderen Institut fusionieren zu wollen. Und Sieberts "Erfolgsmodell" beerdigen zu wollen.

Belegschaft will Aufklärung und Sanierung

Teile der Belegschaft nervt dieses Gezerre offenkundig. "Statt Einheit und gemeinsamer Aufklärung erleben wir einen Kampf um Deutungshoheit, um Informationen und Meinungen", heißt es in dem am Wochenende veröffentlichten Statement.

Innerhalb der Mitarbeiterschaft herrsche "ein (fast) geschlossener Konsens darüber, dass der eingeschlagene Weg der Aufklärung und eine damit einhergehende Sanierung unserer Bank unausweichlich ist, um den Fortbestand unserer Bank zu sichern".

MDR (lke/dr)

Dieses Thema im Programm: MDR THÜRINGEN - Das Radio | Das Fazit vom Tage | 26. März 2024 | 18:00 Uhr

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