Schreckschusspistole mit Platzpatronen
Schreckschusspistole mit Platzpatronen: Seit 2014 hat sich die Zahl derer in Thüringen mehr als verdreifacht, die einen kleinen Waffenschein haben und somit zum Führen einer solchen Waffe berechtigt sind. Bildrechte: imago/Ralph Lueger

Statistik Erneut mehr kleine Waffenscheine und Waffen in Thüringen

06. März 2022, 08:51 Uhr

Mehr und mehr Menschen sind zunehmend verunsichert - so erklären sich Polizei und Politik, dass immer mehr kleine Waffenscheine ausgestellt werden. Im abgelaufenen Jahr gab es so viele Scheine wie noch nie in Thüringen. Mit der tatsächlichen Sicherheitslage hat das nicht unbedingt etwas zu tun.

Immer mehr Thüringer besitzen den kleinen Waffenschein. Die Zahl stieg im vergangenen Jahr um 6,5 Prozent, wie aus dem Nationalen Waffenregister hervorgeht. Demnach waren 2020 landesweit 13.452 Menschen berechtigt, eine oder mehrere Schreckschuss-, Gas- oder Signalpistolen zu führen. Im abgelaufenen Jahr waren es bereits 14.322. Besonders verbreitet sind die kleinen Waffenscheine auf die Einwohnerzahl gerechnet demnach im Kyffhäuserkreis und Ilm-Kreis sowie in den Kreisen Sonneberg, Nordhausen und Suhl.

Das Phänomen der kleinen Waffenscheine betrifft dabei ganz Deutschland. In allen Bundesländern stieg in den vergangenen Jahren die Nachfrage. Thüringen rangiert mit 6,8 kleinen Waffenscheinen pro 1.000 Einwohner dabei noch im unteren Mittelfeld. Die meisten kleinen Waffenscheine gemessen an der Bevölkerungszahl gab es 2021 in Schleswig-Holstein (11,7 pro 1.000 Einwohner), im Saarland (11,4) und in Nordrhein-Westfalen (10,1).

Polizei sieht kleinen Waffenschein kritisch

Polizeihauptkommissar Patrick Martin von der Landespolizeidirektion Erfurt nennt Ängste vor Einbrüchen und Überfällen als Gründe für diese Entwicklung. Am beliebtesten bei den Inhabern des kleinen Waffenscheins ist nach Martins Angaben die Schreckschusspistole. Diese sei kaum von Pistolen oder Revolvern zu unterscheiden.

Diese Pistole schrecke zwar ab, bringe den Besitzer aber auch in Gefahr: So könnten Beamte unter Umständen nicht einschätzen, ob es sich um eine scharfe oder eine Schreckschusswaffe handelt, sagt der Polizeihauptkommissar. Bundesweit hat es bereits Vorfälle gegegeben, bei denen jemand mit einer Schreckschusspistole in der Hand von der Polizei angeschossen wurde, weil die Waffe nicht eindeutig erkannt werden konnte.

Kleiner Waffenschein Ein Kleiner Waffenschein wird ab 18 Jahren von der Polizei oder einer kommunalen Behörde erteilt und berechtigt zum Führen von Schreckschuss-, Reizstoff- oder Signalwaffen. Diese Waffen verursachen, solange sie nicht aus äußerster Nähe abgefeuert werden, keine lebensgefährlichen Verletzungen. Bevor man den Kleinen Waffenschein bekommt, prüfen die Behörden die persönliche Eignung und Zuverlässigkeit - man darf zum Beispiel nicht vorbestraft sein.

CDU-Politiker Walk: "Die Menschen sind verunsichert"

Der CDU-Innenpolitiker und Landtagsabgeordnete Raymond Walk verwies darauf, dass sich die Zahl der kleinen Waffenscheine seit 2014 mehr als verdreifacht habe. Ihm zufolge driften die objektive Sicherheitslage und das subjektive Sicherheitsgefühl extrem auseinander. Die Gefahr, Opfer einer Straftat zu werden, sei in Thüringen niedriger als im Bundesdurchschnitt. Das betreffe auch Kreise mit einem hohen Anteil kleiner Waffenscheine.

"Die Menschen sind verunsichert", sagt Walk. Es sei Aufgabe der Politik gegenzusteuern. Wenn die Menschen glaubten, dass der Staat nicht mehr für die Sicherheit garantieren könne, stärke das die politischen Ränder. "Die Polizei muss sichtbar auf der Straße sein." Die CDU im Thüringer Landtag habe deshalb mehr Kontaktbereichsbeamte gefordert. Das führe alles dazu, das Sicherheitsgefühl zu erhöhen, sagt der Innenexperte.

Linke-Politiker Bilay: Verzerrtes Bild der Sicherheitslage

Der Innenpolitische Sprecher der Linken im Landtag, Sascha Bilay, führt den Anstieg der kleinen Waffenscheine auf ein falsches Verständnis von Sicherheit zurück. Vielen sei nicht bewusst, dass sie sich selbst gefährdeten. Mögliche Gründe seien aber auch die Sorge vor Einbrüchen oder "reines Imponiergehabe". Er kritisierte, dass die Anforderungen für einen solchen Schein äußerst gering seien.

Ähnlich wie Walk spricht der Linke-Politiker von einem verzerrten Bild der Sicherheitslage. "Tatsächlich ist Thüringen weiterhin ein sehr sicheres Bundesland mit einer ansteigenden Aufklärungsquote von über 63,5 Prozent." Verantwortlich für die Schieflage in den vergangenen Jahren seien auch Falschinformationen in den sozialen Medien, durch die AfD oder durch Stimmen "am rechten Rand des konservativen Spektrums".

Problematisch ist Bilay zufolge, dass neben der allgemeinen Aufrüstung immer mehr Waffen in die Hände von Neonazis, Reichsbürgern und Verschwörungstheoretikern fallen. Die Linke fordere höhere Hürden für Waffenbesitzer, stärkere Kontrollen durch die Behörden, aber auch ein schärferes Waffenrecht, sagte Bilay.

Auch Zahl der scharfen Waffen steigt

In Thüringen gab es im vergangenen Jahr auch mehr registrierte scharfe Waffen und Waffenteile in Privatbesitz. Die Zahl stieg um 1,8 Prozent, oder in absoluten Zahlen ausgedrückt um 2.350. Wer eine scharfe Waffe besitzen will, benötigt eine Waffenbesitzkarte oder einen großen Waffenschein. In Thüringen und Deutschland sind größtenteils Jäger und Sportschützen Waffenbesitzer.

Nur sehr wenige Privatpersonen besitzen einen großen Waffenschein. Wer diesen haben will, muss der jeweiligen Behörde glaubhaft vermitteln, dass er "wesentlich mehr als die Allgemeinheit durch Angriffe auf Leib und Leben gefährdet ist" und der Besitz von Waffen geeignet ist, diese Gefährdung zu mindern.

MDR

Dieses Thema im Programm: MDR THÜRINGEN - Das Radio | Das Fazit vom Tag | 06. März 2022 | 18:00 Uhr

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