Thüringer AfD-Hochburg Geschlossene Gesellschaft: Zu Besuch im "Ort der Patrioten"
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23. Oktober 2023, 06:11 Uhr
Der Erfolg der AfD in Thüringen hat viel mit Orten wie Paska zu tun. Das Dorf im Saale-Orla-Kreis gilt seit der Landtagswahl 2019 als AfD-Hochburg und steht symbolisch für den Beginn der "blauen Landnahme". Dies ist die Geschichte einer wochenlangen Recherche, in einem Dorf, das sich verschlossen hat und in dem die Einwohner partout nicht mehr mit der Presse reden wollen. Sie beginnt unter einem blauen Schirm am Wahlkampfstand der AfD.
Für die E-Bike-Touristen, die auf dem Rückweg von Ziegenrück durch Paska radeln, muss der AfD-Stand am Dorfanger einen fast mitleiderregenden Eindruck machen. Das Ensemble aus blauem Schirm, Steh- und Beistelltisch wirkt so ganz ohne Passanten ziemlich verloren.
Sechs AfD-Mitglieder stehen herum wie bestellt und nicht abgeholt. Die Radfahrer werfen im Vorbeirollen einen verstohlenen Blick und biegen hinterm Dorfteich auf die Straße gen Süden, runter zum Hohenwartestausee und dem Campingplatz an der Linkenmühle.
Paska ist ein Meilenstein gewesen!
Die Szene steht sinnbildlich für Paska: Im malerisch schönen Naturpark Thüringer Schiefergebirge und in unmittelbarer Nähe zum "Thüringer Meer" gelegen, nehmen Touristen das Dorf vor allem als Durchfahrt zum Stausee wahr. Kein Eisladen, kein Bäcker mit Café, nicht mal ein schrulliges Heimatkundemuseum lädt zum Verweilen ein.
Dass Paska trotzdem vom Tourismus profitiert, liegt an den Steuerabgaben vom Campingplatz. Formal gehört er zum Dorf, geographisch ist er aber so entlegen, dass weder Touristen noch Dorfbewohner das so richtig mitbekommen. Sind die E-Bikes und Camper erstmal durchgefahren, bleibt das Dorf allein zurück - mit der AfD.
Mit der AfD zu Besuch im "Ort der Patrioten"
Seit der Landtagswahl 2019 hat die Partei ein besonderes Verhältnis zu Paska: 62,7 Prozent aller Stimmen machten den Ort über Nacht zur "AfD-Hochburg" und bundesweit bekannt. "Das ist ein Meilenstein gewesen", sagt Michael Kaufmann, der als AfD- Bundestagsabgeordneter den Wahlkreis 195 vertritt, zu dem der Saale-Orla-Kreis und damit auch Paska gehört.
Kaufmann ist einer der sechs AfDler, die in der sengenden Augusthitze an einem Dienstagmittag in dem 90-Seelen-Örtchen Werbung in eigener Sache machen wollen. Ein fast aussichtsloses Unterfangen, denn die wenigsten Paskaer sind daheim.
Seit Jahren pflegt die Partei ihre Verbindung zum Ort stetig. 2019 verlegte die AfD-Landtagsfraktion ihre Weihnachtsfeier in die Linkenmühle, einem Gasthaus am Stausee. Kaufmann und die AfD luden aus Dankbarkeit für das sensationelle Wahlergebnis viele Paskaer zum Kloßessen ein.
Im Mai 2021 begleitete Kaufmann den AfD-Fraktionsvorsitzenden Björn Höcke zu einem Anti-Corona-Auftritt nach Paska. Es war ein nach Höcke-Maßstäben handzahmer Auftritt. Zum Abschluss der Veranstaltung stimmte die AfD die Nationalhymne an und Paska sang mit.
Seither war Kaufmann jeden Sommer in Paska. Im September 2021 ist er auf Stippvisite und postet ein Foto vom Ortseingang für seine Facebook-Seite: "Zu Besuch im Ort der Patrioten", schreibt er dazu. Im September 2022 macht Kaufmann mit seiner Sommertour erneut Halt in Paska und im August 2023 kommt Kaufmann vor allem für den MDR ins Dorf.
