Symbolgrafik: Wut
Eigentlich geben unsere Themen genug Stoff für inhaltliche Diskussion und Argumente her. Im April ging es aber doch - fußballerisch geagt - etwas zu oft auf den Knöchel statt auf den Ball: Reichlich viele Kommentare attackierten nur andere User. Bildrechte: Colourbox.de

Rückblick April Userkommentare: Zwischen Diskussion und Saalschlacht

03. Mai 2023, 11:00 Uhr

Unsere User lieferten Wissenswertes von Gemüse bis KI - und einige "digitale Saalschlachten". Das Kommentarteam hatte zu tun und damit Material für die Gesprächsrunde mit dem Erfurter Forscher Fabian Prochazka.

Die Zahlen

Fast konstante (Frühlings-)Verhältnisse im Vergleich zum März: Auch in der Zeit vor Corona hatten wir gesehen, dass die Kommentaraktivität mit Beginn der wärmeren Jahreszeit tendenziell etwas nachlässt. Dazu kommt, dass Themen wie Energie und Inflation natürlich weiterhin eine große Rolle spielen, aber nicht mehr so emotional wie im Spätsommer und Frühherbst diskutiert werden. Faktenargumente spielen inzwischen eine größere Rolle als Ängste.

Auf der Webseite hatten wir 294 eigene Artikel, davon knapp 70 Prozent kommentierbar (vor allem "Blaulichtthemen" sind in der Regel nicht kommentierbar). Facebook hatte 298 Postings, Instagram 133.

Die Spitze Mitte August 2022 und das danach folgende hohe Niveau gehen auf das Ende der Sommerferien zurück sowie die Sommerinterviews und die ab dieser Zeit verschärften Sorgen vor Inflation und Energiepreisen. In der ersten Aprilwoche trieb das Facebook-Posting zum Absatzrekord von Vita Cola die Zahlen.

Die Topthemen

Bei der Verteilung zwischen den drei Kanälen wirkt sich der Ausreißer "Absatzrekord Vita-Cola" deutlich aus, der bei rund 1,2 Millionen Reichweite und mehr als 1.900 Kommentaren 44 durchschnittlichen Postings entsprach oder mehr als der Hälfte des Kommentaraufkommens einer durchschnittlichen Woche. Inhaltlich wurden darunter neben Begeisterung auch reichlich Ost-West-Spitzen ausgeschenkt. Kommentarzahlen der zehn pro Kanal meist diskutierten Themen:

Die Angaben zu Schleusingen beziehen sich auf die Berichte zu zwei Demonstrationen und einen Besuch des Landrats.

...und noch mehr

Userkommentare bilden - das wissen wir, sind aber doch immer wieder überrascht, was alle Beteiligten noch lernen können - sei es über das Konzil von Nicäa 325 in der Diskussion um die Palmsonntagsprozession in Heiligenstadt oder das Einkaufsverhalten bei Lebensmitteln mit Blick auf Herkunft, Produktionsbedingungen und Inflation in sehr lebensnahen Diskussionen mit vielen konkreten Alltagsbeobachtungen und Tipps. Etwas überraschend war, dass der Artikel zum Thema Obdachlosigkeit, die bei anderen Themen gerne als Argument für dieses oder jenes herangezogen wird, dann fast unkommentiert blieb als es konkret wurde.

Ein Hinweis in eigener Sache: Zwar sind reine Videos aus technischen Gründen nicht kommentierbar, aber wir testen derzeit eine Variante um in etwas anderer Form unter ihnen doch Kommentare zu ermöglichen. Kommentierbar wurden damit unter anderem die Landtagsdebatte über Schulpolitik oder dieser Test zur Fahrradfreundlichkeit in Thüringen.

