Jubiläum "Feuer war schon immer heiß" - Berufsfeuerwehr Gera feiert hundertjähriges Bestehen
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11. Juni 2023, 14:59 Uhr
Mit einem großen Fest auf dem Hofwiesenparkplatz feierte die Berufsfeuerwehr Gera am Sonntag ihr hundertjähriges Bestehen. Neben einer historischen Modenschau wurden auch neue und nicht mehr ganz so neue Geräte vorgeführt. Höhenretter und Atemschutzträger zeigten ihr Können. Bereits 1487 waren die ersten "Geranischen Stadtstatuten" mit Regeln für den Brandfall erlassen worden, bevor 1923 die Geraer Berufsfeuerwehr die Arbeit aufnahm. Mittlerweile ist die Arbeit dort ein Hightech-Job.
- Die Arbeit der Retter in Gera begann mit einfachen Mitteln
- Hauptbrandmeister Kugel ist froh über den technischen Fortschritt, er erleichtet der Berufsfeuerwehr ihre Einsätze
- Für die Geraer Berufsfeuerwehr ist es schwierig Nachwuchs zu finden, da es viele familienfreundlichere Berufe gibt
Ob 1450 im sächsischen Bruderkrieg, 1639 durch brandstiftende Schweden oder 1686 bei einem fahrlässig verursachten Stadtbrand – immer wieder brannten große Teile von Gera nieder. Im Hitzesommer 1780 traf es gar 90 Prozent aller Gebäude.
Zahlreiche Menschen und Tiere sowie hunderte Häuser fielen den Flammen zum Opfer. Bereits 1487 verpflichteten die Geraer Stadtstatuten jeden Bürger, im Fall eines Feuers beim Löschen mitzuhelfen.
Retter in Baumwollhosen
Dabei war die Ausstattung lange Zeit überschaubar: Gerade mal sieben Spritzen und acht Schläuche werden 1784 aufgelistet, dazu ein gutes Dutzend Pfannen und Fässer. Und an die Kleidung der freiwilligen Helfer damals will Hauptbrandmeister Göran Kugel lieber gar nicht erst denken. Er ist zwar noch keine 100 Jahre dabei, aber immerhin 28.
Im Vergleich zur heutigen Hightech-Ausrüstung mutet schon die Ausstattung Mitte der 1990er-Jahre abenteuerlich an, als Kugel bei der Berufsfeuerwehr Gera anfing. "Wir sind ins brennende Haus reingegangen und hatten eine blaue Baumwollhose an, Feuerwehrschutzstiefel und eine orangefarbene Baumwolljacke. Dazu gab es einen Helm und einen Atemschutz", erinnert sich Kugel.
Auch 1923, als die Berufsfeuerwehr gegründet wurde, trugen die Männer ein einfaches Baumwollgewand und einen Helm. Ausgerüstet mit alten Lkw und Anhängegeräten sowie mechanischen Leitern zum Kurbeln ging es ans Feuerlöschen. "Die Männer sind eine alte Holzleiter hochgekrabbelt, die durchgeschwungen hat, und haben die Leute runtergeschleppt, ohne sie nochmal zu sichern."
Dienstpflicht für junge Männer im 19. Jahrhundert
Verglichen mit dem 19. Jahrhundert war die Technik 1923 aber schon beinahe modern. Bis 1859 wurde der Feuerlöschdienst von den Zünften erledigt. Doch die Stadt wird größer, die Gebäude höher. 1860 wurden in Gera die traditionellen Feuerlöschordnungen abgelöst durch neue Organisationsformen: Vorläufer der Freiwilligen Feuerwehren. Auch Rettungsmannschaften wurden gegründet, die sich um verletzte Menschen kümmerten. 1866 sah die Feuerwehr-Ordnung vor, dass alle Männer im Alter von 24 bis 42 Jahren zum Dienst verpflichtet werden.