Weil ich zu Paska recherchiere und herausfinden will, wie sich die Stimmung seit meiner Recherche 2020 verändert hat - als ich ein gespaltenes Dorf erlebte, dass von den politischen Entscheidungsträger in Erfurt enttäuscht war -, frage ich ihn für ein Interview über die Beziehung der AfD zu Paska an.
Kurzerhand setzt er das Dorf auf den Plan seiner diesjährigen Sommertour, für die der Ort eigentlich nicht vorgesehen war, wie mir Kaufmann verrät. Es ist dieses widersprüchliche Verhältnis, dass die AfD zum Öffentlich-Rechtlichen Rundfunk pflegt: Mal gehört der MDR zum Zwangsgebühren eintreibenden Staatsfunk, der von der AfD als Lügenpresse gebrandmarkt wird, mal baut uns die Partei ihre Stände als Fotokulisse auf.
Der Strohhut-Populist
Etwas abseits seiner Parteikollegen setzen wir uns für ein kurzes Interview auf eine Bank vors Gemeindehaus von Paska. Kaufmann trägt ein blaues AfD-Poloshirt und einen Strohhut, den er auf dieser Sommertour fast immer auf hat. Ich frage nach dem Kloßessen 2019, an das sich Kaufmann nicht mehr gut erinnern kann. Das sei einfach eine nette Geste ohne Hintergedanken gewesen, sagt er. Dass die AfD zu diesem Essen nur die Sympathisanten einlud und dass das die Dorfgemeinschaft bis heute spaltet, davon weiß er nichts.
Warum aber wählen so viele Paskaer die AfD, fragte ich ihn. "Generell gibt es eine Unzufriedenheit mit der aktuellen Bundespolitik", sagt Kaufmann. Die sei bei den Menschen auf dem Land am stärksten, "denn die spüren die Folgen dieser Politik am deutlichsten." Hier habe jeder ein eigenes Auto und ein Haus. Deshalb wüsste hier jeder genau, wie viel heizen, sanieren oder tanken koste.
Was die AfD den Paskaern bieten könnte? "Wir würden die Prioritäten anders setzen. Die Leute sehen, dass unheimlich viel Geld verwendet wird, um Millionen Flüchtlinge unterzubringen. Der Wohnraum wird knapp und teurer, dabei sind viele gar nicht asylberechtigt", sagt er. Es ist müßig zu erwähnen, dass es in Paska keinen einzigen Geflüchteten und auch keinen Wohnraummangel gibt.
Vielleicht habe ich im Vorfeld nicht deutlich genug gemacht, dass ich über Paska reden will. Kaufmann jedenfalls spricht über Bundespolitik und eine Unzufriedenheit im Land. Es geht um Russland, Bildung und Forschung. Schnell wird mir klar, dass er mir keinen tieferen Einblick in die Seele dieses Dorfes geben kann oder will.
Davon abgesehen, ist der AfD-Stand im Dorf für mich ein Tür - bzw. Menschenöffner. Er gibt mir den passenden Anlass, um mit Paskaern ins Gespräch zu kommen. Denn bisher hatte ich damit trotz intensiver Bemühungen ziemlich wenig Erfolg.
Geschlossene Gesellschaft
Schon Wochen vor dem Treffen mit Kaufmann hatte ich begonnen, erneut zu Paska zu recherchieren und meine wenigen Kontakte reaktiviert, die ich im Rahmen meiner ersten Recherche im Jahr 2020 geknüpft hatte. Schon damals scheuten die Paskaer die Medien wie der Teufel das Weihwasser und auch diesmal hält sich das Interesse an einem Dorfportrait in Grenzen.
