Zwei Männer mit Sonnenbrille und schwarzer Maske.
Die beiden mutmaßlichen Angreifer beim Prozess im Landgericht Mühlhausen. Sie sollen zwei Journalisten attackiert und schwer verletzt haben. Bildrechte: picture alliance/dpa/dpa-Zentralbild | Swen Pförtner

Bewaffneter Angriff auf Journalisten Die rechtsextremen Netzwerke hinter dem Fretterode-Prozess

13. März 2024, 19:24 Uhr

Zwei Rechtsextreme sollen im Frühjahr 2018 zwei Journalisten in Fretterode im Eichsfeld angegriffen und schwer verletzt haben. Derzeit wird am Landgericht Mühlhausen gegen die mutmaßlichen Täter Gianluca B. und Nordulf H. verhandelt. Wer sind die Männer und welche rechtsextremen Strukturen stecken dahinter?

April 2018. Zwei Journalisten aus Göttingen recherchieren im Umfeld des alten Gutshauses Hanstein in Fretterode. Sie vermuten ein rechtsextremes Treffen im Anwesen des Neonazis und NPD-Kaders Thorsten Heise. Der stellvertretende Bundesvorsitzende der rechtsextremen NPD ist seit Jahren aktiv in der Partei und in freien Kameradschaften.

Thorsten Heise - Der Neonazi-Netzwerker

Heise gilt als einer der wichtigsten rechtsextremen Netzwerker in Thüringen und bundesweit. Er betreibt einen rechtsextremen Versandhandel, organisiert Neonazikonzerte wie das Neonazi-Festival "Schild und Schwert" 2018 und 2019 im sächsischen Ostritz. Er ist seit Jahrzehnten in der Neonaziszene aktiv, gilt als international bestens vernetzt, unter anderem in die in Deutschland mittlerweile verbotene Gruppierung "Combat 18", den bewaffneten Arm des ebenfalls verbotenen "Blood & Honour"-Netzwerks.

Das Gutshaus Hanstein in Fretterode

Thorsten Heises Anwesen in Fretterode ist laut der Mobilen Beratung gegen Rechtsextremismus in Thüringen (Mobit) ein wichtiger Treffpunkt und Rückzugsraum für die rechtsextreme Szene in der Region und bundesweit. Diesem Netzwerk sind die zwei Göttinger Journalisten im April 2018 auf der Spur, als sie unvermittelt in der Nähe des Gutshauses von zwei Männern attackiert und anschließend mit dem Auto verfolgt werden. Als ihr Auto bei der Flucht im Straßengraben landet, sollen die beiden Rechtsextremen sie mit Baseballschläger und Messer angegriffen, schwer verletzt und die Kameraausrüstung geraubt haben.

Seit Jahren in der rechtsextremen Szene aktiv

Einer der mutmaßlichen Angreifer soll Nordulf H. gewesen sein. Der 21-Jährige gehört zum engsten Umfeld von Thorsten Heise und bewegt sich seit Jahren in der rechtsextremen Szene, nimmt an Aufmärschen und Versammlungen teil. Der Twitter-Account "Tatort Fretterode" veröffentlichte ein Bild, das Nordulf H. beim Beschriften eines Transparents mit der Aufschrift "Lügenpresse" beim rechtsextremen "Eichsfeldtag" 2017 zeigen soll.

Mit diesem Transparent war ein MDR-Kamerateam im späteren Verlauf der Veranstaltung durch rechtsextreme Ordner an Dreharbeiten gehindert worden. Kurz nach seiner mutmaßlichen Beteiligung an dem Angriff auf die Journalisten zog Nordulf H. laut ARD-Recherchen ins schweizerische Wallis, wo er bei einem Schweizer "Blood & Honour"-Aktivisten, einem Bekannten Thorsten Heises, lebte und arbeitete.

