Wetter Schnell und heftig: Warum Sommer-Unwetter so schlecht vorherzusagen sind
Hauptinhalt
24. August 2023, 10:52 Uhr
In den vergangenen Tagen wüteten Unwetter in Mittel- und Ostthüringen und richteten massive Schäden an. Wir haben Wetterexpertinnen gefragt, weshalb die Warnung erst kurz vorher kam und wie ein Unwetter entsteht.
Aktuelle Nachrichten finden Sie jederzeit auf mdr.de und in der MDR Aktuell App.
- Deutscher Wetterdienst weist Kritik aus Erfurt zurück
- Warum Unwetter im Sommer oft sehr lokal sind
- Eine einfache Erklärung: So entstehen Unwetter
- Unwetterwarnungen sollen künftig straßengenau werden
Als am 15. August in Erfurt gegen 17:45 Uhr ein Unwetter mit Starkregen, Hagel und Sturm losbrach, kam das für viele plötzlich und überraschend. Vor allem, weil es so heftig tobte mit Windgeschwindigkeiten von bis zu 90 km/h. Binnen kürzester Zeit fielen bis zu 19,2 Liter Regen pro Quadratmeter.
Deutscher Wetterdienst weist Kritik zurück
Oberbürgermeister Andreas Bausewein (SPD) schimpfte am Tag darauf: "Wir hatten sehr allgemeine Warnungen. Es waren keine konkreten Unwetterwarnungen, die das vorhergesagt haben, was da gestern Nachmittag über uns kam." Denn die Warnung des Deutschen Wetterdienstes (DWD) kam nur eine Viertelstunde vor Beginn des Unwetters - für viele gefühlt zu spät, um sich darauf einstellen zu können.
Beim Deutschen Wetterdienst (DWD) sieht man das anders. Dass die Warnung 15 Minuten vorher rausging, sei richtig gut. "Das ist für uns schon perfekt gelaufen", sagt Cathleen Hickmann, Meteorologin beim DWD in Leipzig. Oft könne der DWD bei diesen Wetterlagen im Sommer erst fünf Minuten vorher örtlich warnen. Denn solche Gewitter kommen schnell und können lokal ganz unterschiedlich heftig wüten. "Es gibt solche Lagen, da geht es wirklich rasant."
Unwetter sehr lokal
Immerhin habe es schon Tage vorher für Thüringen Warnungen vor Unwettern gegeben, auch an diesem Tag, sagt MDR-Wetterexpertin Michaela Koschak. Doch welche Orte genau diese treffen, sei schwer vorauszusagen. "Das sind lokal sehr begrenzte Schauer und Gewitter." Und die seien bei dieser Wetterlage schwer vorherzusagen.
Mit "dieser Wetterlage" ist die Mischung aus Hitze und Feuchtigkeit gemeint, die einem Sommergewitter vorausgeht. Michaela Koschak: "Wir hatten heiße Luft, viel Energie, viel Feuchtigkeit. Für uns war das schon relativ klar, dass da was kommt, auch, dass die Sommergewitter so extrem ausfallen."
Wir hatten heiße Luft, viel Energie, viel Feuchtigkeit. Für uns war das schon relativ klar, dass da was kommt.
So gab es auch in anderen Teilen Thüringens Unwetter. Laut MDR-Wetterstudio zogen die stärksten Sturmböen am 15. August über Mittel- und Ostthüringen hinweg. Die Gemeinde Gebstedt (Weimarer Land) traf es besonders schwer. Dort wurden Dächer abgedeckt und umgestürzte Bäume versperrten die Zufahrten.
Auch in Bad Sulza (Weimarer Land) verursachte das Unwetter erhebliche Schäden. In Georgenthal (Landkreis Gotha) stand das Wasser an manchen Stellen bis zu 40 Zentimeter hoch. In Hermsdorf im Saale-Holzland-Kreis und in Zeutsch im Kreis Saalfeld-Rudolstadt fielen während der Unwetter jeweils 17 Liter Regen pro Quadratmeter.
Für Wetterexperten sei diese Wetterlage "herausfordernd", sagt Meteorologin Koschak. "Wenn die Wetterlage eingefahren und es länger warm ist, manchmal über ein bis zwei Wochen, verdunstet viel mehr Wasser und es ist mehr Wasserdampf in der Luft." Und Wasserdampf sei das Futter für Schauer- und Gewitterwolken.
