Erneuerbare Energien Solaranlagen selbst montieren? So ist ein Thüringer vorgegangen
Hauptinhalt
20. November 2022, 17:34 Uhr
Wer in Thüringen einen Handwerksbetrieb zum Installieren der eigenen Solaranlage finden will, muss momentan lange warten und Klinken putzen. Ein Ingenieur aus dem Ilm-Kreis hat deshalb die Eigenmontage gewagt.
Wer gerade Handwerksbetriebe für die Installation von Photovoltaik-Anlagen sucht, muss sich oftmals in Geduld üben. Die Nachfrage ist auch aufgrund der hohen Energiepreise stark gestiegen, manche Handwerksbetriebe nehmen gar keine Aufträge mehr für die kommenden Monate an.
Diese Erfahrung hat auch Markus Riedl aus Angelroda im Ilm-Kreis gemacht. Kurzer Hand entschloss er sich, seine Solarmodule selbst aufs Dach zu montieren. Aber geht das so einfach?
Umbau zu energieautarkem Wohnen
Vor anderthalb Jahren hat sich Markus Riedl entschieden, sein Unternehmen zu verkaufen. Seitdem hat er mehr Zeit - und die investiert er in den Umbau seines Hauses. Schritt für Schritt will er sein Haus mit Photovoltaik-Anlagen bestücken und somit auch einen Beitrag zur Energiewende leisten, erzählt der 61-Jährige. Zusammen mit seiner Frau will er sein Haus weitestgehend energieautark umbauen.
Ziel: Gaskosten um 90 Prozent runter
Das Ziel der beiden: Die bisherigen Gaskosten um 90 Prozent reduzieren. Mittels Photovoltaik, Solarthermie, Wärmepumpe und Stromspeicher. Die erste Dachhälfte ist schon mit Solarmodulen bestückt, die zweite Hälfte soll in den nächsten Wochen folgen. Die dafür benötigten Dachhaken und Montageschienen sollte anfänglich ein Unternehmen aus der Region anbringen. Nur hat das Ehepaar dafür keins gefunden. "Ich habe Firmen bis Umkreis hinter Erfurt angefragt, keine Chance", sagt Markus Riedl, selbst gelernter Ingenieur. Also wagte er die Montage in Eigenregie.
Energiepreise treiben PV-Ausbau an
Laut Thüringer Energie- und GreenTech-Agentur GmbH (ThEGA) ist in Thüringen die Zahl der Anlagen von etwa 39.000 auf über 45.500 Anlagen innerhalb von 10 Monaten angestiegen. Die hohe Nachfrage nach Photovoltaik-Anlagen und die steigende Zahl der tatsächlichen Anlagen seien auf die hohen Energiepreise zurückzuführen, sagt Daniel Krieg von der ThEGA-Servicestelle für Solarenergie.
Eigenmontage nur unter Voraussetzungen empfohlen
TheEGA-Fachmann Krieg sagt, thüringenweit gebe es etwa 30 Unternehmen, die eine solche Dienstleistung auch für private PV-Anlagen auf ihrer Website anbieten. Viele Unternehmen würden im nächsten halben bis Dreiviertel Jahr keine Aufträge mehr annehmen. "Man muss also Klinkenputzen gehen", rät er.
Eine PV-Anlage in Eigenregie auf das Dach zu bringen, kann Krieg nur unter bestimmten Vorrausetzungen empfehlen. Ohne technisches Know-how, Sicherheitsschutz und fachliche Beratung würde es aber nicht gehen. Die Anschlüsse an das Stromnetz und die eigene Hauselektrik müssten Fachbetriebe machen. Das sei auch gesetzlich vorgeschrieben.
Mit einer Drohne hat Riedl seine Dachflächen analysiert. Das sei der erste Planungsschritt gewesen. Dadurch konnte er die Verschattung, Neigung, Größe sowie die Ausrichtung seines Daches berechnen. Dabei haben ihm seine Ingenieur-Skills geholfen, erklärt er. Für die Befestigung der Dachhaken musste zunächst geklärt werden, in welchen Abständen die Dachbalken liegen und wie der generelle Zustand des Daches ist.
Viele Details müssen beachtet werden
"Ich habe geguckt, wie die statische und dynamische Auslastung ist", erzählt Riedl weiter. Ortslage und Windbereich seien auch entscheidende Kriterien. Wie viele Dachhaken wo angebracht werden müssen und welche Montageschienen sowie zusätzliches Material er dafür benötigte, konnte er Mithilfe eines Online-Tools eines Unternehmens ermitteln.