Das Netzwerk der "Arischen Bruderschaft"

Beim Angriff auf die Journalisten in Fretterode soll Nordulf H. sich mit einem Schal vermummt haben. Darauf zu sehen: das Logo der sogenannten "Arischen Bruderschaft". Schals mit diesem Logo vertreibt Thorsten Heise bis heute über seinen Szeneversand. Die "Arische Bruderschaft", eine Kameradschaft, die auch als Sicherheitsdienst auf Neonazi-Veranstaltungen auftritt wie dem "Schild und Schwert"-Festival in Ostritz oder dem "Eichsfeldtag" in Leinefelde, entstammt dem Netzwerk um Thorsten Heise.

Das Logo der Bruderschaft ähnelt mit seinen zwei gekreuzten Stabhandgranaten dem Symbol der 36. Waffen-Grenadier-Division der SS, aus der 1945 die SS-Division Dirlewanger, verantwortlich für Massaker an der polnischen Zivilgesellschaft, hervorgegangen war. Ein Ermittlungsverfahren gegen Heise wegen der Verwendung von verfassungsfeindlichen Kennzeichen wurde von der Staatsanwaltschaft Mühlhausen in der Vergangenheit eingestellt.

Gut vernetzt und gewaltbereit

Der zweite Angeklagte, Gianluca B., gilt als enger Vertrauter von Thorsten Heise. Seit Jahren agiert der 27-Jährige in dessen Netzwerk im Grenzgebiet zwischen Thüringen, Hessen und Niedersachsen. NPD, Neonazi-Kameradschaften und rechtsextreme Initiativen sind hier eng vernetzt. B. war zeitweise Vizevorsitzender der NPD in Niedersachsen, aber auch aktiv im Kameradschaftsspektrum und in rechtsextremen Initiativen wie dem "Freundeskreis Thüringen/Niedersachsen". Im Frühjahr 2017 war die Polizei mit Razzien gegen die Gruppierung im niedersächsisch-thüringischen Grenzgebiet vorgegangen, unter anderem wegen des Verdachts der Bildung einer bewaffneten Gruppe.

Prozessbeteiligte im Gerichtssaal
Anfang September hat vor dem Landgericht Mühlhausen der Prozess gegen die zwei Rechtsextremisten Nordulf H. und Gianluca B. begonnen. Bildrechte: MDR/Claudia Götze

Verurteilt wegen Neonazi-Angriff in Leipzig-Connewitz

Der Twitter-Account "Tatort Fretterode" veröffentlichte ein Video, in dem Gianluca B. beim Kampfsporttraining mit Thorsten Heise zu sehen ist. Für seine Beteiligung am Neonazi-Angriff auf den alternativ geprägten Leipziger Stadtteil Connewitz im Januar 2016 wurde B. vom Landgericht Leipzig im April 2021 zu einem Jahr und zwei Monaten Haft auf Bewährung sowie einer Geldzahlung an die Opferorganisation Weißer Ring verurteilt. Damals waren rund 250 Neonazis und rechtsextreme Hooligans zeitgleich zu einer "Legida"-Demonstration in der Innenstadt durch Connewitz gezogen und hatten eine Spur der Verwüstung hinterlassen.

Beteiligung an Störaktion gegen Journalisten

Immer wieder war B. auch unter anderem als Ordner in die Organisation von rechtsextremen Veranstaltungen eingebunden, wie dem sogenannten "Eichsfeldtag", den NPD-Kader über Jahre in Leinefelde veranstalteten. Auch im Jahr 2017 war B. dort als Ordner aktiv und soll dabei an einer Störaktion gegen ein MDR-Kamerateam beteiligt gewesen sein. Gemeinsam mit weiteren Ordnern der Veranstaltung soll er ein "Lügenpresse"-Transparent vor die Kamera gehalten haben, sodass das Team die Dreharbeiten einstellen und das Gelände verlassen musste. Der Deutsche Journalistenverband hatte damals den Polizeieinsatz kritisiert und einen besseren Schutz von Medienvertretern eingefordert.

Quelle: MDR THÜRINGEN

Dieses Thema im Programm: MDR THÜRINGEN | MDR THÜRINGEN JOURNAL | 07. September 2021 | 19:00 Uhr

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