Berufsfeuerwehr nach Gothaer Vorbild
Bereits 1877 kam die Idee auf, eine Berufsfeuerwehr nach dem Vorbild Gothas zu gründen – der Rat der Stadt lehnte dies jedoch ab. Zur Jahrhundertwende erhalten zwei Stadtbezirke elektrische Alarmeinrichtungen. Zum 50. Jubiläum der städtischen Feuerwehr 1909 gibt es unter anderem drei Maschinenleitern, diverse Spritzen, ein Sprungtuch und 5.000 Meter Schlauch sowie fast 500 Hydranten.
Ausrüstung heute: 55 Kilo Schutz für Feuerwehrleute
Alles kein Vergleich mit der Ausstattung heute. Bis zu 55 Kilogramm tragen die Frauen und Männer bei Einsätzen am Körper. Feuerfeste Schutzbekleidung, Kniepolster in den Bekleidungsstücken und ein integriertes Gurtsystem in den Jacken gehören ebenso dazu, wie schnittfeste Handschuhe oder Gurtsysteme und eine Brüstung auf der Drehleiter. "Wir tragen unterm Helm außerdem eine Haube, damit Ohren und Haare nicht angekokelt werden", erzählt Kugel.
Hauptbrandmeister froh über technischen Fortschritt
Und auch wenn der Feuerwehrmann aus Leidenschaft wohl auch in den 1920er-Jahren mit der großen Motorspritze (eine Art früher Leiterwagen mit Schlauch) und ein paar Handdruckspritzen losgezogen wäre, ist er ganz froh, heute bei der Feuerwehr zu sein.
Ich möchte das in den 20ern oder früher nicht erlebt haben
"Ich möchte das in den 20ern oder früher nicht erlebt haben - so ein Feuer ist schon immer heiß gewesen und da tut man sich weh." Kugel erinnert sich an Kellerbrände in den 90er-Jahren: "Wenn wir da reingegangen sind, hast du an den Ohren gemerkt, dass es zwickt und zwackt und bist eben zurückgegangen. Jetzt merkst du die Hitze gar nicht mehr."
Kein Aprilscherz – Gründung am 1. April 1923
Entsprechend der Technik hat sich auch die Ausbildung geändert. Die Frauen und Männer müssen sich nicht mehr nur auf ihre Sinne verlassen, sondern haben Hilfsmittel wie eine Wärmebildkamera. "Das birgt natürlich die Gefahr, zu weit zu gehen", sagt der Hauptbrandmeister, "Früher hast du die Hitze gemerkt oder wenn der Wasserdampf zurückschlägt. Heute merkt man das vermutlich erst, wenn dein Helm schmilzt oder die Jacke in Flammen steht."
Früher hast du die Hitze gemerkt oder wenn der Wasserdampf zurückschlägt. Heute merkt man das vermutlich erst, wenn dein Helm schmilzt oder die Jacke in Flammen steht.
Der 1. April 1923 gilt als Gründungsdatum der Geraer Berufsfeuerwehr. Ein Verwaltungsbericht aus dem Jahr 1928 listet insgesamt acht Mitarbeiter auf. Heute arbeiten 159 Menschen bei der Berufsfeuerwehr Gera, neben Einsatzkräften auch Disponenten der Leitstelle oder Verwaltungsmitarbeiter.
Nachwuchssorgen bei den Rettern
Dazu kommen die 220 Frauen und Männer der freiwilligen Feuerwehren in Gera und gut 100 Mädchen und Jungen bei der Jugendfeuerwehr. Mehr wäre gut, meint Hauptbrandmeister Göran Kugel.
Wenn vom Nachwuchs 30 Leute in die freiwillige Feuerwehr wechselten, seien das schon viele. Und mit dem Nachwuchs bei der Berufsfeuerwehr sieht es auch nicht gut aus. "Es gibt immer weniger Bewerber und die wenigen Bewerber sind häufig schlecht und kriegen es nicht auf die Ketten", sagt Kugel mit deutlich Frust.
