Verkehrswende als soziale Frage Ladesäulen für E-Autos in der Platte: Zu wenig und oft noch zu teuer
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10. Juni 2023, 13:30 Uhr
Immer mehr Elektroautos fahren in Thüringen - allein 2022 wurden mehr als 6.500 reine Batteriefahrzeuge zugelassen, zusammen mit den Hybriden liegen sie bei den Zulassungszahlen mittlerweile sogar vor den Benzinern. Das Laden an der heimischen Wallbox ist für viele E-Auto-Besitzer kinderleicht. Doch wo soll der Auto-Strom für die Mehrheit der Thüringer herkommen, die nicht im Einfamilienhaus wohnt?
- Hohe Preise und zu wenige Ladesäulen machen es Besitzern von Elektroautos in Plattenbaugebieten schwer, Fahrzeuge in der Nähe ihrer Wohnung zu "tanken".
- In Jena-Lobeda sollen daher noch in diesem Jahr neue Ladepunkte entstehen.
- Die Wohnungsbaugenossenschaft Rudolstadt setzt insbesondere auf niedrige Preise fürs Laden von E-Autos.
Seit fünf Jahren gibt es die so genannte Öko-Stromtanke in der Binswangerstraße in Jena-Lobeda. Die blaue Säule mit den zwei Ladepunkten wird von den Stadtwerken betrieben und liefert bis zu 22 kWh. Und sie wird in dem Plattenbaugebiet mit seinen rund 22.000 Einwohnern rege genutzt: Chris Klingler kommt regelmäßig mit seinem schwarzen E-Auto hierher. Für ihn sei es die einzige Möglichkeit zum Laden in der näheren Umgebung. Noch besser wäre ein dichteres Ladenetz, sagt er.
Verfügbarkeit in Plattenbaugebieten deutlich geringer
69 Cent pro Kilowattstunde kostet der Strom an dieser öffentlichen Ladestation. Kein Schnäppchen, um es vorsichtig auszudrücken. Besitzer von Elektroautos, die in Großwohnsiedlungen leben, haben es in der Regel deutlich schwerer als diejenigen, die in einem Einfamilienhaus wohnen: Hohe Preise und der permanente Stress, eine Ladesäule zu finden, die auch noch frei ist, machen es ihnen schwer.
Djamila Neutert ist dessen bewusst. Sie organisiert den Ausbau der Ladeinfrastruktur bei den Stadtwerken Energie Jena-Pößneck. Die aktuell hohen Preise entschuldigt sie mit langfristigen Lieferverträgen als Folge der Energiekrise. Im kommenden Jahr solle Laden aber wieder billiger werden, verspricht sie.
Netz in Jena-Lobeda soll engmaschiger werden
Auch das Netz soll engmaschiger werden, sagt Neutert. 30 neue Ladepunkte würden noch in diesem Jahr gebaut werden. Damit erhöhe sich die Zahl auf insgesamt 46, davon seien allerdings zehn privat vermietet. Dennoch ist das kein schlechter Wert. Wie hoch der Bedarf tatsächlich ist, können weder die Stadtwerke noch Jena Wohnen als größter Vermieter im Quartier beziffern.
Laut einer Mieterbefragung aus dem Jahr 2021 wünschten sich 67 Prozent der E-Autobesitzer in Lobeda eine Stromtankstelle in ihrer Nähe. Da aber nicht alle Befragten antworteten, kann Jena Wohnen nicht sagen, wie viele Menschen in Lobeda elektrisch fahren.
Stadtwerke wollen Reichweiten-Angst abbauen
Für Stadtwerke-Managerin Djamila Neutert ist das auch nicht so erheblich. Es gehe darum, die Infrastruktur so anzupassen, dass den Leuten der Umstieg auf das E-Auto erleichtert werde: "Es ist ja durchaus so, dass die Kaufentscheidung für oder gegen ein Elektrofahrzeug neben dem finanziellen Aspekt erst mal bestimmt wird von einer gewissen Reichweiten-Angst und der Verfügbarkeit von Lademöglichkeiten. Da wollen wir einfach vorausgehen und die Lademöglichkeiten aufbauen, um Sorgen abzubauen und zu zerstreuen."
Da wollen wir einfach vorausgehen und die Lademöglichkeiten aufbauen, um Sorgen abzubauen und zu zerstreuen.
