Gewitter, Hagel, Sturm Fäkalien im Fluss und umgestürzte Bäume: Sturm schlägt Schneise der Verwüstung durch Erfurt
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16. August 2023, 20:32 Uhr
Schwere Unwetter mit Sturmböen und Gewitter sind am Dienstag über mehrere Regionen Thüringens gezogen. Mehrere Personen wurden verletzt. In Erfurt stürzten zahlreiche Bäume um, der Straßenbahn- und Busverkehr war unterbrochen. Zudem liefen Fäkalien samt Klopapier aus dem überforderten Abwassersystem in einen Fluss.
Inhalt des Artikels:
- 172 Einsätze in Erfurt - Abwassersystem überfordert
- Lkw von Windböen in Erfurt umgeworfen
- Aufräumarbeiten in Erfurt dauern an
- Feuerwehr warnt vor Gefahren in Parks und Friedhöfen
- Erhebliche Schäden in Mittelthüringen
- Mann im Weimarer Land von Blitz getroffen
- Baum auf Auto gestürzt - Frau eingeklemmt
- Tanklaster auf A4 umgekippt
- Züge zwischen Erfurt und Halle umgeleitet
- DWD warnt erneut vor Starkregen und Sturmböen
Nach dem Unwetter über Mittel- und Westthüringen hat die Feuerwehr bis zum späten Dienstagabend allein in Erfurt fast 200 Einsätze gezählt. Nach Angaben der Rettungsleitstelle wurden viele Dächer abgedeckt. Umgestürzte Bäume beschädigten geparkte Autos und blockierten vorübergehend Straßen.
Inzwischen ist der öffentliche Nahverkehr in Erfurt wieder weitestgehend normal angelaufen. Lediglich die Bahnen der Linie zwei verkehren bis voraussichtlich bis Donnerstagabend 18 Uhr nur eingeschränkt zwischen Wiesenhügel und Gothaer Platz. Von dort fahren Busse.
Bei dem Unwetter am Dienstagabend kam der Nahverkehr zeitweise fast vollständig zum Erliegen. Umgestürzte Bäume und herabfallende Äste blockierten Straßen und Schienen.
172 Einsätze in Erfurt - Abwassersystem überfordert
Das Unwetter hinterließ in Erfurt eine Schneise der Verwüstung. Nach Angaben der Stadt gab es zwei Leichtverletzte. So war ein Motorradfahrer gestürzt. Besonders betroffen waren die Erfurter Stadtteile Hochheim, Bindersleben und das Andreasviertel. Insgesamt gab es im Stadtgebiet 172 Rettungseinsätze, davon 34 wegen Wasserschäden. Durch umgestürzte Bäume wurden insbesondere an der Gothaer Straße Oberleitungen abgerissen.
Fäkalien im Flusssystem
In die Baustelle des Wehres am Dreienbrunnenbad sind zudem Fäkalien gespült worden. Wie ein Sprecher des Landesamtes für Umwelt, Bergbau und Naturschutz MDR THÜRINGEN sagte, war das Abwassersystem aufgrund der großen Wassermassen durch den Starkregen überfordert.
Die Entlastungsleitung sei angesprungen, die in so einem Fall das Wasser aufnimmt, es allerdings ungefiltert in den Flutgraben leitet. Die Fäkalien samt Klopapier setzten sich rund ums Widerlager des Papierwehres fest. Die Baustelle des Dreienbrunnenbades nebenan ist nach Angaben von Stadtwerkesprecherin Christine Karpe vom Unrat verschont geblieben, aber erneut voll Wasser gelaufen.
Auch Egapark massiv geschädigt
Massive Schäden gibt es im Egapark, vor allem in den Waldbereichen. So seien 90 Jahre alte Kastanien wie Streichhölzer umgeknickt, sagte Ega-Geschäftsführerin Kathrin Weiß. Fotos zeigen, dass ein Baum auf die Parkbahn stürzte, die seit der Bundesgartenschau durch den Egapark fährt.
Lkw von Windböen in Erfurt umgeworfen
Zudem kippten in Erfurt beim Unwetter zwei Lkw um, die von Windböen erfasst wurden. Beide Fahrer seien dabei leicht verletzt worden, teilte die Polizei am Mittwoch mit. Demnach ereigneten sich beide unwetterbedingten Unfälle fast zeitgleich am Dienstagabend. Nach Angaben der Polizei kippte ein Lkw im Linderbacher Weg um, der andere Unfall geschah im Ortsteil Hochstedt. Bei einem Unfall entstand Sachschaden von rund 30.000 Euro, der Sachschaden am anderen Lkw wurde bislang nicht beziffert.
