Thüringer Musikradar Osaka Rising: Auf Deep Purples Spuren
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18. Mai 2022, 10:23 Uhr
Seit Jahrzehnten liefern sich Rockbands einen Wettkampf: Wer ist die lauteste Band der Welt? Lange Zeit war es Deep Purple, aktuell ist es wahrscheinlich Manowar. Doch sie alle bekommen lautstarke Konkurrenz vom Duo Osaka Rising aus Erfurt. Über eine Band, die Thüringer Rockliebhaber auf dem Zettel haben sollten.
Intro
Zum Beginn der Bandprobe reicht mir Schlagzeuger Tom einen Gehörschutz mit rechteckigen Ohrmuscheln. Er erinnert mich an den Gehörschutz, den Bauarbeiter tragen, wenn sie mit dem Presslufthammer eine Asphaltstraße bearbeiten. "Den wirst du brauchen!", sagt Tom - und ich setze ihn lieber auf, denn für Osaka Rising ist er praktisch erfunden worden.
Bei Soundchecks bringen Tom Walther und Stephan Janson regelmäßig Tontechniker zur Verzweiflung. "Jungs, ihr seid zu laut", heißt es dann, "könnt ihr nicht leiser spielen?" Nein, können sie nicht. Wer noch nie nach einem harten Tag nach Hause gekommen ist und die Stereoanlage ohne Rücksicht auf die Nachbarn voll aufgedreht hat, wird das kaum verstehen. Aber Rock- und Metal-Liebhaber wissen vermutlich genau, was ich meine: Die Musik von Osaka Rising ist pure Energie.
Die Zwei-Mann-Hardrock-Band ohne Gitarren
Dabei sind Osaka Rising tatsächlich nur zu zweit. Sänger Stephan Janson spielt an der Hammond-Orgel und dreht an den Synthesizern, während Tom Walther für die Drums sorgt. Keine E-Gitarre, kein Bass und trotzdem - oder vielleicht genau deswegen - bietet die Band einen satten Sound sondergleichen.
Zu zweit Hardrock zu machen ist eine Herausforderung, aber dadurch experimentieren wir viel. Stephan ist dadurch zu einem Emmett Brown der Orgelmusik geworden. Alle drei Wochen baut er seine Orgel neu zusammen, um den Sound noch vielfältiger zu machen. Uns fehlt nichts.
Emmett Brown - der Wissenschaftler, der im Film "Zurück in die Zukunft" eine Zeitmaschine baut - hätte vermutlich seine helle Freude daran, wie viel Kreativität Osaka Rising an den Tag legen, um ihren Sound noch voller, wuchtiger und abwechslungsreicher zu machen. Janson spielt nicht nur die Leadmelodie, sondern mit der linken Hand auch die Basslinie - und er hat die erste Gesangsstimme. Walter singt von Zeit zu Zeit die zweite Stimme und sorgt mit meisterlichen Drum-Eskapaden für einen druckvollen Sound, der sich hinter keiner Rockband verstecken muss.
In der Entstehung eines Songs sprechen wir oft darüber, wie wir den Sound noch größer und majestätischer hinbekommen und schöpfen dabei aus der Erfahrung an unseren Instrumenten. Allein mit Lautstärke- und Tempowechseln lässt sich da unheimlich viel machen.
Live eine Urgewalt
Genau diese Erfahrung an den Instrumenten ist es, die Osaka Rising live zu einem Erlebnis machen. Song für Song spielen sich Janson und Walther in Ekstase - immer am Rande zur totalen Eskalation. Auf der Bühne stehen sich Schlagzeug und Orgel gern mal gegenüber, was das Wechselspiel der beiden sich blind verstehenden Musiker noch intensiver macht. Auf der Bühne liefern sich Walther und Janson einen Schlagabtausch: Sie stacheln sich gegenseitig an, fordern sich heraus und brechen immer wieder aus den Songs aus - hier noch eine Orgel-Improvisation, da noch ein Schlagzeug-Solo. Hast du noch einen oder soll ich nochmal?
