Energiewende Strom vom Dach: Besitzer Thüringer Logistikhallen planen mehr Solaranlagen
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14. März 2023, 20:37 Uhr
2021 kamen knapp 15 Prozent des in Thüringen erzeugten Stroms aus mehr als 40.000 Solaranlagen. Der Anteil soll steigen, wenn es nach den Regierungen in Land und Bund geht. Eine Initiative von Besitzern großer Logistikhallen will nun ihren Teil dazu beitragen, dass mehr Strom vom Dach kommt - denn Dachflächen haben solchen Hallen reichlich. Was es mit der Initiative auf sich hat und wo es Probleme gibt - dazu klären wir die wichtigsten Fragen.
Welche Leistung kann eine Solaranlage auf einer Logistikhalle bringen?
Das kommt auf die Größe der Halle an. Die Firma Garbe aus Hamburg vermietet zum Beispiel in Nohra bei Weimar eine Halle mit 21.700 Quadratmetern Grundfläche, also etwas mehr als zwei Hektar. Die Dachfläche ist fast ebenso groß.
Derzeit befinden sich Photovoltaik-Module auf 8.200 Quadratmetern. Die Anlage leistet mit ihren gut 2.000 Modulen maximal 750 Kilowatt. Bis Sommer soll auch der Rest des Dachs bebaut werden. Die geplante Maximalleistung beträgt 1.550 Kilowatt. Zusammen stehen dann 2.300 Kilowatt maximale Leistung zur Verfügung. Der errechnete Stromausstoß beträgt etwa zwei Millionen Kilowattstunden pro Jahr. Damit könnten umgerechnet gut 600 Haushalte mit Strom versorgt werden.
Warum werden solche Dachflächen nicht immer für Solarzellen genutzt?
Bei Neubauten wird das inzwischen sehr häufig gemacht. Jan Dietrich Hempel, Geschäftsführer von Garbe Industrial Real Estate, formuliert es so: "Bei Neuentwicklungen bauen wir routinemäßig PV-Anlagen auf die Dächer. Zum Teil auch auf versiegelte Flächen auf dem Grundstück."
Bei älteren Gebäuden sei das nicht immer möglich. "Es hängt von der Statik des Dachs ab. Die wurde mal für Schneelasten geplant - Photovoltaik war früher einfach nicht eingeplant." Aber technische Entwicklungen machten inzwischen einiges möglich. "Die Anlagen werden immer leichter. So dass sich immer mehr Dachflächen, die ursprünglich nicht dafür vorgerüstet waren, inzwischen eignen." Sein Unternehmen verwalte mehr als fünf Millionen Quadratmeter Grundfläche und gehe davon aus, dass mehr als die Hälfte mit Photovoltaik belegt werden kann.
Was haben die Hallenbesitzer von den Solarzellen?
Sie wollen einerseits grünen Strom erzeugen und damit natürlich Geld verdienen. Doch die Motivationen sind komplexer. "Wir wollen Logistikimmobilien ins rechte Licht rücken", so beschreibt es Kuno Neumeier, Mitgründer der Initiative "Power of Logistics".
Soll eine solche Halle nämlich neu gebaut werden, kommt das oft nicht so gut an bei Anwohnern. Hat die Halle aber neben dem Sortieren und Versenden von Waren noch den Zweck, Energie zu gewinnen, verbessere das nicht nur die Einnahmen für den Hallenbesitzer, sondern auch das Image.
Zudem änderten sich die Anlagekriterien für Investmentfonds. Grüne Investments seien gefragt. Und wer da etwas anbieten könne, sei im Vorteil - deshalb will seine Initiative das voranbringen. Manche Logistikunternehmen würden den Strom vom Dach auch gleich selbst verbrauchen. "Wenn da eine große Sortiermaschine läuft, braucht die viel Strom", sagt Neumeier. Und auch Gabelstapler, ob von Personen oder Computern gesteuert, könnten mit Strom laufen.
Das Gros der Einnahmen erzielen die Hallenbesitzer jedoch weiterhin mit der Miete. Die zwei Millionen Kilowattstunden Solarstrom pro Jahr von der Halle in Nohra generieren keine Millionenumsätze.
Wie viel Fläche steht in Thüringen auf Logistikhallen zur Verfügung?
Die Initiative "Power of Logistics" geht davon aus, dass bundesweit etwa 170 Millionen Quadratmeter Dachfläche auf Logistikhallen, Industrie- oder anderen Gewerbebauten zur Verfügung stehen, die dazu geeignet sind, Photovoltaik aufzunehmen. Genaue Zahlen für Thüringen liegen nicht vor.
Allein im Güterverkehrszentrum in Erfurt stehen mindestens zehn große Hallen - und auf zwei von ihnen sind die Dächer bereits ganz oder teilweise mit Photovoltaik belegt. In ganz Thüringen dürfte die Zahl der Objekte in die Hunderte gehen. Der in Erfurt-Stotternheim im Bau befindliche große Amazon-Standort soll beispielsweise zur Hälfte mit Photovoltaik belegt werden.
