Ein ehemaliges Krankenhaus.
Das ehemalige Krankenhaus in Schleusingen eigne sich gut als Unterkunft für Geflüchtete, sagt Landrat Thomas Müller (CDU). Bildrechte: MITTELDEUTSCHER RUNDFUNK

Schleusingen Streit um Flüchtlingsunterkunft: Was Befürworter und Gegner sagen

23. März 2023, 14:00 Uhr

In Schleusingen (Landkreis Hildburghausen) soll ein ehemaliges Krankenhaus zu einer Flüchtlingsunterkunft umgebaut werden. Dagegen regt sich Widerstand. Über die Hintergründe haben wir mit dem Landrat, dem Bürgermeister und Einwohnern gesprochen.

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Bildrechte: MDR/Carmen Fiedler

In der Innenstadt von Schleusingen in Südthüringen steht ein vierstöckiges Gebäude. Ganz in der Nähe liegen eine Grundschule und ein Gymnasium, gegenüber ein Pflegeheim. Das Gebäude war einst ein Krankenhaus, doch seit über zehn Jahren stand es fast leer. Nur wenige Betten einer kleinen Pflegestation waren noch belegt, doch auch diese ist mittlerweile ausgezogen.

Petition gegen geplante Flüchtlingsunterkunft

Bald sollen hier 200 Flüchtlinge einziehen - jedenfalls, wenn es nach Landrat Thomas Müller (CDU) geht. Nach dessen Ankündigung, dass das ehemalige Krankenhaus zu einer Flüchtlingsunterkunft umgebaut werden könnte, startete der Schleusinger Einwohner René Stubenrauch eine Petition. Sie trägt den Titel "Stoppt Flüchtlingsheim am Schulweg in Schleusingen". Er halte den Standort der geplanten Flüchtlingsunterkunft für unangemessen, weil er am Schulweg liege, sagte René Stubenrauch. Er hat sich nach eigenen Angaben bisher noch nie politisch engagiert und gehört keiner Partei an.

Das kann man nicht verantworten, nicht in der Zahl. 200 auf einen Schlag.

René Stubenrauch aus Schleusingen

Auf die Frage, was genau er befürchte, sagt Stubenrauch: "Da gibt es Bedenken um die Sicherheit, weil wir von der Suhler Erstaufnahmeeinrichtung geprägt sind." Zudem findet er die Zahl der Geflüchteten, die in dem Gebäude untergebracht werden sollen, zu hoch. "Das kann man nicht verantworten, nicht in der Zahl. 200 auf einen Schlag."

Dabei ist Landrat Müller froh, dass es so eine Möglichkeit im Landkreis gibt. Das Gebäude habe viele Vorteile: Es gehört je zur Hälfte dem Kreis Hildburghausen und der Stadt Schleusingen. Es ist, im Gegensatz beispielsweise zu Turnhallen, in Zimmer mit Toiletten und Duschen unterteilt und es steht zur Verfügung. Das Haus sei in einem guten Zustand; hier Geflüchtete unterzubringen, wäre laut Müller praktikabel und vernünftig. Er sagt: "Das Ganze ist eine Chance."

Die Anwohner haben Sicherheitsbedenken. Ich teile das auch ein Stück.

André Henneberg Bürgermeister von Schleusingen

Ja, das stimme, bestätigt Schleusingens Bürgermeister André Henneberg (Freie Wähler): "Grundsätzlich bietet sich das Gebäude schon an, das ist unstrittig. Da ist der Landkreis sicherlich nicht auf dem Holzweg." Trotzdem findet er den Plan nicht gut. "Die Anwohner haben Sicherheitsbedenken. Ich teile das auch ein Stück", sagt er. "Ich weiß nicht, ob das Konglomerat von Menschen, die aus unterschiedlichen Kulturen kommen, nicht zu sozialen Spannungen führt. Und das mitten in der Innenstadt."

Bedenken wegen Erstaufnahmeeinrichtung Suhl

Der Bürgermeister weiß, dass René Stubenrauch eine Petition gegen den Plan für die Flüchtlingsunterkunft gestartet hat und erzählt, dass auch in der Stadt Unterschriftenlisten dagegen ausliegen. Es ist ihm dabei wichtig zu betonen: Wer da unterschrieben habe, sei keiner politischen Strömung zuzuordnen. "Das geht quer durch die Bevölkerung. Viele Leute kenne ich persönlich und die sind garantiert nicht im rechten Spektrum. Ganz sicher nicht."

Es gebe einfach Bedenken, die aus dem resultiere, was man darüber weiß, was in Suhl passiere. Er meint damit die Erstaufnahmeeinrichtung (EAE Suhl), in der an die 1.000 Geflüchtete leben, obwohl sie für höchstens 800 Flüchtlinge ausgelegt ist. Hier kommt es immer wieder zu Polizeieinsätzen.

Die Bevölkerung ist bei dem Thema gerade sehr sensibel.

