Wallfahrt auf dem Erfurter Domplatz Bischof Neymeyr erschüttert über Ausmaß des Missbrauchs durch Priester
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09. April 2013, 09:29 Uhr
Vor 3.000 Wallfahrern predigte Erfurter Bischof Neymeyr am Sonntag über die Notwendigkeit einer kritischen Sicht auf die Strukturen der katholischen Kirche. Außerdem erinnerte er die Menschen an Toleranz und Nächstenliebe. Er sagte, in der Kirche sei kein Platz für Nationalismus und Rassismus.
Bei seiner Predigt zur Erfurter Bistumswallfahrt auf dem Domplatz hat Erfurter Bischof Ulrich Neymeyr den tausendfachen Kindesmissbrauch in der katholischen Kirche scharf kritisiert und Konsequenzen gefordert. In seiner Ansprache reagierte er erschüttert auf die jüngste Studie mit Zahlen zu dem jahrelangen Missbrauch durch Priester. Neymeyr sagte, tausende von Kindern und Jugendlichen seien davon betroffen gewesen. Bischöfe und andere Verantwortliche hätten den Betroffenen oft nicht geglaubt und damit ihr Leiden vervielfacht. Notwendig seien jetzt Hilfe für die Betroffenen, eine kritische Sicht auf die "Strukturen und Mentalitäten" in der katholischen Kirche und wirkungsvolle Prävention. "Das schulden wir den Betroffenen und dafür setze ich mich ein", so der Bischof. Außerdem wehrte er sich gegen den Vorwurf, die katholische Kirche versuche Details des Missbrauchsskandals zu vertuschen.
Wir Bischöfe wollten nichts geheim halten. Im Gegenteil: Wir wollen wissen, was in den Jahren zwischen 1946 und 2014 geschehen ist.
Am Mittwoch waren erste Ergebnisse einer Studie über sexuellen Missbrauch von Minderjährigen durch Geistliche bekannt geworden. Demnach gab es in den vergangenen Jahrzehnten in Deutschland fast 3.700 Betroffene. Offiziell soll die Studie erst am 25. September vorgestellt werden.
"Monat der Weltmission" auch auf dem Erfurter Domplatz eröffnet
Der Gottesdienst auf dem Domplatz bildet den Auftakt für die Spendenaktion des Internationalen Katholischen Hilfswerkes "Missio". Der Fokus richtet sich diesmal auf Äthiopien. Bischof Neymeyr sagte, dass Christen und die Kirche den Menschen angesichts weltweiter Migration Heimat geben müssten.
Die Kirche ist eine weltumspannende Organisation, in der für Nationalismus und Rassismus kein Platz ist
Der Präsident von "Missio", Klaus Krämer, erklärte, die Kirche in Äthiopien zeige beispielhaft, wie Christen in Afrika, Asien und Ozeanien durch nachhaltige Bildungsarbeit, Einsatz für Flüchtlinge und soziales Engagement "an der Seite der Armen und Benachteiligten" stehe. Der äthiopische Kardinal Berhaneyesus Demerew Souraphiel äußerte auf dem Domplatz die Hoffnung, dass das wechselseitige Verständnis für Menschen auf der Flucht wachse. Er sei zuversichtlich, "dass die 'Missio'-Kampagne die bestehenden engen Beziehungen zwischen der katholischen Kirche in Deutschland und Äthiopien stärken wird".
Minderheitensituation in Ostdeutschland
Bischof Neymeyr hob hervor, dass die Minderheitensituation der Kirche in Ostdeutschland besonders sensibel für die Mitchristen in aller Welt mache.
Wir hier im Osten Deutschlands sind uns bewusst, dass wir mit vielen Menschen zusammen leben, für die Religion keine Bedeutung hat. In Thüringen sind dies etwa 70 Prozent unserer Mitmenschen. Dies macht uns besonders sensibel für unsere Mitchristen in aller Welt, die ihren Glauben nicht wie wir frei ausleben und anderen anbieten könnten.
Außerdem erinnerte er an die sozialistische Diktatur in den Jahren 1974 bis 1991 in Äthiopien. Dennoch habe die römisch-katholische Kirche, der weniger als ein Prozent der Bevölkerung angehört, ein hohes Ansehen in der Gesellschaft, sagt Neymeyr. In politisch unruhigen Zeiten setze sie sich in verschiedenen Gegenden umfassend für die Lösung von Konflikten ein.
Messe mit Bischof Neymeyr und äthiopischen Gästen
Der Wallfahrtstag begann mit der Feier der Heiligen Messe auf den Domstufen und dem Domplatz. Neben Bischhof Neymeyr nahmen 15 Bischöfe sowie Priester, Ordensangehörige und Laienchristen aus Äthiopien teil. In dem Land gibt es eine lange christliche Tradition. Dennoch gibt es in Äthiopien nur sehr wenige Katholiken, die sich laut Bistum aber sehr gesellschaftlich engagieren.
Spendenlauf bringt rund 7.000 Euro für soziale Zwecke
Nach der Wallfahrtsmesse wurde auf dem Domberg, Domplatz und in der näheren Umgebung gefeiert. Zum Programm gehörten ein Spendenlauf sowie eine "Schuhputzaktion" mit Bischof Ulrich Neymeyr und Caritasdirektor Wolfgang Langer. Beim Spendenlauf mit mehr als 250 Teilnehmern kam ein Betrag von rund 7.000 Euro zusammen. Innerhalb einer Stunde legten die Teilnehmer dafür eine Gesamtstrecke von 1.310 Kilometern zurück. Das so erlaufene Geld kommt zu 30 Prozent der Behindertenarbeit der Thüringer Caritas zugute, 70 Prozent sind für Flüchtlingsprojekte in Äthiopien bestimmt. Für Musik sorgte zum Beispiel die Banda Internationale. Im "Missio"-Zelt auf dem Domplatz wurde eine original äthiopische Kaffeezeremonie vorgeführt. Der "Missio"-Truck informierte über Fluchtursachen und die Situation von Geflüchteten.
Stichwort: Missio
"Missio" ist Teil eines Netzwerkes von mehr als 100 katholischen Hilfswerken weltweit, die im Auftrag von Papst Franziskus die Kirche in Afrika, Asien, dem Nahen Osten und Ozeanien unterstützen. Diese Päpstlichen Missionswerke richten jährlich den Weltmissionssonntag aus. Sie sammeln dann in mehr als 100 Ländern am dritten oder vierten Sonntag im Oktober Geld für die Seelsorge und soziale Arbeit der Kirche in den ärmsten Regionen der Welt. 2017 erbrachte die Kollekte zum Weltmissionssonntag weltweit mehr als 82 Millionen Euro.
Vor jedem Weltmissionssonntag lädt Missio in Deutschland Gäste der Kirche aus Afrika, Asien oder Ozeanien ein. In diesem Jahr kommen sie aus Äthiopien. Sie stellen dann auf rund 250 Veranstaltungen in Deutschland vier bis fünf Wochen lang ihre Arbeit vor - deshalb heißt dieser Zeitraum vor dem Weltmissionssonntag Monat der Weltmission.
In Deutschland organisiert das Internationale Katholische Missionswerk Missio mit den Standorten Aachen und München die Aktion zum Weltmissionssonntag.
Dieses Thema im Programm: MDR THÜRINGEN - Das Radio | Nachrichten | 16. September 2018 | 13:00 Uhr