Viel Regen an einer Stelle
Zudem habe es eine geringe Höhenströmung gegeben, weswegen die Wolken langsam gezogen seien. Das hatte laut Koschak zur Folge, dass die Gewitterwolken an einer Stelle stehengeblieben sind und bestimmte Orte "im Regen versenkt" haben.
Wenn wir Glück haben, können wir noch warnen.
DWD-Meteorologin Cathleen Hickmann vergleicht die Gewitterbildung mit einem Kochtopf auf dem Herd. Das Wasser wird erwärmt, irgendwann steigt die erste Blase auf. "Das war an dem Tag so. Deshalb wussten wir, irgendwo in Thüringen wird es gewittern, aber wo in dem Topf die erste Blase aufsteigt, das kann man nicht vorhersagen. Wenn wir Glück haben, können wir noch warnen."
Wir hatten eine extrem instabile Luft. Das ist gleich zu einem schweren Gewitter hochgeschossen.
Es sei schon den ganzen Tag sehr drückend gewesen. "Wir hatten eine extrem instabile Luft. Das ist gleich zu einem schweren Gewitter hochgeschossen." Sehr vereinfacht erklärt Wetterexpertin Hickmann die Entstehung solcher lokalen schweren Unwetter so:
Warme Luft steigt auf
Am Boden haben wir eine feuchte und warme Luft. Warme Luft ist immer leichter als kalte Luft und steigt deshalb auf. Die Luft nimmt Feuchte mit in die Höhe. Die Feuchte kondensiert dort, weil es oben kälter ist. Daraus bilden sich Wolken und Wolkentürme bis weit in die Höhe.
Luft in der Wolke zirkuliert
Die Luft in der Wolke zirkuliert, steigt also auf und ab, und mit ihr die Wassertropfen. Die Luft zirkuliert immer schneller und schafft es irgendwann nicht mehr, die Tropfen, die immer größer werden, wieder nach oben steigen zu lassen. Die Tropfen, die zu groß und zu schwer geworden sind, werden zu Regen oder Starkregen.
Gewitter ist "gut": Natur bemüht sich um Ausgleich
Außerdem entstehen unterschiedlich geladene Pole. Durch die Zirkulation entsteht eine Ladungstrennung. Die Natur ist bemüht, einen Ausgleich zu finden. Das passiert durch ein Gewitter. Cathleen Hickmann sagt: "Deswegen ist ein Gewitter gut, weil das einen Ausgleich bringt" und spricht von der "Physik der Atmosphäre".
Sturmböen
Ein Sturm hat seine Ursache in den verschiedene Schichten der Atmosphäre. Denn es kann, auch wenn es unten windstill ist, in fünf Kilometern Höhe stürmen. Diese Sturmböen werden mit dem Niederschlag nach unten gerissen, knallen auf den Boden und wehen hauruckartig zur Seite weg.
Wir geben uns Mühe, 24 Stunden vorher schon einen Hinweis zu geben.
Unwetterwarnungen sollen künftig straßengenau werden
Da ist also viel Energie in der Luft. "Wir geben uns Mühe, 24 Stunden vorher schon einen Hinweis zu geben", sagt Cathleen Hickmann. "Wir versuchen es immer." Die Warnungen seien zudem schon viel genauer geworden. "Aktuell ist es so, dass wir für Gemeinden warnen", nicht mehr nur wie vorher für Landkreise. "Die Zukunft ist, dass wir straßengenau warnen." Das sei eine riesengroße Herausforderung.
Bleibt also, die Warnungen der Wetterexperten ernst zu nehmen - auch, wenn meistens doch nichts passiert. "Es kann etwas passieren, es muss aber nichts passieren", sagt MDR-Wetterexpertin Michaela Koschak. Sie rät, genau hinzuhören, selbst aus dem Fenster zu schauen, darauf zu achten, ob der Wind auffrischt und eine Gewitterwand naht, mitzudenken und sich gegenseitig zu sensibilisieren.
Sturmwarnungen im Herbst kommen früher
Spätestens im Herbst wird das Wetter vorhersehbarer. "Die wunderbaren Herbststürme bilden sich schon viel eher und sind viel großräumiger", sagt Meteorologin Hickmann. Dann kommen auch die Sturmwarnungen wieder mit mehr Vorlauf.
MDR (caf)
Dieses Thema im Programm: MDR THÜRINGEN | MDR THÜRINGEN JOURNAL | 23. August 2023 | 19:00 Uhr
Not Found
The requested URL /api/v1/talk/includes/html/b2ca75bb-58ca-4c32-86aa-57918381b6b2 was not found on this server.