Welche Probleme gibt es mit den Solaranlagen?
Nicht immer kann der Strom transportiert werden. Wenn eine solche Anlage Hunderte Kilowatt Leistung anbietet, muss unter Umständen erst das Stromnetz ertüchtigt werden. "Große Anlagen erfordern immer eine Netzverträglichkeitsprüfung, um auszuschließen, dass das Stromnetz mit der Einspeisung durch die PV-Anlage überlastet wird und Schäden im Netz entstehen", schreibt die Netzgesellschaft Thüringer Energienetze auf Anfrage von MDR THÜRINGEN.
Dabei geht es darum, ob die Leitung dick genug ist oder ob das nächste Umspannwerk nah genug liegt. Wenn das nicht der Fall ist, müsste neu gebaut werden. Das aber dauert mehrere Jahre und kostet mehrere Millionen Euro. In der Regel aber, so gibt die Netzgesellschaft an, dauere der Anschluss einer Solaranlage fünf Monate. Bei kleinen Anlagen unter 10,8 Kilowatt Maximalleistung müsse der Netzbetreiber binnen einem Monat entscheiden, sonst gilt die Anlage als genehmigt.
Wie viele Anlagen gehen pro Jahr ans Netz?
Das waren im Jahr 2022 beim Verteilnetzbetreiber Thüringer Energienetze 7.000 kleiner Anlagen mit weniger als 30 Kilowatt Maximalleistung - und 700 größere Anlagen, zu denen auch die Logistikhallen gehören, aber auch Photovoltaikanlagen auf Feldern.
Nach Willen des Thüringer Energieministers Bernhard Stengele (Grüne) könnte das durchaus mehr sein, aber der Netzausbau hänge zurück: "Das ist aber ein bundesweites Problem." Die Netze müssten gestärkt werden. Und natürlich braucht es auch Speicher, denn der Strom wird in solchen Anlagen nur tagsüber gewonnen - und die Menge hängt vom Wetter ab.
Die Thüringer Energienetze hängen indes weiter hinterher. Zwar habe man Personal eingestellt, um die Anfragen zu bewältigen. Aber die Anmeldezahlen hätten sich von 2021 auf 2022 verdoppelt. Und der Trend setze sich fort.
Könnte Solarstrom bevorzugt auf solchen Dächern gewonnen werden - und wären Solaranlagen auf landwirtschaftlichen Flächen dann überflüssig?
Energieminister Stengele geht eher davon aus, dass beides notwendig sein wird, wenn die Ziele für den Ausbau erneuerbarer Energien erreicht werden sollen. Er begrüße, dass Unternehmen die Möglichkeiten erkannt hätten, hier quasi zwei Fliegen mit einer Klappe zu schlagen.
Das sagen unsere User
Ein großer Teil der Diskussion drehte sich um die Frage von Amortisation und Subventionierung – auch im Vergleich zu anderen Methoden der Energieerzeugung.
Gucker argumentierte, dass Solaranlagen mit einem Wirkungsgrad von 20 Prozent angesichts von eingesetzten Ressourcen und Flächenverbrauch zu wenig Energie im Vergleich zu Atomkraftwerken lieferten. AlexLeipzig entgegnete, dass Atomenergie ohne Subventionen unbezahlbar wäre – "bei Nutzung von Brennstäben, die weder erneuerbar, ungefährlich oder gar kostenlos sind." Aus seiner Sicht sei es klug, den "Fusionsreaktor" Sonne, der täglich kostenlose Energie bereitstelle, zu nutzen. DER Beobachter meinte zum Punkt Subventionierung, dass Kohleverstromung offen und versteckt von Abbauvorbereitung über Abbau, Stromgewinnung bis hin zu Renaturierung hoch subventioniert werde, wogegen Förderung erneuerbarer Energien "Peanuts" sei.
Aus Sicht von weils so nicht unwidersprochen bleiben darf lohnten sich Solaranlagen oft nicht, weil nicht nur die Kosten für den Bau, sondern auch für Unterhaltung, Reinigung, Überwachung und Entsorgung nach Laufzeit zu berücksichtigen seien. Bei Wärmekollektoren sehe es aber anders aus als bei der Stromerzeugung.
Eckhard Monninger schrieb auf Facebook, dass sich seine Ende 2014 installierte Anlage ohne Speicher Ende 2022 amortisiert habe bei 12 Cent Einspeisevergütung und etwa 20-25 % Eigenverbrauch. Jörg Dether verwies ebenfalls auf Facebook darauf, dass eine Solaranlage auf dem Dach die Ertüchtigung der Dachkonstruktion voraussetze.
MDR (flog/mm)
Dieses Thema im Programm: MDR THÜRINGEN | MDR THÜRINGEN JOURNAL | 14. März 2023 | 19:00 Uhr
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