Natürlich frage ich bei Tino Riemschneider an. Den parteilosen Bürgermeister von Paska hatte ich 2020 interviewt. Schon damals war es ein Kampf, ihn zum Gespräch zu bewegen. 2023 erreiche ich ihn trotz unzähliger Versuche nur ein einziges Mal: Er sei auf Arbeit und könne nicht sprechen. Wir könnten später reden, sagt er am Telefon, um mich anschließend zu "ghosten" – wie das heutzutage heißt, wenn man sämtliche SMS und Anrufe unerwidert lässt. Riemschneider, der im vergangenen Jahr mit 100 Prozent der Stimmen als Bürgermeister von Paska bestätigt wurde, hat so wenig Interesse an einem Gespräch, dass er meine Anfragen noch nicht einmal ablehnt.
Ich versuche es weiter: Paska hat vier Gewerbetreibende, einen Feuerwehrverein und eine Kirche. Ich besorge mir die Telefonnummer vom Vereinsvorsitzenden der Freiwilligen Feuerwehr. Am Telefon wirkt Herr K. meinem Anliegen gegenüber aufgeschlossen. Weil wir nicht gleich einen Termin finden, schreibe ich ihm wenig später eine SMS. Dann noch eine. Ich rufe an. Nichts. Plötzlich bekomme ich keine Antwort mehr. Auch Herr K. "ghostet" mich.
Die Besitzerin des Campingplatzes lässt mich kaum aussprechen, da würgt sie unser Telefonat uncharmant ab: "Ich will dazu nichts sagen. Da halte ich mich raus." Noch bevor ich etwas erwidern könnte, sagt sie in energischem Ton: "Akzeptieren Sie das!"
Ähnlich unwirsch weist mich der Holzwaren- und Werkzeughändler im Ort ab. Die Eigentümerin des Seminarhauses, das in Paska Meditationsseminare, Naturspaziergänge und andere esoterische Kurse anbietet, ist freundlich, aber ebenfalls nicht gewillt, mit mir zu sprechen.
Der letzte Unternehmer im Ort betreibt einen Sicherheitsdienst. Er scheint zugänglich und interessiert. Wir machen ein Interview aus. Nur einen Tag später sagt er per SMS wieder ab. Das Gleiche erlebe ich noch bei drei weiteren potenziellen Gesprächspartnern. Immer wenn ich einen Gesprächstermin ausgemacht habe, kommt kurz danach eine Absage. Seltsam.
Mit einem Paskaer am AfD-Stand
Auch wenn der AfD-Stand zunächst etwas einsam auf dem Dorfanger gestanden hat, tut sich nun doch etwas: Ein Mann mit graumeliertem Haar, in Sommerhemd und Sandalen und eine Frau kommen an den AfD-Stand. Während die Frau etwas Abstand hält und vor allem zuhört, ist der Herr mit dem Sommerhemd voll in seinem Element: Ohne viel Umschweife beginnt er, auf die Regierung zu schimpfen und erntet am AfD-Stand anerkennendes Nicken.
Obwohl es seine Sommertour ist, hält sich der Bundestagsabgeordnete Michael Kaufmann sehr zurück. Das Gespräch führen vor allem der Landtagsabgeordnete Uwe Thrum, der im Januar als Landrat kandidieren wird, und Falko Graf, ein AfD-Sprecher aus Sonneberg, der einen fränkischen Dialekt spricht.
Die Themen sprudeln aus dem Mann im Sommerhemd nur so heraus. Er scheint mit allem unzufrieden zu sein: Energiewende, Russland, Grundsteuer, Spritpreise, Lehrermangel. "Die Schulen im Saale-Orla-Kreis", hakt Thrum ein, um mal bei einem Thema konkret zu werden, "haben einen Sanierungsstau von über 100 Millionen Euro* angehäuft". Sein Gegenüber interessiert das kaum, er redet einfach weiter: "Stattdessen machen die ein Asylheim auf, um Fördermittel zu kassieren."
