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Rückblick Nach dem Tod von Bernhard Vogel: Was Thüringen ihm verdankt
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03. März 2025, 15:13 Uhr
Der langjährige Thüringer Ministerpräsident Bernhard Vogel ist gestorben. Der bodenständige, aber machtbewusste Politiker regierte Thüringen 1992 bis 2003 - und prägte lange Zeit das Bundesland.
Der Anruf von Helmut Kohl soll Bernhard Vogel in einer Münchner Gaststätte erreicht haben: "Bernd, es geht nicht anders. Du musst das machen in Erfurt." Und Vogel, damals Vorsitzender der CDU-nahen Konrad-Adenauer-Stiftung, machte sich am 27. Januar 1992 umgehend auf nach Erfurt. Angeblich soll er nicht einmal eine Zahnbürste dabei gehabt haben.
Grund war, dass in Thüringen der glücklose Josef Duchac gerade als Ministerpräsident zurückgetreten und die CDU heillos zerstritten war. Vogel kam nicht ohne Vorwissen. Er kannte die DDR, die er elf Mal besucht hatte, darunter mehrmals auch Thüringen. Politisch war er sehr erfahren, hatte von 1976 bis 1988 als Ministerpräsident Rheinland-Pfalz geführt und dabei mehrfach Wahlen gewonnen.
Von Hauruck-Aktion zur absoluten Mehrheit in Thüringen
So wählte der Thüringer Landtag den gebürtigen Göttinger und neuen Thüringer Hoffnungsträger schon am 5. Februar 1992 zum Ministerpräsidenten. Damit führte der promovierte Vogel, der ursprünglich lieber Professor werden wollte, eine CDU-FDP-Regierung. 1994, nachdem die FDP an der Fünf-Prozent-Hürde gescheitert war, schloss Vogel eine Koalition mit der SPD in Thüringen. Seine Regierungszeit wurde dabei so erfolgreich, dass er 1999 bei der Landtagswahl mit der CDU 51 Prozent der Stimmen und so die absolute Mehrheit holte. Es war wohl der Höhepunkt seiner Macht in Thüringen.
Vogel, der "Landesvater" in Thüringen
Vielen Thüringern wurde Vogel durch seine von ihm eingeführten Kreisbereisungen und Betriebsbesuche bekannt. Auch wegen seiner Bodenständigkeit und Nahbarkeit erlangte Vogel schnell eine große Popularität und verkörperte den "Landesvater". Zudem betonte er immer wieder die Thüringer Identität.
Die erste richtige politische Krise wurde die Schließung des Kalibergbaus in Bischofferode im Eichsfeld. Der Hungerstreik im Sommer 1993 erlangte bundesweites Aufsehen. "Ich habe die hässliche Fratze des Kapitalismus gesehen", sagte Vogel erschüttert. Es gelang ihm nicht, den Kalibergbau zu erhalten.
Die Ministerpräsidenten von Thüringen seit 1990:
Josef Duchac (CDU): 1990 - 1992
Bernhard Vogel (CDU): 1992 - 2003
Dieter Althaus (CDU): 2003 - 2009
Christine Lieberknecht (CDU): 2009 - 2014
Bodo Ramelow (Linke): 2014 - 2020
Thomas Kemmerich (FDP): 2020 (28 Tage)
Bodo Ramelow (Linke): 2020 - 2024
Mario Voigt (CDU): 2024 -
Wie er das Bundesland modernisiert hat
Doch Vogel packte an vielen anderen Stellen an - auch dank seiner 600 "Aufbauhelfer" aus seinem, viele Jahre zuvor regierten Bundesland Rheinland-Pfalz. Er ließ die Thüringer Landesverwaltung modernisieren, führte eine Gebietsreform mit der Zusammenlegung der zu vielen, aus DDR-Zeiten stammenden Kreise durch, reformierte Justiz, Polizei und Schulwesen. Die katholische Kirche hob seine Verdienste bei der Wiederbegründung des Bistums Erfurt 1994 hervor.
Unter seiner Regierung entwickelte sich Thüringen zu einem Standort für Automobilzulieferer. Er ließ Straßen und Autobahnen wie die A71 bauen sowie ausbauen und setzte sich insbesondere dafür ein, dass die ICE-Strecke über Erfurt und nicht über Sachsen verläuft. Der Erfurter Bahnknoten wurde schließlich 2015 eingeweiht, die Strecke selbst nach vielen Milliarden Euro an Baukosten zwei Jahre später.