Aufräumarbeiten in Erfurt dauern an
Die Aufräumarbeiten werden in Erfurt mindestens noch bis Donnerstag dauern. Der Nordpark sei ebenfalls in weiten Teilen zerstört, hieß es aus der Stadtverwaltung. Das Dach der Klosterkirche St. Peter und Paul auf dem Petersberg in Erfurt ist beispielsweise schon wieder repariert. Wie die Stiftung Thüringer Schlösser und Gärten in Rudolstadt mitteilte, hatte das Gewitter eine 40 Quadratmeter große Fläche abgedeckt - auch am Dachstuhl gab es demnach einen kleineren Schaden.
Erfurts Oberbürgermeister Andreas Bausewein kritisierte, dass die Wetter-Gefahrenmeldung zu spät eingetroffen sei. Die Stadt habe keinen Vorlauf gehabt. Bausewein zeigte sich aber auch erleichtert, dass es nur wenige Verletzte gab.
Ein Sprecher des DWD sagte dazu, es habe bereits ab 15.45 Uhr eine allgemeine Wetterwarnung für Erfurt gegeben - um 17.28 Uhr sei dann auch eine Unwetterwarnung für Erfurt ausgegeben und vor 35 Litern Regen pro Stunde und Böen von bis zu 100 Kilometern pro Stunde gewarnt worden.
Feuerwehr warnt vor Gefahren in Parks und Friedhöfen
Nach Angaben der Landeseinsatzzentrale der Polizei gingen am Dienstag allein zwischen 17:45 und 18:45 Uhr rund 60 Notrufe ein. Grund seien vor allem umgestürzte Bäume in Stadtteilen von Erfurt sowie beschädigte geparkte Autos gewesen.
Wegen Gefahren durch möglicherweise beschädigte Bäume warnten die Feuerwehr sowie das Garten- und Friedhofsamt in Erfurt davor, Parks, Wälder und Friedhöfe zu betreten. "Außerdem sollen Spielplätze und Parkanlagen sowie Bäume im Allgemeinen zunächst gemieden werden", teilte die Stadt mit. Der Egapark bleibt vorerst geschlossen.
In ganz Thüringen mahnt die Feuerwehr zu Vorsicht in vollgelaufenen Kellern. Es bestehe Gefahr durch Stromschläge, aufgeschwommene und nicht mehr vorhandene Gullydeckel sowie nicht sichtbare Löcher. Auch bei losen Teilen an Dächern sei Vorsicht angebracht. "Bitte überlassen Sie die Begutachtung und Erstmaßnahmen den Fachleuten", sagte Sprecher Lars Angler.
Erhebliche Schäden in Mittelthüringen
Besonders betroffen ist auch die Gemeinde Gebstedt (Weimarer Land). Dort wurden den Angaben zufolge viele Dächer abgedeckt. Umgestürzte Bäume versperrten die Zufahrten. Die Feuerwehren mussten zum Teil über Feldwege nach Gebstedt fahren, wie es von der Rettungsleitstelle in Apolda hieß. Nicht nur in Gebstedt, auch in einer Schneise zwischen Weimar-Nord bis Eckartsberga (Sachsen-Anhalt) habe das Unwetter Schäden hinterlassen.
Auch in Bad Sulza verursachte das Unwetter laut Polizei erhebliche Schäden. Es seien eine Vielzahl von Bäumen umgestürzt, Dächer abgedeckt sowie sonstige unwetterbedingte Schäden verursacht worden. Betroffen seien vor allem Privathäuser und landwirtschaftliche Betriebe. Der Ausmaß des Schadens sei noch nicht absehbar.
Mann im Weimarer Land von Blitz getroffen
In Buttelstedt (Weimarer Land) lief eine Schlammlawine durch ein Haus. Wie der Bürgermeister der Landgemeinde Am Ettersberg, Thomas Heß MDR THÜRINGEN sagte, gab es auch Schlammlawinen in Heichelheim und Stedten. Seinen Angaben zufolge wurde in Sachsenhausen ein Mann indirekt von einem Blitz getroffen. Er habe in einer Scheune gestanden, als der Blitz in das Gebäude einschlug. Mit Lähmungserscheinungen und Herzrhythmusstörungen kam der Mann ins Krankenhaus.
In Sachsenhausen habe es am Dienstag für mehrere Stunden keinen Strom gegeben, weil Bäume auf die Leitungen stürzten. Wassereinläufe werden von den Feuerwehren gereinigt. In fast allen Dörfern der Landgemeinde wurden Keller und Scheunen überflutet.
