Ehrenamt Thüringer Sportvereinen fehlen mehr als 5.000 ehrenamtliche Trainer

• Thüringer Sportvereinen fehlen ehrenamtliche Trainerinnen und Trainer.
• Die Vereine haben sehr begrenzte finanzielle Möglichkeiten.
• Doch das ist nicht der einzige Grund, der das Ehrenamt erschwert.

Die Straßenbahn fährt ab in Erfurt: Einer der Wagen zeigt Werbung vom Landessportbund Thüringen. Darauf zu sehen sind junge Schwimmerinnen beim Startsprung, während vom Trainer nur die Silhouette dargestellt ist. Daneben in großer weißer Schrift auf blauem Grund: "Ohne dich fehlt was!"

Der Landessportbund wirbt um Trainer. Es herrscht Mangel im Land. Etwa 3.300 Sportvereine, fast jeder sucht. Vor allem im Nachwuchsbereich. Mehr als 5.000 Übungsleiter fehlen, sagen vorsichtige Schätzungen.

Erfurt, Sportplatz Essener Straße: Stefan Sewtz steht am Spielfeldrand. Der Jugend-Koordinator des FC Erfurt-Nord beobachtet das Gewimmel auf dem Rasen. Vier Nachwuchsmannschaften trainieren gleichzeitig. Von den Fünfjährigen bis zu den Zehnjährigen. Nicht jede Mannschaft hat zwei Übungsleiter. Stefan Sewtz rechnet: "Wir haben 20 Trainer im Jugendbereich. Hätten wir 26, wäre das schöner und auch wesentlich entspannter."

Vor einem Monat war die Lage angespannter. Erst eine Kampagne in WhatsApp- und Facebook-Gruppen und das bewusste Ansprechen der Eltern sorgte für etwas Linderung. Mehr ging nicht, die finanziellen Möglichkeiten des Vereins sind begrenzt, sagt Stefan Sewtz: "Wir können es uns zum Beispiel als Verein nicht leisten, die sogenannten Ehrenamtspauschale zu bezahlen, die ja eigentlich steuerfrei möglich wäre, weil dafür einfach die finanziellen Mittel gar nicht da sind."

Finanziert wird die Vereinsarbeit im Erfurter Norden wie in ganz Thüringen einerseits über Sponsoren und andererseits über Zuweisungen des Landessportbundes. Während die Sponsorenseite frei verhandelbar ist, ist die Zuweisungsseite schon ausgereizt.

Helmut Holter, der Sportminister, hebt entschuldigend die Arme: "Eine generelle höhere Vergütung der Vereinsarbeit kann ich mir aktuell nicht vorstellen. Woher denn auch? Die Landessportbünde werden nicht die Mittel dazu haben und aus den öffentlichen Kassen... ganz schwierig."

Doch allein mit der fehlenden finanziellen Ausstattung der Vereine lässt sich der Übungsleitermangel nicht ganz erklären. Dazu ein Besuch in Tambach-Dietharz, mitten im Thüringer Wald, direkt am Rennsteig: Auf einer Wiese an der alten Talsperre findet das Training der Fünf- bis Neunjährigen der Biathlon-Abteilung des SV Motor statt. Bettina Graf steckt einen Parcours ab, der Plan für heute steht: "Wir machen ein Spielchen zur Erwärmung, danach werden wir ein bisschen Gymnastik machen und anschließend machen wir ein kleines Biathlon-Staffelspiel mit Ski-Stöcken, aber ohne Ski."

Bettina Graf ist seit mehr als 15 Jahren ehrenamtliche Trainerin in Tambach-Dietharz. Im Hauptberuf ist sie Lehrerin in Oberhof. Heute betreut sie – wie fast immer – mit einer Co-Trainerin die 20 Mädchen und Jungen. Übungsleiter-Probleme kennen sie nicht beim SV Motor. Allerdings kann Bettina Graf durchaus verstehen, warum der ein oder die andere abgeschreckt wird von der ehrenamtlichen Tätigkeit. Nicht nur wegen der vielen Stunden, die sie dafür investiert in der Woche. Manchmal fehlt ihr die Würdigung – in den kleinen Dingen.

Ein Beispiel: "Wir müssen für die Verlängerung unserer Trainerlizenz alle zwei Jahre eine Fortbildung machen, auch die müssen wir selbst bezahlen und wir sitzen da mit hauptberuflichen Trainern zusammen, die das steuerlich absetzen können, was wir nicht können." Eine etwas größerer steuerliche Entlastung fürs Ehrenamt – darüber könne man doch mal nachdenken, sagt sie. Dann muss Bettina Graf los. Die Kinder und das Training warten.