*[Zum Aufklappen] Falsch! So hoch ist der Sanierungsstau wirklich
Wie der AfD-Fraktion im Saale-Orla-Kreis auf ihre Kreistagsanfrage vom Landratsamt am 15. Mai 2023 mitgeteilt wurde, beträgt der geschätzte Sanierungsbedarf an den 36 staatlichen Schulen im Landkreis insgesamt 49.258.000 Euro. Selbst wenn man die Turnhallen und Freisportanlagen hinzunimmt, wären es "nur" 63.968.000 Euro. Thrum hätte die richtige Zahl als Fraktionsmitglied kennen müssen und erzählt hier nachweislich die Unwahrheit.
Thrum versucht immer wieder, konkrete Probleme im Saale-Orla-Kreis zu thematisieren: fehlende Löschwasserteiche, zu wenig Geld für neue Freibäder, nicht gebaute Sportanlagen und Radwege. Der Mann im Sommerhemd nimmt alles zum Anlass, um zu schimpfen und seinen allgemeinen Unmut zu erklären. Wirklich in die Tiefe geht das Gespräch nicht.
Nach etwa 15 Minuten geht es endlich mal um Paska und die nie gebaute Brücke an der Linkenmühle. "Wenn du mich fragst: Die Scheiße braucht hier niemand", sagt der Paskaer. Das sähen alle im Dorf so, sagt er. Und weiter: "Die sollen die 40 Millionen lieber sinnvoll investieren." Thrum stellt klar, es seien zwischen 20 und 40 Millionen*.
*[Zum Aufklappen] Kosten der Linkenmühlenbrücke
Nach derzeitigen Berechnungen wird der Brückenbau samt Zufahrtsstraßen mit 22 Millionen Euro taxiert. Oft wird daher von 20 bis 30 Millionen Euro gesprochen. Hier liegt Thrum etwas hoch, aber insgesamt richtig.
Dem Mann im Sommerhemd sind die Zahlen aber egal: "Ob 20, 40 oder 50 – am Ende wird das eh immer teurer", sagt er und rechnet weiter: "Da müssen die ja die ganze Straße neu machen, da sind wir dann bei 100 Millionen!" Als er schließlich von 200 Millionen fabuliert, schaltet sich Falko Graf ein und macht auf Fränkisch eine Ansage: "Fo wos fürrer Zouln reded er? Sen des 20 oder 200 Millionen? Des verschdätt do kaaner!"
Die Frau, die erst noch zugehört hat, ist längst verschwunden. Der Mann im Sommerhemd nimmt noch eine Bratwurstzange, ein Feuerzeug und die "Kaufmann Aktuell" mit - ein Parteiblatt, das Michael Kaufmann zusammen mit einem Mitarbeiter schreibt und alle drei Monate veröffentlicht.
Als der Paskaer gehen will, spreche ich ihn an. "Vom MDR?" fragt er ungläubig. "Keine Zeit!" Ich entgegne, dass er ja gerade viel Zeit für die AfD hatte und ich nur wissen wolle, wie er es findet, wenn sich eine Partei für Paska Zeit nimmt*. Er sei kein politischer Mensch, sagt er abweisend. "Aber die AfD, die packt was an!" Dann wendet er sich ab und verschwindet hinter einer Haustür.
*[Zum Aufklappen] Demokratische Parteien in Paska
Tatsächlich ist die AfD, soweit ich das recherchieren konnte, die einzige Partei, die in Paska Präsenz zeigt. Die Kreisverbände von Linken, Grünen und FDP erklärten, dass sie das Dorf praktisch nie besuchen. Dafür fehle es den Parteien im Saale-Orla-Kreis an Mitgliedern, hieß es hier einstimmig. Das höchste der Gefühle seien ein paar Plakate während des Wahlkampfes. CDU und SPD zeigten laut mehrerer Aussagen von Bürgern aus Paska ebenfalls kein Interesse am Dorf. Ein Gespräch mit dem Wahlkreisabgeordneten Christian Herrgott (CDU), der im Januar 2024 Landrat werden will, kam leider nicht zustande, von der SPD im Saale-Orla-Kreis habe ich bis heute keine Antwort erhalten.
