Bodo Ramelow
Vor dem Flüchtlingsgipfel im Kanzlerarmt stößt Bodo Ramelow eine Debatte um Asylregelungen an. Bildrechte: IMAGO / Christian Spicker

Flüchtlingsgipfel Ramelow-Vorschlag: Asylantrag gegen Arbeitsmarkt-Zugang tauschen

05. Mai 2023, 20:48 Uhr

Über den Kurs der EU-Flüchtlingspolitik ist in Thüringen eine heftige Debatte entbrannt. Ministerpräsident Ramelow schlägt Lösungen mit geringerem bürokratischen Aufwand vor, um bestimmte Asylbewerber schneller in den Arbeitsmarkt zu integrieren. Zudem müssten Länder und Kommunen finanziell entlastet werden.

Ministerpräsident Bodo Ramelow (Linke) schlägt vor, alle nach 2014 angekommenen Asylbewerber pauschal anzuerkennen - sofern sie mindestens drei Jahre ohne Beanstandungen in Deutschland gelebt haben. Solche Menschen sollten eine Bleibeperspektive erhalten, statt alle Asylverfahren zu Ende zu führen, sagte Ramelow dem "Redaktionsnetzwerk Deutschland" mit Blick auf den Flüchtlingsgipfel im Kanzleramt am 10. Mai.

So könne das Asylsystem entlastet werden. "Dann könnten wir uns die ganze Bürokratie und die Abschiebedebatten sparen", so Ramelow weiter. "Dann müssten wir auch keine Arbeitskräfte mehr anwerben."

Ramelow für Spurwechsel für Asylbewerber

Am Freitag konkretisierte Ramelow seinen Vorschlag. Demnach plädiert er für einen Spurwechsel für Asylbewerber. Einem bestimmten Kreis an Menschen solle die Möglichkeit gegeben werden, den Asylantrag zurückzunehmen, statt das Verfahren zu Ende zu führen. Dadurch bekämen sie Ramelow zufolge eine Bleibeperspektive - so, als wären sie als Arbeitskräfte angeworben worden. In Thüringen seien das 9.500 junge Menschen im Alter zwischen 16 und 25 Jahren, die schon seit Jahren im Freistaat lebten, die aber nicht arbeiten dürften.

In dieser Zeit sei bereits Geld für Ausbildungsgänge, Kurse oder soziale Betreuung ausgegeben worden, sagte Ramelow. "Es kann doch nicht sein, dass wir denen im Anschluss ein Arbeitsverbot geben." Teils würden diese Migranten am Arbeiten gehindert. Ramelow sagte, er nenne dies "die Asylfalle". Zunächst müsse das Gesetz geändert werden, um einen Asylantrag zurücknehmen zu können.

Hilfe vom Bund gefordert

Ramelow sagte zudem, dass der Bund den Ländern und Kommunen bei den finanziellen Lasten helfen müsse, die sich aus dem Flüchtlingszuzug ergeben. Über die Freizügigkeit innerhalb Europas, die den Zuzug ermögliche, hätten weder Länder noch Kommunen entschieden. Nun zu sagen, für die Unterbringung und Versorgung von Flüchtlingen seien laut Verfassung die Kommunen zuständig, habe daher "einen höhnischen Unterton".

Kritik von CDU, FDP und AfD

Scharfe Kritik an diesem Vorstoß kommt von der Thüringer CDU. Der Vorsitzende der Landtagsfraktion, Mario Voigt, sagte, es dürften keine Freifahrtscheine verteilt werden. Ansonsten sei es eine Einladung an jedermann, sich auf den Weg nach Deutschland zu machen. Das sei nicht im Interesse Thüringens.

Die Thüringer FDP fordert ein modernes Fachkräfte-Einwanderungsgesetz statt unkontrollierter Zuwanderung. Die Idee Ramelows einer pauschalen Anerkennung bezeichnete FDP-Gruppenchef Thomas L. Kemmerich als "Nebelkerze".

Auch die AfD lehnt Ramelows Vorschlag ab. Bürger würden den Preis zahlen, wenn auch noch die letzten vorhandenen Barrieren "für Integrationsverweigerer und Ausreisepflichtige" fallen, sagte der migrationspolitische Sprecher der AfD-Fraktion im Thüringer Landtag, Stefan Möller.

Faeser und Lindner für schärfere Migrationspolitik

Mit Blick auf die Migrationspolitik der Europäischen Union plädieren Bundesinnenministerin Nancy Faeser (SPD) und Finanzminister Christian Linder (FDP) für einen verschärften Kurs.

"Wir werden für eine verlässliche Identifizierung, Registrierung und Überprüfung von Menschen bereits an den EU-Außengrenzen sorgen", sagte Faeser dem "Handelsblatt". Es werde in Brüssel über Verfahren verhandelt, die noch an der Grenze und nicht erst innerhalb der EU zu raschen Entscheidungen in wenig aussichtsreichen Asylverfahren führen sollen. "Dann können abgelehnte Asylbewerber schnell bereits von den EU-Außengrenzen aus zurückgeführt werden." Faeser sprach sich zudem für verstärkte Grenzkontrollen aus.

Lindner sagte in einer Talkrunde von RTL/ntv: "Ich glaube, dass, um Kontrolle herzustellen, auch der physische Schutz der Außengrenze in Betracht gezogen werden muss" - etwa durch einen Grenzzaun. Er sei dafür, "wenn zugleich die Möglichkeit humanitärer und qualifizierter Einwanderung rechtlich erleichtert wird".

Kritik aus Thüringen an Faesers Kurs

Thüringens Migrationsbeauftragte Mirjam Kruppa warf Bundesinnenministerin Nancy Faeser (SPD) vor, mit dem Vorschlag beschleunigter Asylverfahren an der EU-Außengrenze Schutzsuchende zu kriminalisieren. Das Asylrecht dürfe nicht auf Kosten der Schutzbedürftigen reformiert werden.

Auch Thüringens Grünen-Fraktionschefin Astrid Rothe-Beinlich sagte zu Faesers Plänen, verpflichtende Asylverfahren an den EU-Außengrenzen würden nur dazu führen, dass noch mehr Flüchtlinge verhaftet und brutal behandelt werden.

Nach Pandemie: Anstieg im regulären Asylsystem

In Deutschland ist die Flüchtlingszahl im vergangenen Jahr stark angestiegen - insbesondere aufgrund der Menschen, die vor dem russischen Angriffskrieg in der Ukraine geflohen sind. Mehr als eine Million Menschen aus der Ukraine wurden bisher bundesweit registriert, überwiegend Frauen und Kinder.

2022 gab es nach einem Rückgang in den Corona-Jahren auch wieder einen Anstieg der Anträge im regulären Asylsystem. Knapp 218.000 Erstanträge wurden in Deutschland gestellt, 47 Prozent mehr als 2021. Hauptherkunftsländer sind nach wie vor Syrien und Afghanistan. Auch in den ersten Monaten dieses Jahres stieg die Zahl der Asylanträge weiter an.

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MDR (mm)/epd/afp/dpa

Dieses Thema im Programm: MDR THÜRINGEN - Das Radio | Nachrichten | 05. Mai 2023 | 07:00 Uhr

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