Halbherzig dahingespielte Konzerte gibt es bei Osaka Rising nicht. Jeder Gig ist ein Rausch an Intensität und wer dabei ist, wird von einer Energie erfasst, die den gesamten Raum elektrisiert. Dass dabei etwas zu Bruch geht, ist nicht selten: Zerbrochene Drumsticks, ein durchgetretenes Bassdrumfell oder auf dem Boden zerschlagene Keyboards sind fast so etwas wie ein Markenzeichen von Osaka Rising geworden. Nach Auftritten verschenkt Janson die Plastiksplitter seiner zerstörten Keyboards. Unser "Band-Plektrum" scherzt er und spielt damit auf gitarrenlastige Bands an, die Plektren gern als Merchandise-Artikel führen.
Deep Purple - Inspiration und Namensgeber
Die Livepräsenz, das Wechselspiel der Instrumente und der durch die Hammond-Orgel dominierte Sound von Osaka Rising erinnern Kenner der Rockgeschichte vermutlich an Deep Purple. Tatsächlich sind die Briten, die mit "Smoke on the Water" oder "Child in Time" große Songs der Rockgeschichte komponierten, eine Inspiration.
Als sich Janson und Walther vor fünf Jahren in einem Tattoostudio kennenlernten - ihre Freundinnen verkuppelten die Musiker damals - fanden sie bei Deep Purples bahnbrechendem Livealbum "Made in Japan" ihren gemeinsamen Nenner.
Ich kann es jedes Mal, wenn ich dieses Album höre, nicht fassen, wie eine Band 1972 so aggressiv und befreit spielen konnte. Wie sich Deep Purple da in neue Sphären vorspielen, ist unfassbar. Und das Gefühl, das dadurch beim Hörer entsteht, darum geht es auch bei Osaka Rising.
Drittes Album auf dem Weg
Von der Namens-Hommage und den schon beschriebenen Ähnlichkeiten mal abgesehen, gehen Osaka Rising musikalisch aber einen eigenen Weg. Dessen Grundstein ist zwar der Hardrock ("Coming Home"), aber von Song zu Song kann ihr Sound auch in Richtung Rock'n'Roll ("Whisky Bottle"), Darkrock ("Falling Sun") oder andere Stile tendieren.
Bei aller kreativen Vielfalt ist das Tempo, mit dem Osaka Rising ihre Musik vorantreiben, bemerkenswert. Nur ein Jahr brauchten sie für ihr erstes recht experimentelles Album "Osaka Rising" (2016). Zwei Jahre später folgte "Roller Coaster Ride", das schon sehr viel konzeptioneller war und den Sound auch durch die Produktion im Atomino Studio bei Erfurt auf ein neues Level hob. Inzwischen arbeiten Janson und Walther am dritten Album, das noch in diesem Jahr erscheinen könnte. Unberechenbar soll es werden und live ein Spektakel. Osaka Rising wollen ihrem Konzept damit treu bleiben:
Es geht darum, sich in der Musik zu verlieren. Wir versuchen die Freude und Gefährlichkeit der alten Rockbands wieder auf die Bühne zu bringen.
Outro
Am Ende der Bandprobe gebe ich Tom den Bauarbeitergehörschutz zurück. "Hat leider nichts geholfen", sage ich, "ich habe ein irrsinniges Fiepen in den Ohren." Tom lacht nur und sagt: "Hör dir den Ton nochmal genau an. Morgen früh ist er für immer verschwunden."
Anmerkung der Redaktion: Dieser Artikel wurde erstmals am 26.07.2020 veröffentlicht und aufgrund der aktuellen Berichterstattung im Thüringen Journal neu publiziert.
Die lautesten Bands der Welt:
1) Manowar (139 dB)
2) Leftfield (137 dB)
3) Kiss (136 dB)
4) AC/DC und Led Zeppelin (130 dB)
5) The Who (126 dB)
6) Deep Purple (117dB)
Quelle: metal-hammer.de (Stand: 2018)
Quelle: MDR THÜRINGEN/ask
Dieses Thema im Programm: MDR FERNSEHEN | Thüringen Journal | 17. Mai 2022 | 19:00 Uhr
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