Tarifvertrag Einmaliger Tarif: 35-Stunden-Woche in den Waldkliniken Eisenberg

11. Juli 2023, 11:01 Uhr

Die Waldkliniken Eisenberg und die Gewerkschaft Verdi haben einen deutschlandweit einmaligen Tarifvertrag ausgehandelt. Die Arbeitszeit wird bei Lohnsteigerung auf 35 Stunden reduziert. Das gilt aber nur für bestimmte Mitarbeiter. Mit dem neuen Tarifvertrag hoffen die Waldkliniken, mehr Personal anzulocken. Denn die Kliniken benötigen mindestens 100 neue Mitarbeiter.

Weniger arbeiten bei gleichem Gehalt, mehr Urlaub und ein Lebensarbeitszeitkonto. Das - und noch mehr - ist im neuen Haustarifvertrag der Waldkliniken in Eisenberg (Saale-Holzland-Kreis) festgeschrieben.

"Er wird als 'Eisenberger Tarif' bekannt werden - und findet hoffentlich viele Nachahmer!" Geschäftsführer David Ruben Thies ist zufrieden. Lange haben Klinikleitung, die Gewerkschaft Verdi und die Mitarbeiter des Hauses an dem Vertrag gefeilt, der nun über 80 Seiten dick ist. "Wegweisend", nennt ihn die Gewerkschaft Verdi.

Arbeitszeit ohne Lohnverlust auf 35 Stunden verkürzt

Die Wochenarbeitszeit für alle der rund 700 Beschäftigten wird schrittweise bis 2028 um bis zu fünf auf 35 Stunden pro Woche reduziert - ohne Lohnverlust. Zugleich werden die Gehälter in zwei Stufen um bis zu neun Prozent erhöht. Um die aktuellen Preissteigerungen auszugleichen, wird in den kommenden anderthalb Jahren ein Inflationsausgleich von 3.000 Euro gezahlt. Nachtzuschläge gelten nun bereits ab 20 Uhr.

Ganz besonders sei aber, dass die Arbeitsbedingungen und die Bezahlung in den Tochterunternehmen schrittweise auf das Niveau der Muttergesellschaft angehoben werden. Das betrifft auch die Mitarbeiter der Medizinischen Versorgungszentren (MVZ) oder die Kollegen in der Reinigung.

Allerdings: Vom Tarifvertrag profitieren nur Gewerkschaftsmitglieder. Deshalb sind Stand 10. Juli 2023 rund 260 der insgesamt 740 Mitarbeiter in die Gewerkschaft eingetreten. "Sozialpartnerschaft" nennt das der Verdi-Verhandlungsführer Bernd Becker.

Sechs freie Wochenenden pro Quartal

Die wohl wichtigste Vereinbarung für das medizinische Personal im Schichtbetrieb: Ihnen werden sechs freie Wochenenden pro Quartal garantiert. Zudem wurde für jeden ein Lebensarbeitszeitkonto bei der Sparkasse eingerichtet. So wird die Vereinbarkeit von Familie und Beruf berücksichtigt und darüber hinaus die individuelle Planung der bevorstehenden Lebensabschnitte erleichtert. Für das Recht auf Weiterbildung stehen den Mitarbeitern bis zu 35 Stunden pro Jahr zur Verfügung.

Gewerkschaft und Waldkliniken bieten viele Beratungstermine für die über 700  Mitarbeiter an. Nicht jeder sei sofort begeistert, sagt auch Doreen Hill, die als Arzthelferin im MVZ Bad Klosterlausnitz angestellt ist und am Tarifvertrag mitarbeitet hat. "Ich bin überzeugt, dass es gut wird", sagt sie. Gerade ihre Berufsgruppe - die bislang kaum eine Tarifsteigerung erfahren hat - wird profitieren. Bis zu 600 Euro brutto sind drin. Dennoch fragen manche Kollegen: Kann sich das die Klinik leisten?

Waldkliniken: Jahrelang gut gewirtschaftet

Sie kann, sagt Bernd Becker von der Gewerkschaft Verdi: "Wir haben das durchgerechnet." Geschäftsführer David Ruben Thies ergänzt: "Viele Elemente davon werden ja gegenfinanziert, wenn sie tarifvertraglich abgesichert sind. So sieht es der Gesetzgeber vor. Das ist zum Glück die Basis. Aber wir haben ja auch viele Jahre gut gewirtschaftet und können mit Wachstum natürlich auch weiter wirtschaften."

Waldkliniken brauchen mehr als 100 neue Mitarbeiter

In Eisenberg hofft man nun natürlich auf viele Bewerbungen. Zum einen, um die geringere Stundenzahl abzupuffern. Zum anderen wird Anfang nächsten Jahres direkt neben dem Bettenhaus die neue Reha eröffnen - allein dafür werden über 100 neue Mitarbeiter gebraucht.

Die Waldkliniken Eisenberg waren 2008 aus dem Tarifvertrag für den Öffentlichen Dienst ausgestiegen und sind nun für den neuen Vertrag aktiv auf die Gewerkschaft Verdi zugegangen. Er gilt ab 1. Juli 2023 für vorerst zwei Jahre.

Nach eigenen Angaben sind die Waldkliniken Eisenberg in Thüringen die einzige universitäre Orthopädie Thüringens mit der Professur für Orthopädie des Universitätsklinikums Jena (UKJ) und zudem sind sie Sitz des Deutschen Zentrums für Orthopädie.

Mehr zum Thema Tarifverhandlungen an Thüringer Krankenhäusern

MDR (ls)

Dieses Thema im Programm: MDR THÜRINGEN - Das Radio | Regionalnachrichten | 10. Juli 2023 | 17:30 Uhr

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