Die Auswahl an Herstellern ist groß, weshalb sich Riedl auch technisch beraten ließ. Seine insgesamt 62 Solarmodule hat er von einem Unternehmen aus Süddeutschland gekauft. Pro Modul knapp 385 Watt. "Das sind monokristalline Solarzellen mit einem hohen Wirkungsgrad, die haben im Vergleich zu polykristallinen eine längere Lebensdauer", sagt Riedl. Nachdem sich der Ingenieur alle benötigten Materialien angeschafft hat, konnte es losgehen.
Ein Auffangnetz für alle Fälle
Zunächst müssen die Dachhaken mit den jeweiligen Dachsparren verschraubt werden. Die einzelnen Dachziegel müssen dafür nach hinten geschoben werden. Für manche Stelle musste der Dachhaken extra zurechtgebogen werden. "Beim ersten Mal habe ich mich zwei Stunden lang rumgeschlagen und Werkzeuge kaputt gemacht", gibt Riedl zu. Der Abstand zwischen Dachhaken und Dachziegeln muss stimmen. Das sei vor allem im Winter bei viel Schnee wichtig, denn sonst können Ziegel aufgrund der hohen Punktlast des Dachhakens brechen. Damit nach dem Einfügen des Dachhakens wieder alles ordentlich sitzt, hat er ihn mit der Flex an bestimmten Stellen eingekerbt. "Diamantscheibe benutzen", rät Riedl.
Vor einem 45-Grad-Dach habe ich einen Heidenrespekt - da gibt das Fangnetz ein gutes Gefühl.
Um auf dem steilen Dach mit Flachziegeln sicheren Halt zu finden, hat sich Riedl Holztreppenstufen gebaut, die er an den Dachhaken einhängen konnte. Für die eigene Sicherheit hat er ein Baugerüst mit Fangnetz aufgebaut. "Vor einem 45-Grad-Dach habe ich einen Heidenrespekt und das gibt ein gutes Gefühl. Wenn ich mal rutsch, dann Fall ich in das Gerüst rein", sagt Riedl.
Investition könnte sich nach 11 Jahren rechnen
Auf den Dachhaken werden die Montageschienen befestigt, die letztendlich die einzelnen Module halten. Sie werden mit Mittel- und Endklemmen auf die Schienen geklemmt. Je nachdem welche Ziegel auf dem Dach verbaut sind, eignen sich unterschiedliche Befestigungssysteme. Insgesamt will Riedel 23 Kilowatt-Peak auf seinem Dach verbauen. Ein Kilowatt-Peak auf etwa fünf bis sechs Quadratmeter kostet 1.000 bis 1.500 Euro rechnet Riedl vor. Da kommt einiges zusammen.
Sobald die Anlage angeschlossen ist, wollen die beiden dann auch ihre Gewohnheiten anpassen. Geschirrspüler und Waschmaschinen zum Beispiel sollen tagsüber laufen. Die überschüssige Energie - gerade in der Mittagszeit - soll für das Laden des Elektroautos verwendet werden. Das wird durch ein intelligentes Energiemanagementsystem geregelt, sagt Riedl.
Er geht davon aus, dass sich die Investition in elf bis zwölf Jahren rechnen wird, bei weiter steigenden Energiepreisen noch schneller. In den nächsten Wochen sollen die restlichen Module aufs Dach und dann kann die Anlage abgenommen werden. Dann sieht sich das Ehepaar auch für einen möglichen kurzzeitigen Stromausfall gewappnet.
Eigenmontage bis zu 20 Prozent günstiger
Laut Daniel Krieg von der Servicestelle für Solarenergie können durch eine Selbstmontage vor allem Kosten und Zeit gespart werden. "Die Kostenersparnis kann sich dabei durchaus auf bis zu 20 Prozent der Gesamtkosten belaufen", so Krieg. Auch die Herstellergarantien zum Beispiel für Wechselrichter und Module würden bei einer Selbstmontage nicht verfallen. Ausführenden Unternehmen würden allerdings oftmals eine Garantieverlängerung anbieten. Diese würde dann höchstwahrscheinlich wegfallen, so Krieg.