Ein Ort mit zwei Gesichtern?
Diese abweisende Haltung, die ich in Paska bisher erlebe, schlägt manchen hier alltäglich entgegen. So berichten es mir zwei Personen, die in Paska leben oder gelebt haben, unabhängig voneinander. Sie fühlen sich ausgestoßen, wurden aufgrund ihrer ablehnenden Haltung zur AfD oder anderen politischer Ansichten gemieden, angefeindet, ja sogar angegriffen.
Ein Interview lehnen sie aus Angst vor den Konsequenzen ab. Aber sie schildern eine Dorfgemeinschaft, in der Menschen mit rechtsextremer Einstellung den Ton bestimmen und wo über Nacht Wahlkampfplakate anderer Parteien abgehangen und anschließend beim Feuerwehrfest feierlich verbrannt würden.
Uns geht es gut hier. Paska ist wunderschön und ich will hier auch nicht weg!
Teilweise bestätigt mir das auch ein alteingesessener Paskaer, mit dem ich abseits des AfD-Standes ins Gespräch komme. "Ja, an einem Morgen hingen dann nur noch die AfD-Plakate im Dorf", sagt er. Von einer öffentlichen Verbrennung weiß er aber nichts.
Im Dorf gebe es ein paar "Lautsprecher", die beim gemeinsamen Grillabend immer wieder Politik zum Thema machten, erzählt er. Nach zwei, drei Bier würde dann gegen Flüchtlinge und Politik gehetzt. "Da geht es dann sehr deutlich gegen den Staat", sagt er und nach einer kurzen Pause fügt er hinzu: "Das war aber früher auch schon so, da ging es gegen die Kommunisten."
"Uns geht es gut hier. Paska ist wunderschön und ich will hier auch nicht weg" sagt er und weiß selbst nicht weiter: "Ich verstehe nicht, warum die der AfD nachrennen. Die lösen doch keine Probleme." Dass er politisch eine andere Meinung habe, sei im Dorf bekannt. "Aber das wird bei mir akzeptiert, weil ich hier schon mein ganzes Leben lang wohne."
Fotos oder ein ausführlicheres Interview lehnt auch er ab, spricht aber trotzdem weiter mit mir und berichtet auch Positives: Der Fleischer komme einmal pro Woche ins Dorf, es gibt eine Kirmes und der Feuerwehrverein organisiere einen kleinen Weihnachtsmarkt. "Es gibt wenig, warum man hier wütend sein muss, aber es gibt leider viele die alles immer nur schlechtreden. Ehrlich, uns geht es gut hier!"
Wenn eine rechte Aktivistin für das Dorf spricht
Die Mobile Beratungsstelle gegen Rechtsextremismus (Mobit) hat in ihrer Chronik extrem rechter Aktivitäten in Thüringen drei Einträge zu Paska aufgeführt: Das Kloßessen, der bereits erwähnte Anti-Corona-Auftritt von Björn Höcke und im Jahr 2017 ein Rechtsrockkonzert mit 120 Neonazis, das von der Polizei verhindert werden konnte.
Darüber hinaus stoße ich in meiner Recherche mehrmals auf den Namen Jasmin Rasche, die mindestens seit 2016 Thügida-Demos anmeldet und schon zuvor immer wieder auf rechten Veranstaltungen medial in Erscheinung trat und deren Nähe zu anderen Rechtsextremisten* gut belegt ist.
*[Zum Aufklappen] Was ist Rechtsextremismus?
Rechtsextreme vertreten einen aggressiven Nationalismus, der Menschen aufgrund ihrer Herkunft oder ethnischen Zugehörigkeit abwertet und das eigene Volk überhöht. Ferner lehnen sie die freiheitliche demokratische Grundordnung, ihre Institutionen und deren Repräsentanten ab. Stattdessen schwebt ihnen eine gesellschaftliche Neuordnung nach dem Führerprinzip vor, bei dem die Freiheit des Einzelnen durch das Kollektiv beliebig eingeschränkt werden kann. Zur Durchsetzung dieser Vorstellungen sind Rechtsextreme zu Gewalt bereit oder nehmen diese billigend in Kauf.
