Einkaufszentrum Erfurt: "Thüringen Park"-Vergrößerung lässt auf sich warten
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09. September 2023, 09:47 Uhr
Der 1995 eröffnete "Thüringen Park" ist mit 23.500 Quadratmetern Verkaufsfläche das zweitgrößte Einkaufscenter Erfurts - nach dem T.E.C. im Südosten. Seit mehr als 20 Jahren wird darum gestritten, ob der "Thüringen Park" erweitert werden kann, soll, muss, darf. Vor allem Händler in der Innenstadt befürchten bis heute, dass damit noch mehr Kaufkraft aus der Altstadt abgezogen wird. Ende Juni hat der Stadtrat für die Erweiterung gestimmt. Die wird aber längst nicht so groß wie einst geplant.
Die Entscheidung im Stadtrat fiel mit großer Mehrheit. Für den Satzungsbeschluss zum Bebauungsplan gab es nur vier Gegenstimmen, drei Stadträte enthielten sich. Die Fläche des Einkaufszentrums wird nicht verdoppelt, sondern um 20 Prozent größer. Mittlerweile geht es um 4.500 Quadratmeter zusätzliche Verkaufsfläche, die in erster Linie den Kaufland-Supermarkt betrifft. Der soll von bislang zwei Etagen auf eine Große verlegt werden. Über diesem Super-Super-Markt entsteht dann eine Fläche, die mit neuen Läden und Chillzonen gefüllt werden soll. In ersten Überlegungen waren weit mehr Quadratmeter im Gespräch, so stand anfangs eine Verdopplung der Verkaufsfläche zur Diskussion.
Baubeginn nicht vor dem Frühsommer 2024
Wann der Um- und Ausbau beginnt, ist noch unklar. Denn parallel zum Bebauungsplan muss der Flächennutzungsplan geändert werden. Das Verfahren läuft. Erst wenn das abgeschlossen ist, könne über das eigentliche Bauen nachgedacht werden, sagte der Geschäftsführer der CMC Center Management GmbH, Andreas Uhlig, MDR THÜRINGEN. Sein Unternehmen verwaltet Immobilien für die Krieger-Investorengruppe und damit auch den "Thüringen Park". Da das Erfurter Projekt so lange gedauert hat, habe man inzwischen andere Baustellen vorgezogen. Mit einem Baubeginn für die Erweiterung des "Thüringen Parks" rechnet Uhlig nicht vor Mai/Juni 2024.
Flächen-Poker um Grundstücke am Bahnhof
Das Thema ist mit dem Stadtratsbeschluss vom Sommer diesen Jahres noch nicht ganz vom Tisch. Die Stadtverwaltung erklärte auf MDR THÜRINGEN-Anfrage: "Einleitend ist darauf hinzuweisen, dass die Erweiterung des "Thüringen Parks" stets ein politisches Thema war, das nicht von der Stadtverwaltung vorangetrieben wurde". Knackpunkt war stets, dass die Krieger-Unternehmensgruppe als Eigentümerin einer Fläche an der ICE-Trasse - der sogenannten ICE-City-West - gepokert hatte. Das Spiel ging ungefähr so: Ihr stimmt der Erweiterung des Thüringen Parks zu - und ich überlasse Euch das Filetstück im Bahnhofsviertel.
Die Landesentwicklungsgesellschaft (LEG) will die hochattraktive Brache mit den Erfurtern gemeinsam entwickeln. Neben Wohnungen könnten die teilweise denkmalgeschützten Hallen zu Markthallen umgebaut werden. Die LEG hat im Dezember 2015 einen Kaufvertrag mit der Krieger-Gruppe zum Erwerb der Flächen des Bahnhallen-Quartiers geschlossen. Ein Jahr später hatte die Krieger-Investorengruppe das zentrumsnahe Gelände an die LEG unter dem Vorbehalt verkauft, den "Thüringen Park" im Norden der Stadt erweitern zu dürfen.
Deutlich weniger zusätzliche Verkaufsfläche
In 20 Jahren - so lange dauert die Debatte um einen größeren "Thüringen Park" schon - hat sich das Rad der Zeit weitergedreht. Flächen neu zu versiegeln, steht auf dem Index, immer mehr Menschen shoppen online, in der Erfurter Innenstadt stehen aktuell fast 20 Geschäfte leer. Dennoch hält die LEG die Erweiterung des "Thüringen Parks" weiterhin für sinnvoll. Sprecher Holger Wiemers sagte MDR THÜRINGEN, der stationäre Handel, wie es ihn im "Thüringen Park" gibt, müsse gestärkt werden. Mit dem jetzt gefundenen Kompromiss kann die Industrie- und Handelskammer (IHK) Erfurt nach eigenen Angaben leben.