André Henneberg Bürgermeister von Schleusingen

Aber der Bürgermeister sagt auch: "Dass der Landkreis die Aufgabe der Flüchtlingsunterbringung leisten muss und dass das ausdrücklich nur mit den Kommunen zusammen geht, ist unstrittig." Dass er grundsätzlich Verständnis dafür hat, habe er auch dem Landrat gesagt. "Das ist eine Gemeinschaftsaufgabe." Doch, so Henneberg: "Die Bevölkerung ist bei dem Thema gerade sehr sensibel."

Wir haben keine Kapazitäten. Wir sind randvoll.

Thomas Müller Landrat Kreis Hildburghausen

Sensibilität kann sich Thomas Müller gerade nicht leisten. Denn er steckt in einem Dilemma. "Wir kriegen Flüchtlinge nur noch unter, indem wir privaten Wohnraum anmieten. Wir haben keine Kapazitäten. Wir sind randvoll." Hier könnte das alte Krankehnhaus Entlastung bringen.

2022 kamen 40.000 Geflüchtete nach Thüringen

Im letzten Jahr hat Thüringen rund 40.000 Flüchtlinge aufgenommen, ein Großteil davon sind Menschen aus der Ukraine. Zum Vergleich: Im vorherigen Rekordjahr 2015 kamen 30.000 Asylsuchende hierher. Im Kreis Hildburghausen wohnen derzeit 620 ukrainische Flüchtlinge und 400 aus anderen Staaten entweder in Privatwohnungen oder in Unterkünften von freien Trägern.

"Die, die diese Petition machen, sollen sich intensiver mit der Gesamtsituation befassen und nachdenken. Die Situation ist so, wie sie ist. Wir haben diese Aufgabe. Wir sind für die Unterbringung von Geflüchteten verantwortlich", sagt Müller.

Landrat: Turnhallen werden gebraucht

Eine Alternative ist laut dem Landrat nur noch, dass Turnhallen genutzt werden. "Wir haben bisher keine Turnhalle angefasst. Sie werden für den Schulsport und den Vereinssport gebraucht. Außerdem kriege ich in einer Turnhalle keine vernünftigen Lebensbedingungen hin. Soweit das irgend geht, will ich das nicht."

Ein ehemaliges Krankenhaus.
Ob das ehemalige Krankenhaus als Flüchtlingsunterkunft genutzt werden kann, ist noch unklar. Bildrechte: MITTELDEUTSCHER RUNDFUNK

Aber so einfach stehe das ehemalige Krankenhaus nicht zur Verfügung, sagt Bürgermeister Henneberg. Da seien einige wichtige Punkte noch ungeklärt. Etwa, ob diese baurechtlich überhaupt umgenutzt werden könne. "Dazu muss die Bauaufsichtsbehörde erstmal Stellung nehmen." Es sei auch nicht geklärt, wie viele Flüchtlinge überhaupt dem Landkreis zugewiesen werden und ob die bestehenden Unterkünfte vielleicht doch ausreichend sind. "Und dann ist der wichtigste Punkt auch nicht geklärt: Wer einen Umbau bezahlt."

Den Umbau zahlt weder die Stadt noch der Landkreis. Dafür ist das Land verantwortlich.

Thomas Müller Landrat Kreis Hildburghausen

Natürlich müssten bestimmte Punkte im Vorfeld besprochen werden, sagt Landrat Müller. "Ich muss noch mit dem Land klären, wie viel Investitionsunterstützung wir bekommen, der Brandschutz muss geklärt werden und wir brauchen Gelder für Umbaumaßnahmen. Das ist alles auf der Bearbeitungsschiene." Doch Müller ist optimistisch. "Ich sehe eine gute Möglichkeit, das umzusetzen." Außerdem: "Den Umbau zahlt weder die Stadt noch der Landkreis. Dafür ist das Land verantwortlich."

Aus der Pflegeeinrichtung, die zuletzt auf einer Etage des vierstöckigen Gebäudes untergebracht war, sind die letzten Bewohner ausgezogen. Sie musste wegen Personalmangels geschlossen werden - unabhängig von einer späteren Nutzung des Gebäudes. Landrat Müller ärgert sich darüber, dass manche behaupten, die Altenpflegeeinrichtung hätte schließen müssen, weil Flüchtlinge hier untergebracht werden sollen. "Dieser Zusammenhang ist falsch. Das Schließen dieser Einrichtung hat mit der späteren Nutzung nichts zu tun", sagt Müller.

Ein ehemaliges Krankenhaus.
Die Pfegeeinrichtung im Gebäude musste aus Personalmangel geschlossen werden. Bildrechte: MITTELDEUTSCHER RUNDFUNK

Was ich bedenklich finde, ist, dass sich das rechte Spektrum auf das Thema setzt.