Rasche ist seit Jahren mit Marc S. aus Paska liiert und hat ihren Lebensmittelpunkt im Dorf. Davon zeugen einige Beiträge des Paares in den Sozialen Medien, die in Paska verortet wurden. Marc S. trägt auf einigen Bildern eine zensierte SS-Rune und andere nationalsozialistische Symboliken zur Schau. Ein weiterer Beleg für Jasmin Rasches Wirken in Paska ist ein Interview im MDR, das kurz nach der Landtagswahl 2019 aufgezeichnet wurde. Darin tritt sie als besorgte Bürgerin aus Paska auf.
Damit gibt es zwar zwei Personen, denen rechtsextremes Gedankengut zumindest nicht fremd ist, ob sie aber nennenswerten Einfluss auf die Dorfgemeinschaft haben, dafür finde ich keine Hinweise.
Pfarrerin: "Paska ist kein Einzelfall"
"Ich glaube, die Paskaer haben ihr eigenes Demokratieverständnis", sagt Ute Thalmann, die seit 2020 als Pfarrerin für die Gemeinde zuständig ist. "Mein Verständnis von Demokratie beruht auf Freiheit, Akzeptanz und vor allem den Willen, Vorurteile zu hinterfragen." Wie das Dorf Demokratie verstehe, kann Thalmann nicht sagen, dafür kenne sie die Gemeinde nicht gut genug.
Denn Ute Thalmann ist eigentlich für die Kirchgemeinde Krölpa zuständig und in Paska nur Vakanz-Vertretung. Das heißt, sie hält hier Gottesdienste ab und ist die zuständige Notfall-Seelsorgerin, solange die reguläre Pfarrstelle unbesetzt ist. Vor Ort ist sie aber nur selten. Im Saale-Orla-Kreis ist das nicht ungewöhnlich. Es gibt schlicht zu wenige Pfarrer und Pfarrerinnen für zu viele Kirchen und Gemeinden. Thalmann betreut daher zehn Gemeinden und das Klinikum Pößneck.
Viele sympathisieren mit dem Gedankengut der AfD - dieser Trend geht hier durch die ganze Region. Die Unzufriedenheit sucht einen Kanal.
"Ich bin mit meiner eigenen Arbeit und den Einflussmöglichkeiten unzufrieden", sagt Thalmann. Aufgrund der Vielzahl an Gemeinden fehle ihr oft die Zeit für Gespräche und Begegnungen. Sie würde die Paskaer gern besser kennenlernen, doch auch ihr Tag hat nur 24 Stunden.
Alle sechs bis acht Wochen hält sie in Paska einen Gottesdienst ab. Da sie sonntags aber stets mehrere Gemeinden abfährt, ist sie dann nur wenige Stunden im Dorf. "Um ein Gemeindeleben im Ort darzustellen, ist das viel zu wenig", sagt Thalmann. Aber immerhin gebe es noch eine Gemeinde in Paska, die 40 Mitglieder zählt und die im Kern gut zusammenhalte.
Die Zuneigung zur AfD im Dorf sei kein Einzelfall: "Viele sympathisieren mit dem Gedankengut der AfD - dieser Trend geht hier durch die ganze Region. Die Unzufriedenheit sucht einen Kanal." Das merkt Thalmann auch in den Gottesdiensten: "Ich habe den Eindruck, dass Predigten zu politischen oder gesellschaftlichen Themen im ländlichen Umfeld weniger erwünscht sind." Das Problem sei, dass viele die christlichen Appelle als links, grün oder staatsnah missverstanden würden. "Kirche hat eine gesellschaftliche Aufgabe, damit ist sie aber nicht parteipolitisch", betont Thalmann.