Kugel: "Auch bei der Feuerwehr muss man rechnen können"
Dabei würde die Feuerwehr sogar die sportlichen Voraussetzungen für den Aufnahmetest veröffentlichen, sodass sich jeder vorbereiten könne. Auch beim Lesen, Schreiben und Rechnen sehe es häufig mau aus. "Auch bei der Feuerwehr muss man rechnen können. Wir haben 2.000 Liter Wasser im Tank. In einen Schlauch passen 88 Liter und wir koppeln fünf Schläuche aneinander. Wie viel Wasser ist noch im Tank, wenn die Schläuche voll sind?", nennt der Feuerwehrmann eine Aufgabe, die jeder Retter im Schlaf rechnen können muss.
Schlechte Bewerberlage durch wirtschaftliche Situation?
Kugel vermutet, dass die schlechte Bewerberlage mit der aktuell guten wirtschaftlichen Situation zusammenhängt. Bei Schichtarbeit, Einsätzen an Feiertagen und in gefährlichen Situationen könne man eben nicht mit besser bezahlten und familienfreundlicheren Jobs in der Wirtschaft mithalten.
Bei der Brandschutzerziehung in Kindergärten und Schulen wirbt Kugel dennoch für den Beruf. "Wenn ich frage, wollen 95 Prozent der Kinder zur Feuerwehr kommen. Der Rest will Polizist oder Tierarzt werden", berichtet er mit einem Lachen von den Kinderaugen, die ihn und seine Kollegen regelmäßig anstrahlen.
Kein Verstädnnis für Pöbler und Meckerer
Für Kugel ist sein Job "der geilste der Welt". Und trotz der modernen Technik: Ein Restrisiko bleibt. "Wir gehen dorthin, wo die anderen Leute wegrennen", sagt Kugel. Gar kein Verständnis haben er und seine Kollegen für Pöbler und Meckerer.
Wir gehen dorthin, wo die anderen Leute wegrennen
So fühlten sich manche in ihrer Freiheit eingeschränkt, wenn das Einsatzfahrzeug den Gehweg blockiere, weil es brennt. "Oder wenn der Rettungswagen in der Einfahrt steht, weil wir ein Kind nach einer Reanimation raustragen müssen. Da wird geschimpft und gemeckert, 'Fahr die Karre weg' müssen wir uns anhören."
Einsätze, die sich einbrennen
Rund 140 Einsätze fährt die Feuerwehr Gera pro Woche: Etwa 110 davon erledigen die beiden Rettungsambulanzen, dazu kommen Hilfeleistungen bei Ölspuren oder Türöffnungen. Rund zehn Mal pro Woche rücken die Retter zu Brandeinsätzen aus.
Einsätze mit Kindern gehen den Feuerwehrleuten dabei häufig besonders nah, auch das große Hochwasser 2013 prägte die Feuerwehr. Gut erinnern kann sich Göran Kugel noch an den großen Milchhofbrand Silvester 2015 oder eine Brandserie 1996 in der Neuen Straße.
Feuerwehr half bei Geburt
Aber es gebe auch lustige und schöne Einsätze. So half Kugel schon mit, ein Baby auf die Welt zu bringen, rettete Pferde aus Pools, Enten aus dem Gully oder Mauersegler, die nicht mehr segeln konnten. Und dann sind da noch "verstörende" Fälle wie der hier: "Es hieß, ein Ring steckt fest. Aber nun ja, der Ring steckte nicht am Finger…"
Gerade als das Gespräch sich dem Ende neigt, geht der Alarm in der Feuerwache an der Berliner Straße. Eine Rauchmeldeanlage in Gera-Liebschwitz hat Alarm geschlagen. Mit einem hastigen "Tschüss" rennt Kugel davon.
MDR (hey/jw)
Dieses Thema im Programm: MDR THÜRINGEN | MDR THÜRINGEN JOURNAL | 11. Juni 2023 | 19:00 Uhr
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