Reportage Eine kleine Demo gegen den Krieg in der Ukraine und ein großes Friedensgebet in Eisenach

25. Februar 2023, 16:26 Uhr

Zum Jahrestag des russischen Angriffs gegen die Ukraine kamen in Eisenach Ukrainer und Deutsche zum gemeinsamen Friedensgebet zusammen. Zeitgleich hatte eine Initiative zur Demo gegen Krieg und Waffenlieferungen aufgerufen. Eine Reportage.

Autorinnenbild Carmen Fiedler
Bildrechte: MDR/Carmen Fiedler

Es ist sehr kalt an diesem späten Freitagnachmittag in Eisenach. Die Menschen in der Innenstadt hasten durch den eisigen Schneeregen, geduckt unter ihren Schirmen. Auf dem Marktplatz bauen ein paar Leute einen roten Pavillon auf. Die "Neue Friedensbewegung gegen Faschismus und Krieg" hat zur Demo gegen den Krieg in den Ukraine und gegen Waffenlieferungen aufgerufen. Denn heute jährt sich der russische Angriff gegen die Ukraine.

Die Initiative breitet ein langes Banner mit dem Namen der Gruppe aus. Stadtrat Thomas May vom linken Bürgerbündnis "Eisenacher Aufbruch" hält eine Rede. Er sagt: "Natürlich, das ukrainische Volk hat das Recht, sich selbst zu verteidigen. Doch diesen Krieg kann keiner gewinnen, den kann man nur beenden." Er sagt auch: "Dieser Krieg ist von beiden Seiten ein ungerechter Krieg. Die Mehrheit der Menschen in Deutschland will diesen Krieg nicht und wir wollen auch nicht dafür bezahlen."

So gut wie niemand bleibt stehen

Die Gruppe aus etwa 15 Leuten bleibt unter sich, so gut wie niemand bleibt stehen. Deshalb fallen Leandra Heining und Justin Keutel, die eine Weile zuhören, auf. "Wir versuchen zu erfassen, worum es hier geht", sagen sie. Eine Rednerin von der MLPD (Marxistisch-Leninistische Partei Deutschlands) sagt gerade etwas über die imperialistischen Staaten USA, Russland und China und dass man keine Waffen liefern solle.

Man kann ja nur gegen Krieg sein.

Leandra Heining aus Eisenach

"Ich habe da gemischte Gefühle, wenn es um Waffenlieferungen geht. Ich bin selbst aktiver Soldat. Ich finde, man sollte sich an einen Tisch setzen, um nicht unnötig zu kämpfen", sagt Justin Keutel. Und Leandra Heining fügt hinzu: "Man kann ja nur gegen Krieg sein. Jeder möchte Frieden und Sicherheit. Gerade wenn man persönlich betroffen ist." Ein Mann unter dem Pavillon singt "Meine kleine Friedenstaube".

Schräg gegenüber, in der Georgenkirche, haben sich Ukrainer und Eisenacher zum gemeinsamen Friedensgebet zusammengefunden. Die Kirche ist bis auf den letzten Platz besetzt, rund 350 Menschen sind gekommen. Eine Rednerin sagt: "Der Einsatz von Waffen muss zum Ziel haben, die Waffen zum Schweigen zu bringen." Und eine Ukrainerin erzählt von ihren Verwandten in der Ukraine. "Es fällt mir schwer, hier und heute zu ihnen zu sprechen. Jede Minute habe ich Angst, dass das Schlimmste passiert", sagt sie. "Aber ich hoffe, dass alles gut wird."

Die Stimmung ist traurig, viele haben Tränen in den Augen. Aber da ist auch leise Hoffnung zu spüren und Schutz und Trost. In der Kirche sitzen Menschen, die direkt betroffen sind. Menschen, die aus ihrer Heimat fliehen mussten, weil Putin ihr Land angegriffen hat. Eine Stunde lang sitzen sie dort, die Atmosphäre ist friedlich, nicht laut, nicht kämpferisch. Dann stehen sie vor der Kirche, mit Kerzen in der Hand, und singen ukrainische Lieder. Sie klingen ermutigend.

"Das tut gut", sagt eine Ukrainerin, die seit zwei Jahren in Eisenach lebt. Sie erzählt, dass sie ihre Kerze für die Lebenden, Toten und Verletzten in ihrer Heimat entzündet hat und, dass sie sich nur eines wünscht: "dass der Krieg beendet wird." Ihr Mann und ihre Familie sind in der Ukraine, ihr Haus in der Ukraine ist kaputt. Sie sagt: "Mein Herz leidet."

Niemand will diesen Krieg

Hier unter den Menschen vor der Kirche will niemand diesen Krieg, gerade hier nicht. Eine Rednerin in der Kirche sagt, dass der erste Schritt für Frieden so leicht wäre: Putin müsse nur seine Angriffe gegen die Ukraine einstellen. Dann müssten Gespräche folgen.

"Der Krieg endet nur mit Verhandlungen", findet auch Gabriele Phieler aus Eisenach. Sie war schon vor einem Jahr hier und ist heute gekommen, um Menschen zu treffen, die so wie sie nicht allein sein wollten an diesem Tag. Sie sagt: "Ich hatte den Eindruck, das hier ist ein Schutz und eine Stärkung, gerade für die Ukrainer."

Ich denke, im Moment ist kein Frieden von Seiten Russlands zu erwarten.

Gabriele Phieler aus Eisenach

Und wie findet sie die Demo gegen Waffenlieferungen? "Ich finde, so etwas nützt uns nichts. Aber die Meinungsfreiheit ist wichtig, sonst verlieren wir unsere demokratische Grundordnung. Diskussionen sind wichtig, man muss verschiedene Meinungen akzeptieren und sich austauschen." Und dann fügt sie hinzu: "Aber ich denke, im Moment ist kein Frieden von Seiten Russlands zu erwarten."

An der Kirchenmauer leuchten jetzt viele Kerzen, Menschen stehen beisammen und reden. Auf der anderen Seite des Marktplatzes steht nur noch ein einsamer Polizei-Bus. Vom roten Pavillon ist nichts mehr zu sehen.

MDR (caf)

Dieses Thema im Programm: MDR THÜRINGEN | MDR THÜRINGEN JOURNAL | 24. Februar 2023 | 19:00 Uhr

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