Ob Menschen mit einer anderen politischen Einstellung in Paska ausgegrenzt würden, kann sie nicht sagen. Sie stelle aber fest, dass die Menschen verschlossen sind und auch Angst hätten, Stellung zu beziehen. "Wer will schon geächtet und ausgegrenzt sein, wenn man hier lebt und nicht weggehen kann, weil Haus und Hof seit Jahrhunderten da sind? Man hält sich bedeckt oder raus."
"Bei der nächsten Wahl werden es 70 Prozent!"
Während das Team der AfD die Tische und den blauen Schirm zusammenpacken, tritt ein Mann an Michael Kaufmann heran: "Wollte nur alles Gute wünschen", sagt er und schüttelt Kaufmann die Hand. "Bei der nächsten Wahl werden es 70 Prozent", sagt er halb ernst, halb im Scherz. Die beiden duzen sich, es wird kurz geredet, dann verabschiedet sich Kaufmann. Er müsse weiter. Insgesamt 48 Stationen hat seine Sommertour in 14 Tagen, da bleibe leider nicht viel Zeit. Als das Team der AfD Paska verlässt, spreche ich den Mann an.
Er möchte seinen Namen nicht nennen und auch keine Fotos, redet aber sonst frei drauf los. Er lebe schon ewig in Paska und arbeite als Elektriker im "VEB Maxhütte". - "Das Stahlwerk in Unterwellenborn?", frage ich. "Ja, aber für mich ist und bleibt es der VEB Maxhütte." Ich frage, was er mit den 70 Prozent gemeint habe. "Na die Stimmen für die AfD. Paska steht hinter der Partei." Warum, bohre ich nach. "Wo soll ich anfangen?", fragt er zurück und breitet mir sein Weltbild aus.
Es ist alles gut, aber denkt auch mal an uns!
Er erzählt von Politikern in Berlin, die über die Köpfe der Bürger hinweg entscheiden würden. Er klagt über Fachkräftemangel und dass die Jugend nur noch mit ihren Handys beschäftigt wären, statt was zu lernen. Er erzählt mir wie schwer es Pendler haben und dass die Wege zum Arzt und zur Apotheke zu weit wären.
Von Geflüchteten spricht er abwertend als "Habecks Muschkoten", die nicht arbeiten würden und dem Staat auf der Tasche lägen. Die grüne Energiepolitik könne nicht gelingen, als Elektriker kenne er sich da aus. Für Wärmepumpen und E-Autos wären unsere Netze gar nicht ausgelegt*. Wie er denn das Klima retten wolle, frage ich? "Die Atomkraftwerke anschalten", sagt er. "Oder Wasserkraft, wie die Norweger. Man muss es halt mit Sinn und Verstand machen!"
*[Zum Aufklappen] Energiewende und Stromnetz
Die fehlenden Netze sind ein häufiges Argument, aber es unterschlägt, dass das Problem längst erkannt und Lösungsstrategien entwickelt sind: Zum einen soll in Zukunft sehr viel mehr Strom vor Ort produziert werden ( z.B. Photovoltaik auf dem Dach), zum anderen sieht der Netzentwicklungsplan der Bundesregierung eine umfassende Ertüchtigung von rund 10.000 Kilometern Stromnetz vor. Kostenpunkt: rund 85 Mrd. Euro.
"Wie ist es aber im Dorf?", bohre ich nach und endlich erzählt er ein bisschen aus Paska. Alles sei gut. Es gebe keine Probleme. "Ich kann hier aus dem Haus gehen, ohne meine Tür abzuschließen", sagt er. Der Zusammenhalt im Dorf sei groß. Alles Bestens also.
Warum die Paskaer die AfD wählen, frage ich. "Außer der AfD interessiere sich keiner für uns auf dem Land." In Erfurt und Berlin werde nur Politik für die Stadt gemacht, meint er. Dann verabschiedet er sich, dreht sich im Weggehen aber nochmal um und ruft mir zu: "Es ist alles gut, aber denkt auch mal an uns!"
MDR (ask)
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