Windkraft-Ausbau Schwergewichte der Lüfte: Wie Rotorblätter über Döllstädt schweben
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08. Oktober 2024, 14:35 Uhr
Im Unstrut-Hainich-Kreis werden zwei neue Windkraftanlagen gebaut. Dafür müssen aber erstmal die Einzelteile der Windräder aus dem Kreis Gotha dorthin gebracht werden - bei Nacht und über die Dächer Döllstädts hinweg.
Montagabend, es ist bereits dunkel rund um den kleinen Ort Döllstädt im Landkreis Gotha. Doch ruhig ist es auf dem Acker gegen halb acht an der Bundesstraße B176 nicht. Hier läuft der Stromgenerator für zwei Baucontainer, mehrere Schwerlasttransporter parken auf großen, ausgelegten Platten auf dem Feld und es brennt ordentlich Licht.
Ein Fluchtlichtstrahler beleuchtet die Umladefläche, auf der drei Rotorblätter darauf warten, dass sie zur Baustelle der zwei neuen Windkraftanlagen bei Herbsleben im Unstrut-Hainich-Kreis gebracht werden.
Eines der rund 73 Meter langen Rotorblätter schwebt auch schon in der Luft auf einem speziellen Transportfahrzeug, dem sogenannten Bladelifter. "Heute Vormittag haben wir das Rotorblatt mit Kränen angehoben und dann an den Bladelifter angeschraubt", sagt Hannes Fischer aus Kärnten in Österreich. Er ist der Fahrer des ferngesteuerten Transporters. Zusammen mit dem Rotorblatt bringt das Fahrzeug rund 140 Tonnen Gewicht auf die Waage.
Hier in Döllstädt ist es eigentlich ein Kinderspiel mit dem Rotorblatt.
Während Fischer die letzten Vorbereitungen für den anstehenden Transport trifft, plaudert er aus dem Nähkästchen. "Wir sind wie ein Wanderzirkus", sagt er. Gemeint ist die Firma "Felbermayr" aus Österreich, für die er arbeitet und die in ganz Europa Rotorblätter mit dem Bladelifter transportiert.
Heute sei er hier in Thüringen und in ein paar Tagen schon wieder in Österreich, im Schwarzwald oder im hohen Norden. Er komme gut herum und hätte immer etwas zu tun, meint Fischer. "Hier in Döllstädt ist es eigentlich ein Kinderspiel mit dem Rotorblatt", so der Österreicher. "Hier ist es flach, es gibt keine Berge und es ist nur eine kurze Strecke."
Transport nur an einer Stelle schwierig
Fast vier Kilometer weit werden die Rotorblätter zur Baustelle der Windkraftanlagen transportiert. Von der Umladefläche an der B176 geht es über einen extra ausgelegten Plattenweg an Döllstädt vorbei bis zum Sportplatz. "Dort ist dann die einzige kritische Stelle", sagt der Fahrer. Nach dem Sportplatz muss Fischer nämlich das Rotorblatt nach oben ankippen, um eine scharfe Kurve innerhalb des Ortes auf die Landstraße zu fahren.
Das funktioniert durch die spezielle Hydraulik im Bladelifter. Damit kann er per Fernbedienung das Rotorblatt je nach Hindernis nach oben oder unten kippen, sodass die Spitze über Bäume oder Häuser schwebt und das Fahrzeug besser um Ecken oder Kurven kommt. Das Rotorblatt könne sogar um 360 Grad gedreht werden. Nach der scharfen Kurve in Döllstädt geht es noch über einen Bahnübergang aus dem Ort heraus und dann rechts über einen Schotterweg bis zur Baustelle.
Polizei-Eskorte ist Pflicht für Transport
"Vor zwei Wochen hatten wir den Transport schon mal mit drei Rotorblättern für das erste neue Windrad gemacht. Das lief eigentlich reibungslos ab", sagt Fischer entspannt, während er auf sein Team wartet. Gegen 21 Uhr treffen seine Kollegen ein, die ihn und den Bladelifter begleiten. Mit dabei ist unter anderem ein Beleuchtungsfahrzeug, um die Strecke auch optimal auszuleuchten. Außerdem sichern die Begleitfahrzeuge die Strecke ab, damit in Döllstädt beispielsweise keine Autos oder Schaulustigen im Weg stehen.
Gegen 23:30 Uhr fährt dann auch ein Streifenwagen der Polizei auf den Umladeplatz. "Auf die Polizei haben wir noch gewartet, jetzt kann es losgehen", sagt Fischer. Die Polizei müsse den Schwerlasttransport nämlich eskortieren und nach vorne absichern - das sei Vorschrift.
Manövrieren des Rotorblatts verlangt an engen Stellen Fingerspitzengefühl
Dann geht alles ganz schnell. Die Motoren des Bladelifters und der Begleitfahrzeuge heulen auf, das Flutlicht des Beleuchtungsfahrzeugs geht an und die Polizei und ein Begleitfahrzeug fahren vorneweg. Hannes Fischer springt mit seinen zwei Fernbedienungen auf den Bladelifter auf und steht direkt unter dem 73 Meter langen Rotorblatt. Vorsichtig bewegt er den Steuerknüppel und setzt damit auch den Bladelifter mit rund drei bis fünf Kilometern pro Stunde in Bewegung.
Von außen betrachtet sieht alles kinderleicht aus. Doch Hannes Fischer und sein Team sind jetzt hochkonzentriert. Über Funk werden sich gegenseitig Anweisungen gegeben, um auch ja kein Hindernis zu übersehen. Nach knapp zehn Minuten erreicht die Schwerlast-Kolonne den Sportplatz von Döllstädt und fährt weiter in den Ort. Einige Schaulustige sind kurz vor Mitternacht noch auf den Beinen und schauen sich das Spektakel an.
Sie sehen, wie Fischer mit einer Fernbedienung den Transporter langsam auf die Häuser und Bäume zubewegt. Jetzt bloß keinen Fehler machen. Mit seiner zweiten Fernbedienung steuert er die Hydraulik und hebt die Spitze des Rotorblattes um rund 20 bis 25 Grad nach oben an, damit der Bladelifter an den Häusern auch vorbeikommt. Und plötzlich schwebt das Rotorblatt mitten über den Dächern des Ortes.
Transport über vier Kilometer dauert Dreiviertelstunde
In der Kurve bleibt der Bladelifter nun kurz stehen, denn ein Kollege muss mit der Deutschen Bahn telefonieren und eine Freigabe besorgen. Der Schwerlasttransport fährt nämlich über einen Bahnübergang und dazu muss die Strecke kurzzeitig gesperrt werden. Nach wenigen Sekunden geht es allerdings weiter. Knapp vier Minuten dauert es, bis das Rotorblatt wieder aus dem Ort Döllstädt herausgefahren ist und Richtung Herbsleben über die Landstraße rollt.
Nach einer guten Dreiviertelstunde ist das Spektakel dann vorbei und das Rotorblatt sicher an der Baustelle angekommen. Feierabend für Hannes Fischer und sein Team. Am Dienstagmorgen wird das Rotorblatt vom Transporter abgeschraubt. Anschließend rollt der Bladelifter zurück zur Umladefläche und lädt das nächste Rotorblatt auf, damit es Dienstagnacht weitergehen kann mit den schwebenden Rotorblättern über Döllstädt.
MDR (ost)
Dieses Thema im Programm: MDR THÜRINGEN | MDR THÜRINGEN JOURNAL | 08. Oktober 2024 | 19:00 Uhr
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