Dorndorf-Steudnitz Landwirtschaft ohne Profit: Erstes Ackersyndikat Deutschlands in Thüringen

23. April 2022, 06:08 Uhr

In Dorndorf-Steudnitz bei Jena haben junge Menschen die Obermühle Steudnitz gekauft, um auf dem Hof im Osten Thüringens gemeinsam zu leben. Sie arbeiten dafür eng mit dem Ackersyndikat-Verein zusammen und wollen so als erstes Projekt dieser Art in ganz Deutschland Agrarland für immer entprivatisieren und im unverkäuflichen Gemeinschaftsbesitz halten. Über eine Solidarische Landwirtschaft sollen die Lebensmittel außerdem nachhaltig für die Region produziert werden.

Aus dem 16. Jahrhundert ist das Fundament, über die Jahrhunderte sind diverse Ställe und Anbauten dazu gekommen. Jetzt ist der Hof vor allem eines: renovierungsbedürftig. Abgehalten hat das Maria, Remo und die anderen vier nicht, vor ungefähr einem Monat das Grundstück in Dorndorf-Steudnitz im Saale-Holzland-Kreis zu kaufen.

Direkt neben der Obermühle Steudnitz liegt die zukünftige Ackerfläche, durch die sich ein Bach schlängelt. Auf der einen Seite wird das Grundstück vom Dorf umrahmt, auf der anderen erstreckt sich ein Hang.

Schon 2020 sei die Entscheidung gefallen, gemeinsam ein Wohnprojekt zu starten, das auch eine nachhaltige Lebensmittelproduktion ermöglicht, erzählt Maria Wahle: "Gesucht haben wir wirklich überall, und dass es jetzt dieser Ort mit einem Hektar Fläche insgesamt geworden ist, ist einer Kombination aus Glück und Ausdauer zu verdanken."

Gesucht haben wir wirklich überall nach einem passenden Grundstück.

Maria Wahle, Mitgründerin des Hofprojektes

Die Gruppe, die jetzt das erste Projekt eines Ackersyndikats in ganz Deutschland wird, setzt sich dabei nicht allein aus Landwirten zusammen. Maria und eine andere zukünftige Bewohnerin sind zwar Gärtnerinnen, zwei andere geben aber auch Obstbaumschnittkurse oder arbeiten, wie Remo, im medizinischen Bereich.

In der Nähe von Erfurt hat Maria in den vergangenen Jahren bereits eine Solawi - eine solidarische Landwirtschaft - mit aufgebaut. Bei Solawis verpflichtet sich eine bestimmte Anzahl von Konsumenten aus der Region, mit einem monatlichen Beitrag sogenannte Ernteanteile zu kaufen und so ein sicheres Einkommen für den Solawi-Betrieb zu gewährleisten.

Doch das Projekt bei Erfurt stand unter keinem günstigen Stern: Maria erzählt, dass viel Geld in die Wasserversorgung des alten Ackers hätte investiert werden müssen. Zudem habe die Gruppe in der Nähe um Erfurt keinen gemeinsamen Wohnraum finden können.

Situation für Junglandwirte schwierig in Thüringen

Außerdem sei da noch die unklare Pachtsituation gewesen: "Selbst, wenn wir uns Mühe gegeben hätten, die Bodenfruchtbarkeit vor Ort zu erhöhen, wussten wir nicht, ob es sich der Verpächter nicht anders überlegt und wie lange wir überhaupt noch Gäste auf unserem eigenen Acker hätten sein können."

Die Preise für Ackerland sind in Thüringen in den vergangenen 15 Jahren bei Neupachten um 55 Prozent gestiegen - beim Kauf sogar um 115 Prozent. So beziffert es der Thüringer Agrarbericht des Landwirtschaftsministeriums von 2020. Vor allem kapitalstarke Investoren oder große Agrargenossenschaften können es sich demnach noch leisten, ihre Agrarflächen zu vergrößern. Hofgründungen gerade für junge Menschen sind schwierig geworden.

Für die Bewohnerinnen und Bewohner der Obermühle Steudnitz sei es deshalb wichtig gewesen, mit ihrem neuen Wohnprojekt zur Entprivatisierung von Land beizutragen, und es der Spekulation zu entziehen, sagt Maria. Erst Anfang dieses Jahres seien sie deshalb ernsthaft mit dem jungen Verein Ackersyndikat ins Gespräch gekommen.

Ackersyndikat e.V. unterstützt Hofprojekte

"Mit dem Verein bieten wir eine Netzwerkstruktur", sagt Gunter Kramp, der den Ackersyndikat-Verein mitgegründet hat. "Wir stellen das Know-How bereit, damit sich Hofprojekte relativ günstig und in Selbstorganisation gründen können. Und damit Menschen sowas machen können, die sonst niemals die hohen Preise über ihre Arbeit refinanzieren könnten."