Als einer der beiden Vorsitzenden der Föderalismuskommission von Bundestag und Bundesrat setzte er sich immer wieder dafür ein, Bundesbehörden nach Ostdeutschland zu verlegen, wie die Adenauer-Stiftung schreibt. So verlegte die Max-Planck-Gesellschaft drei Standorte nach Thüringen.
Besonders die Landeshauptstadt profitierte in seiner Zeit als Ministerpräsident: Maßgeblich beteiligt war er etwa daran, dass das Bundesarbeitsgericht nach Erfurt kam. Auch der Kinderkanal von ARD und ZDF zog nach Erfurt. In Erfurt wurde zudem die Universität wiedereröffnet und die zweitgrößte Messe in Ostdeutschland eröffnet.
Nicht zuletzt hatte er die frühe Renaissance der Thüringer Ost-Beziehungen nach Russland, Polen und Ungarn im Fokus sowie neue Partnerschaften mit Litauen und Regionen in Frankreich und Großbritannien.
Ein Höhepunkt wurde für ihn das Jahr 1999, als Weimar europäische Kulturhauptstadt war. Dafür hatte sich der studierte Historiker Vogel trotz immenser Kosten immer wieder stark eingesetzt. In der historisch einzigartigen Stadt gründete er zudem die "Stiftung Ettersberg zur vergleichenden Erforschung europäischer Diktaturen und ihrer Überwindung". Im Jahr 2000 schloss das Land Thüringen einen Staatsvertrag mit der Jüdischen Gemeinde.
Nicht alles gelang ihm so gut. Der Interventionismus, mit dem die Landesregierung auf den wirtschaftlichen Kollaps reagierte, brachte vielen geretteten Unternehmen Probleme bis heute. Spätestens mit Vogels Bemerkung von den "Sesselfurzern in Brüssel" galt das Verhältnis zur EU- Kommission als zerrüttet. Erst spät rückte Thüringen ab vom Niedriglohn als Allheilmittel.
Doch in seine Regierungszeit fiel auch der Amoklauf am Erfurter Gutenberg-Gymnasium am 26. April 2002, als ein 19-Jähriger zwölf Lehrer, zwei Schüler, eine Sekretärin und einen Polizisten erschoss und sich dann selbst tötete. Vogel fand danach die richtigen Worte, vermied aber laut Adenauer-Stiftung "den Eindruck einer politischen Lähmung oder gar von Aktionismus".
Gelungener Machtwechsel an Dieter Althaus
Nach elf Jahren, am 5. Juni 2003, übergab Vogel aus Altersgründen seine Amtsgeschäfte schließlich an Dieter Althaus und sorgte für einen reibungslosen politischen Machtwechsel. "Ich bin zufrieden und dankbar für diese Zeit. Ich hinterlasse das Haus gut bestellt", resümierte er zum Abschied in Thüringen. Vogel wurde mit seiner Zeit in Thüringen nicht nur der Ministerpräsident mit den meisten Dienstjahren, sondern auch der erste Politiker, der zwei Bundesländer geführt hat. Insgesamt war Vogel 23 Jahre Ministerpräsident, von 1967 bis 1976 Jahre war er dazu Bildungs- und Kulturminister in Rheinland-Pfalz gewesen.
Nach seiner Zeit als Ministerpräsident leitete er erneut die Konrad-Adenauer-Stiftung und lebte in Speyer. Über Jahrzehnte gehörte Vogel auch dem Bundesvorstand der Union an. Von 1994 bis 2004 war er auch Thüringer Landtagsabgeordneter. Die Thüringer CDU führte er von 1993 bis 2003. Ein Jahr später wurde er zum Ehrenvorsitzenden ernannt. Von 1972 bis 1976 war er Chef des Zentralrates der Katholiken, dem obersten Laiengremium der katholischen Kirche in Deutschland.
Bernhard Vogel ist am Sonntag im Alter von 92 Jahren gestorben. In Thüringen gibt es aus diesem Grund eine Trauerbeflaggung.
MDR (rom)
Dieses Thema im Programm: MDR THÜRINGEN - Das Radio | Nachrichten | 03. März 2025 | 10:00 Uhr
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