Ganz ohne Fachberatung geht’s aber nicht
Sowohl die ThEGA als auch die Verbraucherzentrale Thüringen raten zur Zusammenarbeit mit Fachbetrieben und Experten. Also zur Selbstmontage unter fachlicher Anleitung. Wie das Anbringen der Modulschienen, das Verlegen der Module und deren Verkabelung. Dafür sollte beim ausführenden Unternehmen nach einem Kabelplan gefragt werden, rät Krieg. Auch sei eine Einweisung hilfreich, wie genau die Unterkonstruktion in die Schindeln eingebracht werden müssen.
Nicht zu vergessen: Die Anlage muss bei der Bundesnetzagentur im Marktstammdatenregister angemeldet werden - und der Netzbetreiber und gegebenenfalls das Finanzamt müssen Bescheid wissen.
Balkonkraftwerk als Option für Mieter
Sich im Internet ohne vorherige Empfehlung Solarmodule bestellen und sich seine Anlage zusammenstellen, davon rät der Energieberater der Verbraucherzentrale Thüringen, Reiner Maschke, ab. Wer so etwas vorhabe, solle sich lieber herstellerunabhängig beraten lassen und dann einen Fachbetrieb in der Region suchen. Wem eine größere Photovoltaikanlage zu teuer sei, wer sich an die Thematik herantasten wolle oder Mieterin und Mieter sei, dem empfiehlt Maschke ein sogenanntes Balkonkraftwerk.
Wissen teilen auf Solarpartys
Für Markus Riedl steht fest, dass er seine Erfahrungen, die er bisher bei seinem PV-Projekt gesammelt hat, an andere weitergeben möchte. Und damit ist er anscheinend nicht alleine. Seit einigen Wochen veranstaltet ein Zusammenschluss von Anwohnerinnen und Anwohner aus Ilmenau "Solarpartys".
Auch Riedl war schon dort. Bei den Infoabenden soll sich ausgetauscht und Expertise weitergegeben werden. Dadurch wollen die Initiatoren offene Fragen klären und mehr Menschen dazu motivieren, sich eine eigene Anlage anzuschaffen.
Das sagen unsere User dazu:
Heimwerkerstimme von Facebook: "Das ist doch kein Hexenwerk, mach ich immer alleine. Bis auf den Anschluss (Enrico Bunzler). Auch Thomas Westerhoff sah keine Probleme: "Wer nicht gerade zwei linke Hände hat, der bekommt das, genau wie ich, auch allein hin und spart da nicht nur 20 Prozent! Meine 20kWp Anlage mit 15kwh Speicher hat mich in der Selbstmontage im Frühjahr dieses Jahres 23.000€ incl. MwSt. gekostet. Da war alles mit drin inklusive der Leistungen, die man von Firmen machen lassen muss wie Netzanschluss und Gerüst."
Dagegen verwies Gucker auf ein "gut gefülltes Konto" des Porträtierten und fragte, was die vielen Bewohner von Mietwohnungen oder gemieteten Häusern machen sollten. Der hier aufgewendete sicher sechsstellige Betrag könne nur eine Einzellösung sein und klappe nicht für die breite Masse. Dem entgegnete martin, dass es sicher keine Lösung für alle Thüringer sei, aber es gebe genügend geeignete Einfamilienhäuser und auch in Thüringen lebten genügend Hausbesitzer, die finanziell nicht notleidend seien.
Jedimeister Joda gab politischen Entscheidungen um 2014 die Schuld, dass Photovoltaik "abgewürgt" worden sei, nun Hersteller und Handwerker fehlten. "Heute stehen wir vor den Trümmern der damaligen politischen Entscheidungen. Heute muß das der Herr Riedl selber machen" - ein Vorhaben für das Burgfalke "Respekt und Achtung" hat, eigene Pläne dafür aber nicht verwirklichen konnte: "Verschulden wollte und will ich mich auf keinen Fall."
Peter Pan sprach von einem "schlecht gewählten Beispiel" angesichts der Kosten und forderte ein "Umdenken des Staates", der geeignete Dachflächen auswählen, die Anlagen bauen und dann die Besitzer des Daches am Ertrag beteiligen sollte. Auch Steffen W. sah es nicht als Lösung für alle und forderte "politische Entscheidungen" zur Förderung von Balkonkraftwerken oder Solarthermie/PV-Projekten für den Sozialen Wohnungsbau.
MDR (dst)
Dieses Thema im Programm: MDR THÜRINGEN - Das Radio | Regionalnachrichten | 18. November 2022 | 16:30 Uhr
Not Found
The requested URL /api/v1/talk/includes/html/bc60487b-e672-4440-9e59-1185f5d52822 was not found on this server.