Auch Rudersdorf (Landkreis Sömmerda) war am Dienstagabend zwei Stunden ohne Strom. Nach Angaben der Landgemeinde Buttstädt hatte das Unwetter hier mehrere Dächer von Häusern und Scheunen abgedeckt. 50 Feuerwehrleute waren im Einsatz. Bürgermeister Hendrik Blose sagte nach einer ersten Analyse MDR THÜRINGEN, dass es in der Landgemeinde nur Rudersdorf schlimm getroffen habe.
Baum auf Auto gestürzt - Frau eingeklemmt
In Georgenthal und in Tambach-Dietharz (Landkreis Gotha) sprechen die Menschen von einem Wirbelsturm. Ein Sprecher der Feuerwehr sagte MDR THÜRINGEN, man habe die Hand vor dem Gesicht nicht mehr sehen können. An manchen Stellen in Georgenthal stand das Wasser bis zu 40 Zentimeter hoch. Wie viele Bäume auf Häuser, Autos und Straßen gefallen sind, sei Mittwochmorgen noch nicht zählbar.
Nach Angaben des Landratsamtes in Gotha waren 120 Feuerwehrleute im Einsatz. Zwischen Georgenthal und Nauendorf wurde eine Frau durch einen umgestürzten Baum im Auto eingeklemmt. Einsatzkräfte befreiten sie aus dem Wagen. Sie kam ins Krankenhaus. Unklar sei, ob sie schwer verletzt ist. Im Zusammenhang mit dem Unwetter gab es außerdem ein Gasleck in Tambach-Dietharz. Laut Bürgermeister Marko Schütz konnten die Schäden noch am Dienstag behoben werden.
Tanklaster auf A4 umgekippt
Die Autobahn 4 in Richtung Frankfurt war nach einem Unfall mit einem Tanklaster am späten Dienstagnachmittag zwischenzeitlich gesperrt. Wie die Polizei mitteilte, hatte der Fahrer die Kontrolle über den Anhänger verloren. Dieser sei beim starken Regen ausgebrochen, habe den kompletten Sattelzug nach links gezogen, sei gegen die Mittelleitplanke geprallt und anschließend auf die Seite gekippt. Der Fahrer sei dabei leicht verletzt worden. Gegen ihn werde nun ermittelt. Ein Atemalkoholtest habe einen Wert von 0,75 Promille ergeben.
Im Tankauflieger waren der Polizei zufolge 27.000 Liter Glycerin geladen. Beim Unfall sei der Tank so schwer beschädigt worden, dass der Inhalt sich auf allen drei Fahrstreifen verteilt hätte. Zusätzlich sei Kraftstoff ausgetreten. Die Unfallstelle sei zunächst voll gesperrt worden.
Züge zwischen Erfurt und Halle umgeleitet
Seit Mittwochmittag verkehren die ICE-Züge zwischen Erfurt und Halle wieder auf der normalen Strecke. Wie ein Sprecher der Bahn mitteilte, waren sie aufgrund eines defekten Stellwerks von Dienstagabend an über Weimar und Naumburg umgeleitet worden. Fahrgäste mussten mit rund 30 Minuten Verspätung rechnen. Ein Blitzeinschlag hatte demnach den Schaden an dem Stellwerk verursacht.
DWD warnt erneut vor Starkregen und Sturmböen
Am Mittwoch soll es laut Deutschem Wetterdienst (DWD) zunächst trocken bleiben - allerdings währt die Ruhe nicht lange: Ab Nachmittag und Abend sollen Schauer und Gewitter auftreten, örtlich werden Unwetter mit Starkregen, Sturmböen und Hagel erwartet. Auch in der Nacht zum Donnerstag wechselt die Bewölkung und es kommt teils zu kräftigen Schauern und Gewittern, die teils unwetterartig auftreten. Örtlich auftretende Unwetter sind laut DWD auch am Donnerstag wieder möglich.
Sturmböen über Mittel- und Ostthüringen gemessen
Laut MDR-Wetterstudio zogen die stärksten Sturmböen am Dienstag über Mittel- und Ostthüringen hinweg. Am heftigsten tobten sie in Erfurt. Dort wurden Windgeschwindigkeiten von bis zu 90 km/h gemessen. Binnen kürzester Zeit fielen bis zu 19,2 Liter Regen pro Quadratmeter.
Neben Erfurt waren die Gewitter auch in Hermsdorf im Saale-Holzland-Kreis und in Zeutsch im Kreis Saalfeld-Rudolstadt besonders heftig. Dort fielen während der Unwetter jeweils 17 Liter Regen pro Quadratmeter.
MDR (luk/dst/mw/jn/mm), dpa
Dieses Thema im Programm: MDR THÜRINGEN | MDR THÜRINGEN JOURNAL | 15. August 2023 | 19:00 Uhr