André Henneberg Bürgermeister von Schleusingen

Auch Bürgermeister Henneberg ärgert diese Erzählung. "Was ich bedenklich finde, ist, dass sich das rechte Spektrum auf das Thema setzt. Nach dem Motto, jetzt hat man die Alten rausgesetzt, um die Flüchtlinge reinzubringen. Das ist mitnichten so." Das eine habe mit dem anderen nichts zu tun. "Das Seniorenzentrum musste geschlossen werden, weil es kein Fachpersonal gibt."

Bürgermeister: 50 Personen sind integrierbar

Er erzählt, dass es vergangenes Jahr schon einmal eine Anfrage für die Unterbringung von 50 ukrainischen Flüchtlingen im selben Objekt gegeben hätte. "Das wäre machbar gewesen, weil man die Leute ja auch in die gemeindliche Infrastruktur hätte integrieren können, in Kindergärten, Schulen, das soziale Leben und Vereine. Da gab es auch ganz viele, die sich dem ehrenamtlich angenommen hätten."

Weil dann doch die anderen Möglichkeiten der Unterbringung ausgereicht hätten, hätten sich diese Pläne zerschlagen. Aber der Bürgermeister sagt auch jetzt: "In der Größenordnung, also um die 50 Personen, ja."

Das ist ja unsere Pflicht, den Flüchtlingen einen sicheren Aufenthalt zu geben.

René Stubenrauch

Dem stimmt René Stubenrauch trotz seiner Petition zu. "40 bis 50 Flüchtlinge kann man sicher als Stadt umsetzen und verantworten." Überhaupt finde er diese Aufgabe grundsätzlich wichtig. Er sagt: "Das ist ja unsere Pflicht, den Flüchtlingen einen sicheren Aufenthalt zu geben. Das wollen wir gar nicht abstreiten." Doch 200 für eine Stadt von 5.500 Einwohnern? "Das erscheint uns zu viel", sagt Stubenrauch.

Mit den 5.500 Einwohnern ist die Kernstadt Schleusingen gemeint. Hier steht das alte Krankenhaus. Mit den eingemeindeten Nachbarorten hat die Stadt mehr als 10.500 Einwohner. "Warum prüft man nicht auch andere Standorte? Warum so konzentriert an einem Ort?", fragt Stubenrauch.

Blick auf Schleusingen mit der Bertholdsburg
In der Kernstadt Schleusingen wohnen circa 5.500 Menschen. Bildrechte: imago/Bild13

Landrat: Dezentrale Aufteilung schon ausgereizt

Bürgermeister Henneberg wäre auch für eine andere Verteilung der Geflüchteten. "Wenn man die Geflüchteten dezentral aufteilt, halte ich das für die einzelnen Kommunen schaffbarer."

"Auf die Idee sind wir auch schon gekommen", sagt Landrat Müller. "Wir versuchen das ja, weil das der beste Weg ist. Aber wir haben keine Möglichkeiten der dezentralen Unterbringung mehr." Das ehemalige Krankenhaus in der Innenstadt von Schleusingen ist laut Müller die vernünftigste Lösung für eine Aufgabe, die gelöst werden muss. "Wir wollen das schon im zweiten Halbjahr angehen. Wir haben Druck."

Bürgermeister: Erst einmal Ruhe bewahren

"Wenn das so kommt, müssen wir uns irgendwie arrangieren, ohne Frage", sagt dazu der Bürgermeister. "Letztendlich wissen wir nicht, was und ob etwas auf uns zukommt. Es ist ja noch gar nichts raus, und jetzt sind die Pferde schon alle scheu. Mein Wunsch ist, dass wir jetzt erst einmal alle die Ruhe bewahren und nicht in Panik verfallen." Vom Landratsamt wünscht er sich eine "rechtzeitige und klare Kommunikation und dass wir gut durch diese Situation durchkommen".

Die Petition, die René Stubenrauch gestartet hat, haben inzwischen fast 5.200 Menschen aus ganz Deutschland unterzeichnet. Dass nicht alle Schleusinger derselben Meinung sind, zeigt eine Zuschrift von Frank Eichler an MDR THÜRUNGEN.

Einwohner: Kein Zusammenhang zwischen Flüchtlingsunterkunft und Sicherheit

Er schreibt: "Ich kann den kausalen Zusammenhang zwischen der Errichtung einer Unterkunft für (Kriegs-)Flüchtlinge und der Sicherheit und Lebenswertheit einer Kommune nicht nachvollziehen. Die ohnehin schon in Schleusingen lebenden ausländischen Menschen haben für mich einen positiven Effekt auf unsere lebenswerte und sichere Stadt! Meines Erachtens ist die Frage des Glücklichseins nicht davon abhängig, ob Ausländer im Land leben, sondern WIE, also wie sie empfangen und integriert werden. Das WIE kann jeder einzelne beeinflussen und sich entsprechend engagieren."

MDR (caf)

Dieses Thema im Programm: MDR THÜRINGEN - Das Radio | Nachrichten | 09. März 2023 | 13:00 Uhr

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