1986: IM-"Ehepaar" horcht Fahrer aus

1986 stand der Norden der DDR auf Vogels Reiseprogramm. Im Oktober ging es von Ost-Berlin aus Richtung Neubrandenburg. Doch kaum hatten Vogel und seine Begleiter die DDR-Hauptstadt verlassen, wurden sie von der Volkspolizei gestoppt: "Verdacht der Ausnutzung von Einreisen in die Hauptstadt für Aufenthalte in die DDR", hieß die Begründung. Die kleine Reisegesellschaft konnte schnell das Missverständnis aufklären, sie konnte Einreisevisa für die DDR vorlegen. Die Volkspolizisten entschuldigten sich. Die Reise ging weiter.

Die Stasi erwartete Vogel im Hotel "Vier Tore" in Neubrandenburg. Hotelmitarbeiter hatten den Auftrag, durch Gespräche mit den Gästen das Besuchsprogramm in Erfahrung zu bringen. Sie sollten außerdem gewährleisten, dass Vogel stets "höflich, zuvorkommend und korrekt" behandelt wird. Andere Stasi-Mitarbeiter sorgten für die "Dokumentierung und videomäßige Aufzeichnung des Bewegungs- und Handlungsablaufes des Dr. Vogel." Auch im Hotelrestaurant war alles vorbereitet. Die Strategie der Stasi: Die beiden Fahrer von den restlichen Reisenden trennen. Sie wurden an einem Extratisch platziert. Vogel gefiel das überhaupt nicht. An den Tisch der beiden Fahrer setzte sich später ein IM-"Ehepaar". Die beiden jungen Mitarbeiter der Stasi-Abteilung II, die für Spionageabwehr zuständig war, hatten den Auftrag, die beiden Fahrer über Vogel auszuhorchen. Es funktionierte: Vogel sei durch und durch Politiker, berichteten sie. Er sei ein "Lebemann, der auch seinen Unterstellten etwas zukommen lässt." Und: Vogel sei ein "Arbeitstier". Er habe eine "immense Arbeitsleistung, nur 4-5 Stunden Schlaf täglich."

Vogel arbeitet - Begleiter besuchen "Diestel"

Die Stasi ließ Vogel nicht aus den Augen. Ein Auszug aus dem Beobachtungsbericht: "Nachdem Dr. Vogel und seine Begleitung im Hotelrestaurant Platz genommen hatten, wurde nach dem Abendbrot reichlich Alkohol verzehrt. Dr. Vogel war der Gesprächsführer am Tisch und gestikulierte teilweise lebhaft mit den Händen. Es konnte festgestellt werden, dass die Stimme von Dr. Vogel mit steigendem Alkoholkonsum ständig an Lautstärke zunahm. Aufgrund des Dialektes war es den operativen Kräften nicht möglich, zum Gesprächsthema auswertbare Informationen zu erarbeiten." Einer seiner Fahrer sagte kurz vor 23 Uhr: "Wenn der laut wird, dann weiß er genau, dass er nur noch 1 Stunde bleiben darf, sonst wird es zuviel!"

Am nächsten Vormittag durchstreifen die Besucher die Neubrandenburger Innenstadt. Dann ging es weiter nach Güstrow. In der Stadt besuchte Vogel den Dom und sprach mit dem Pfarrer. Dann ging es zurück nach Neubrandenburg. Am nächsten Morgen besuchte Vogel den katholischen Gottesdienst. Dann ging es weiter nach Neustrelitz, Rheinsberg und in die KZ-Gedenkstätte Ravensbrück. In Ost-Berlin checkte die Reisegruppe im "Palasthotel" ein. Während Vogels Mitreisende das Kabarett "Diestel" besuchten, verbrachte der Ministerpräsident den Abend im Hotelzimmer allein. Er wollte arbeiten. Von seinem Hotelzimmer rief Vogel in der Bundesrepublik an, um sich über die Lage und über den SPD-Wahlparteitag in Offenburg unterrichten zu lassen. Die Stasi hörte mit. Erst später kam die Gruppe im Weinrestaurant des Roten Rathauses wieder zusammen. Dort stand sie allerdings nicht unter "operativer Kontrolle" der Stasi. Am Morgen stand ein Besuch in der Nationalgalerie auf dem Programm. Anschließend ging es auf den Dorotheenstädtischen Friedhof. Vogel besuchte die Gräber von Hegel, Fichte, Brecht und Seghers. Dann ging es zurück nach West-Berlin.

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