Userzitate

Diesesmal aus der Rubrik "Was nicht veröffentlicht wurde" gespeist aus nur einem Schleusingen-Thread (aus hoffentlich verständlichen Gründen ohne die Usernamen): "Sie kapieren offenbar garnichts" - "So ein Schmarrn!Geht es noch etwas stumpfsinniger?" - "Beim Morgensport Schleudertrauma geholt?" - "Sie schwafeln ja hier jede Menge Blödsinn aber manches ist einfach nur noch seltsam." - "Gehts noch dummdreister?" - "Könnten Sie uns bitte mit Ihren kranken Parolen verschonen?" - "Was soll der Blödsinn? Wobei, passt schon zu Bräunlingen." - "Mann oder Frau outet sich gern mal als Bildungsfern wenn man solche Kommentare wie ihren verfasst." - "Ihnen ist wirklich nichts zu doof, oder?" - "Ich fordere alle Grenzen zu und bei Nichtbeachtung den Schießbefehl."
Netiquette leise weinend ab...

Kommunikationswissenschaftler zu Gast

Input aus der Wisenschaft holte sich das Kommentarteam bei einem seiner turnusmäßigen Treffen vom Kommunikationswissenschaftler Fabian Prochazka. Der Juniorprofessor der Erfurter Universität hatte zuletzt unter anderem eine Studie veröffentlicht, die sich mit der Reaktion (oder Nichtreaktion) von Medien auf Kritik befasste. Kurz und etwas überspitzt zusammengefasst könnte das Ergebnis heißen: "Schweigen ist Blech, Reagieren ist Gold". Auch User, die dem Medium kritisch gegenüberstünden, würden Reaktionen positiver bewerten als Schweigen.

Im Gespräch ging es dann um die verschiedenen Reaktionsmöglichkeiten: Sarkasmus - vom schweigenden Publikum zwar goutiert, aber nicht so empfehlenswert; auf die Emotionslage von Kritikern erst mal eingehen und dann erst entgegnen, komme zumindest in Experimenten gut an. An dieser Stelle waren wir aufgrund unserer Erfahrungen und auch Versuchen damit etwas skeptischer, behalten es aber weiter im Blick.

Schweigende Leserschaft als wichtiger Teil des Publikums

"Bei Härtefällen sollte man nicht die Illusion haben, sie vom Gegenteil zu überzeugen", sagte Prochazka. Moderationsteams dürften aber nie die ganz vielen User übersehen, die still mitläsen (rund 90 Prozent) und oft das eigentliche Publikum auch bei unseren Reaktionen seien. Trotz aller Ergebnisse aus kontrollierten Studien bleibe aber die Moderationsarbeit im Alltag immer auch ein "Experiment", bei dem die Teams auf die eigene Erfahrung setzen müssten, was beim jeweiligen User wie ankomme. Auf die Frage nach dem Stellenwert der Arbeit mit Userreaktionen im Journalismus sah Prochazka zwei deutlich getrennte Lager: Die einen – "eher hier im Raum" – die die Chancen sähen und andere, die "sehr sehr distanziert" seien. Zwischen den Gruppen "spezialisiert" und "relativ weit weg" gebe es eher wenig.

Wir haben da eine Frage an Sie

Prochazka wird nicht der letzte Gast von außen bei uns gewesen sein. Wir haben schon eine Reihe möglicher weiterer Berufe und Gäste im Blick, die in der einen oder anderen Form Erfahrungen beisteuern können - vom Bundesligaschiedsrichter bis zum Psychologen. Wir sind auch ganz Ohr, wer aus Ihrer Sicht Interessantes beitragen könnte. Wir würden natürlich über den Input solcher Gäste dann hier auch berichten.

Und zum Schluss noch eine nur halb ernste Frage: Ein User schrieb auf Facebook über die Spargelpreise "Wer sich über den Preis aufregt, es wird niemand zum Kauf gezwungen. Oder vielleicht einfach mal mehr verdienen", worauf als Antwort kam: "Du Schnösel."
Beleidigend oder nicht? Und wäre "Sie Schnösel" vertretbarer gewesen?

MDR (csr)

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