Die ursprünglich geplante Verdopplung der Verkaufsfläche war von der IHK mit Blick auf die Läden in der Altstadt stets abgelehnt worden. Die Entscheidung, den "Thüringen Park" zu erweitern, habe allerdings der Investor getroffen, heißt es. Aus Sicht der IHK sind keine zusätzlichen Verkaufsflächen notwendig. Der Bestand sei ausreichend, sagte IHK-Sprecher Markus Becherer MDR THÜRINGEN. Perspektivisch würde wegen des massiven Strukturwandels in der Branche mit Online-Handel und verändertem Kaufverhalten eher weniger statt mehr Verkaufsfläche benötigt. Laut IHK ist es wichtiger, den Bestand insbesondere in der Innenstadt zu erhalten. Allerdings würden im Zuge der Thüringen Park-Erweiterung keine Großflächen zusätzlich versiegelt, es gehe lediglich um eine Modernisierung und Erweiterung einer Bestandsfläche.
Pro und Kontra bleibt
Obwohl es im Stadtrat im Juni eine klare Ja-Entscheidung für das größere Einkaufszentrum am Stadtrand gegeben hat, schwenken nicht alle fröhlich ihre Shoppingtüten. Von Anfang an dagegen waren die Grünen. Laura Wahl vom Bündnis 90/Die Grünen teilte MDR THÜRINGEN mit: "Grund für unser Nein war neben der Versiegelung von Flächen auch das Erfurter Einzelhandelsgutachten. Dieses besagt, dass mit der Erweiterung teils beträchtliche Summen an Kaufkraft in einzelnen Branchen aus der Innenstadt in den erweiterten "Thüringen Park" abfließen werden. Im Bekleidungssortiment wird mit bis zu 10,2 Millionen Euro gerechnet. In Zeiten des Artenschwunds und der Klimakrise darf außerdem die Natur nicht länger einfach zubetoniert werden."
Die Fraktion Mehrwertstadt hat keine einheitliche Position. Es gibt Mitglieder, die die Erweiterung klar ablehnen. Fraktionsvorsitzender Sebastian Perdelwitz sagte, er gehöre zu jenen, die bereit waren, die "Kröte zu schlucken". Damit meint er den Flächendeal mit der Krieger-Gruppe. Die CDU hält "die maßvolle Erweiterung um 20 Prozent der Verkaufsfläche für eine wichtige Entscheidung für den Erfurter Norden". Ein zeitgemäßes Einkaufen müsse auch dort möglich sein, wenn die Stadt die Wohngebiete im Norden langfristig stärken wolle, so Dominik Kordon, baupolitischer Sprecher der CDU. "Klar ist auch, dass die weitere Entwicklung der ICE-City in den nächsten Jahren ein Kernthema in Erfurt sein wird. Wenn es nach der positiven Entscheidung zum "Thüringen Park" auch hier vorangeht, kann Erfurt endlich im großen Stil vom ICE-Knotenpunkt profitieren."
Ausgleichsflächen im Ortsteil Waltersleben
Die Linke sieht nach eigenen Angaben keinen erkennbaren Bedarf für einen Ausbau des Standortes. "Dem Investor ist es aber geschickt gelungen, die Erweiterung des "Thüringen Parks" mit der stadtpolitisch bedeutsamen Investition im Bahnhofsquartier, der sogenannten ICE-City West, zu verknüpfen", heißt es. SPD-Fraktionsvorsitzender Frank Warnecke sagte, dass der "Thüringen Park" für die Grundversorgung im Norden - beispielsweise für den Moskauer Platz, Marbach oder Salomonsborn - von großer Bedeutung sei. "Darüber hinaus entfaltet er als attraktives und gut zu erreichendes Einkaufszentrum an der B4 und an der Autobahn 71 eine überregionale Strahl- und Anziehungskraft." Die Stadtverwaltung habe einen 62-seitigen Umweltbericht vorgelegt. Darin heißt es unter anderem, dass für die versiegelten Flächen Ausgleichsflächen in Waltersleben gefunden würden. So würden auch mindestens 54 Bäume als Ausgleichspflanzung gesetzt.
Die AfD-Fraktion im Erfurter Stadtrat steht eigenen Angaben nach dem Projekt offen gegenüber. "Für uns war die Zustimmung nicht mit irgendeinem anderen städtischen Projekt verknüpft." Das Einkaufscenter unmittelbar am Rand der Stadt stelle bei Weitem keine so große Konkurrenz für die innerstädtischen Geschäfte dar wie der seit Jahren zunehmende Internethandel.
Ein klares Ja kommt auch von der FDP. "Wir begrüßen das Bauvorhaben ausdrücklich, da auch nach 20 Jahren immer noch Bedarf an Erweiterung und Veränderung besteht. Mit dem Erweiterungsbau wird ein Missstand in der Fläche des Einzelhandelsunternehmens Kaufland beseitigt", teilte die Fraktion mit. Der Supermarkt auf zwei Ebenen sei für Kunden unattraktiv und aufwendig. Gut findet die FDP auch das künftige Angebot der Kinderbetreuung vor Ort für die Zeit des Einkaufs. In Zeiten des Wettbewerbs vor allem mit dem Onlinehandel sei es wichtig, den Kunden ein attraktives und wettbewerbsfähiges Handelskonzept zu bieten.
MDR (uka)
Dieses Thema im Programm: MDR THÜRINGEN - Das Radio | Nachrichten | 09. September 2023 | 07:30 Uhr
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