Die Jenaer Stadtwerke setzten dabei auf ein möglichst dichtes Netz öffentlicher Ladepunkte, sagt Neutert. Unterstützt würden auch so genannte Quartierslösungen. Dabei teilen sich mehrere Mieter eine private Säule und organisieren das Laden selbständig untereinander.
Pkw-Neuzulassungen 2022 in Thüringen
In Thüringen wurden laut Landesamt für Statistik im Jahr 2022 mehr als 6.500 Fahrzeuge mit reinem Elektroantrieb zugelassen. Dazu kamen rund 13.300 Hybrid-Autos. Damit lagen die Pkw mit alternativem Antrieb bei den Neuzulassungen von den Benzinern: Knapp 18.500 wurden neu angemeldet. Bei den dieselbetriebenen Pkw wurden 8.900 Fahrzeuge neu zugelassen.
Genossenschaft in Rudolstadt geht eigenen Weg mit niedrigen Preisen
Von derartigen Modellen ist die Wohnungsbaugenossenschaft Rudolstadt (WBG) noch weit entfernt. Trotzdem hat sie in der jüngsten Vergangenheit 14 öffentliche Ladepunkte in den verschiedenen Quartieren bauen lassen. Installiert wurden die Säulen von der Ilmenauer Firma Area Charge. Das habe der WBG eine Menge Zeit und Mühe gespart, begründet der technische Vorstand André Textor die Entscheidung, einen Partner mit ins Boot zu holen.
Ladeinfrastruktur gehöre eben nicht zu den Kernkompetenzen einer Wohnungsgesellschaft. Der Strom komme von den Stadtwerken und ist mit 29 Cent pro Kilowattstunde sogar sozial verträglich. Das sei wichtig für die Akzeptanz der E-Mobilität, findet Textor.
Denn auch hier stelle sich das Henne-Ei-Problem: Warten bis sich ein Bedarf entwickelt und dann Ladepunkte errichten - oder durch gute Angebote den Umstieg auf Elektromobilität erleichtern und dadurch sogar die Transformation beschleunigen? Textor hat sich gemeinsam mit seinem geschäftsführenden Vorstand Dietmar Crellwitz für letzteres entschieden. Aber das brauche Zeit, sagt Textor. Noch sind E-Autos teuer und günstige Gebrauchtwagen nicht zu haben. So wurde die bereits vor zwei Wochen eröffnete Ladesäule im Stadtteil Volkstedt-West bisher kaum benutzt.
Es scheint, als bleibe Elektromobilität zuvorderst ein Privileg der Besserverdienenden, die sich die Autos leisten und ihre eigene Stromtankstelle in die Garage bauen können.
Fördertöpfe vom Land Thüringen schon wieder leer
Ohne Förderung vom Land Thüringen hätte die WBG die Ladesäulen kaum installieren lassen können. Bis zu 25.000 Euro kosten zwei Ladepunkte. "Das macht eine kleine Genossenschaft nicht mal eben so. Für das Geld aller Ladestationen hätten wir auch einen Wohnblock teilsanieren können", rechnet WBG-Chef Crellwitz vor. Je näher ein Trafo-Häuschen stehe, desto besser.
Doch mittlerweile sind die Fördertöpfe leer. Laut Umweltministerium gab es bis vor Kurzem für Ladesäulen wie in Jena oder Rudolstadt (bis 22 kWh) maximal 2.500 Euro Förderung, für öffentliche Schnellladepunkte (über 100 kWh) sogar 20.000 Euro. 1,9 Millionen Euro standen dafür zur Verfügung, zu beantragen bei der Thüringer Aufbaubank. Ohne Fördermittel vom Land kommt der Ausbau der öffentlichen Ladeinfrastruktur mit großer Wahrscheinlichkeit ins Stocken.
Man werde in der zweiten Jahreshälfte versuchen, Geld nachzuschießen, erklärt ein Ministeriumssprecher MDR THÜRINGEN hoffnungsvoll. Wie viel und wann genau, kann er nicht sagen. Das hänge auch von den bevorstehenden Verhandlungen über den nächsten Landeshaushalt ab.
MDR (dst)
Dieses Thema im Programm: MDR THÜRINGEN | MDR THÜRINGEN JOURNAL | 10. Juni 2023 | 19:00 Uhr
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