Im Vergleich zu anderen Eigentumsstrukturen liegt die Einzigartigkeit der Zusammenarbeit von Hofprojekt und Ackersyndikat e.V. dabei vor allem im Regelwerk: Beide werden Gesellschafter in einer GmbH, die wiederum der eigentliche Käufer des Objektes ist. Über die Satzung, so erklärt es Kramp, sei außerdem gesichert, dass der Hof und die Fläche nie wieder verkauft werden würden. Und auch, wenn Maria oder die anderen beschließen wollten, es an ihre Kinder zu vererben, wäre das nicht möglich. Der Verein tritt somit als Wächterinstitution auf, um zu gewährleisten, dass das Grundstück ein unverkäufliches Gemeingut bleibt.

In Zeiten des Höfesterbens kann das Syndikat eine Brücke zwischen Hofverkäufern und Junglandwirten sein.

Gunter Kramp, Mitbegründer des Ackersyndikat e.V.

Für Gunter Kramp, der auch langjährige Erfahrung mit dem für reine Wohnobjekte konstruierten und weit verbreiteten Mietshäusersyndikat vorweisen kann, hat diese Zusammenarbeit aber auch noch einen weiteren Vorteil: "In Zeiten des Höfesterbens, in denen auch viele Bio-Bauern nicht wissen, an wen sie ihren Hof weitergeben können, kann das Syndikat wie eine Art Stiftung funktionieren."

Hofverkäufer wüssten beim Verkauf an ein Syndikatsprojekt dann, dass zum Beispiel eine biologische Bewirtschaftung für immer sichergestellt wäre und außerdem niemals mit dem Land privater Profit gemacht werden würde. Derzeit, so sagt es Gunter Kramp, arbeite der Verein mit rund 20 anderen Hofprojekten in ganz Deutschland zusammen, die auch ein Ackersyndikat-Projekt werden wollen.

Finanziert durch Investitionen aus dem Bekanntenkreis

Maria erklärt, dass sie die 340.000 Euro, die die Obermühle Steudnitz und die gesamte Fläche gekostet haben, über Direktkredite aus ihrem erweiterten Bekanntenkreis gesammelt hätten. Diese Nachrangdarlehen machten einen Teil der Finanzierung bei Ackersyndikat-Projekten aus. Zusätzlich seien aber auch Bankkredite oder Förderanträge möglich und nötig, um die Renovierungskosten oder erste landwirtschaftliche Arbeiten zu decken.

Der zukünftige Acker liegt noch brach

Die Wiese, die bald der neue Acker des Hofprojektes werden soll, liegt bislang noch brach. In den nächsten Wochen und Monaten wollen Maria und die Anderen die Fläche umbrechen, sprich pflügen lassen, erste Versuche machen, welche Gemüsesorten gut wachsen und auch zwei Folientunnel bauen. Ab nächstem Jahr werden sie dann wieder eine Solidarische Landwirtschaft gründen und darüber ihre Erträge verkaufen.

Der Vorteil der Solawi ist für uns, dass wir eine direkte Verbindung zwischen Konsumenten und Produzentinnen haben.

Maria Wahle, will eine neue Solawi gründen

"Ich bin mir sicher, dass es hier eine Nachfrage geben wird", antwortet Maria auf die Frage, ob sich eine Solawi auch allein in einer ländlichen Struktur lohnen könnte. "Der Vorteil ist die direkte Verbindung zwischen Konsumenten und Produzentinnen. Und auch die kurzen Transportwege. Die Wertschöpfung bleibt in der Region."

Maria sagt, dass die geplante Solawi zwar wahrscheinlich auch in Jena ein Abhol-Depot für die Ernteanteile haben werde, aber vor allem möchte sie gerne die Dörfer um Dorndorf-Steudnitz versorgen.

Noch sei es "superschwierig", strukturelle Umbau-Arbeiten im alten Hofhaus zu beginnen, sagt Maria. Denn außer Remo und ihr leben die Anderen aus der Gruppe noch nicht im Syndikats-Projekt. An manchen Tagen wüssten sie gar nicht so recht, wo ihnen der Kopf steht, erzählt sie: Bisher reihe sich eine Baustelle an die nächste, erst in den kommenden Wochen wolle der Rest einziehen. "Das Ziel ist, dass auch weiter Leute dazukommen können und man etwas gemeinsam gestaltet. Und vielleicht ziehen ja auch hier im Dorf zwei Häuser weiter oder so noch Leute hin, die was Ähnliches machen wollen."

MDR

Dieses Thema im Programm: MDR THÜRINGEN - Das Radio | Das Fazit vom Tag | 22. April 2022 | 18:15 Uhr

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