
Wort zum Tag Augenblick mal
Hauptinhalt
28. März 2025, 05:00 Uhr
Täglich um 6:20 Uhr und um 9:20 Uhr hören Sie bei MDR THÜRINGEN - Das Radio "Augenblick mal", das Wort zum Tag. In dieser Woche spricht es Ramón Seliger von der Diakonie in Weimar.
Freitag, 28. März: Segen
Für Karin war es Neuland. Noch nie zuvor hatte sie einen Segen zugesprochen bekommen. Vor einem Vierteljahr hatte sie die neue Arbeit bei der Diakonie begonnen. In einem Pflegeheim als Hauswirtschaftskraft. Die Arbeit, die Kollegen - alles war soweit gut angelaufen. Dann kam die Einladung zum Mitarbeiterbegrüßungstag. Was würde sie da erwarten?
Es wurde ein schöner Tag. Das Essen war lecker, die Gespräche waren gut. Es war eine besondere Gemeinschaft zu spüren. Dann kam am Ende des Tages etwas Besonderes. Jede Mitarbeiterin und jeder Mitarbeiter wurde für den Dienst gesegnet.
Ein Moment Stille, ein kurzes Wort und ein Lächeln. Für Karin war da etwas Außergewöhnliches zu spüren. Etwas, dass sie sich bis heute bewahrt. Und dass sie trägt.
Für Karin ist das ein wohliges Gefühl, wie ein Kribbeln im Bauch. Segnen heißt: "etwas Gutes sagen". Der Segen stellt einen Menschen in einen neuen Horizont, den Horizont Gottes. Sorgen werden klein, und Menschen wachsen über sich hinaus. Der Segen durchbricht den Kreislauf von Hassreden und übler Nachrede.
Gott segne dich, Karin. Für alles, was Du den Menschen Gutes tust. Und Gott segne Sie, genau da, wo Sie heute einem Menschen begegnen. Wo sie Gutes tun können. Das kleine Lächeln, die aufmunternden Worte. Die Umarmung. Gott segne Sie heute für diesen Tag!
Sagt Ramón Seliger, Diakonie, Weimar.
Donnnerstag, 27. März: Schmuddelkinder
Schon jetzt hat das Lied für Wellen gesorgt. In der letzten Woche hat die Band "Feine Sahne Fischfilet" einen weiteren Song von ihrer neuen Platte präsentiert. Und damit für Debatten gesorgt. In den Sozialen Netzwerken wurde heftig kommentiert. Darf man das?
Das Brisante an dem Lied: "Feine Sahne Fischfilet" hat das Lied zusammen mit "Finch" aufgenommen, einem Rapper, dem immer wieder Kontakte zur rechten Szene vorgeworfen werden. Und auf der anderen Seite "Feine Sahne Fischfilet", eine linke Punkband, die immer wieder gerade auch in der ostdeutschen Provinz Konzerte gegen rechts gibt.
Nun also ein gemeinsames Lied. Der Sänger der Band, Monchi, sagt dazu: "Es ist ein Song für das Streiten, für das Unterschiede Aushalten. Das Lied heißt: "Manchmal finde ich dich scheiße … so richtig scheiße geil."
Monchi bekennt offen: Noch vor ein paar Jahren hätten sie einen solchen Song wohl kaum gemacht. Aber jetzt, jetzt ist es an der Zeit. Monchi weiter: "In Zeiten, in denen alles nur schwarz und weiß scheint und einfache Antworten gefragt sind, denken wir, dass es Zeit für eine Nummer von Leuten ist, die auf den ersten Blick unterschiedlicher nicht sein könnten."
Im Lied heißt es: "Lass uns schaun, was uns verbindet und nicht, was uns trennt. Schau nicht auf die Fassade, nein, guck auf das Fundament." Es ist Zeit, das Gespräch auch über Grenzen hinweg zu suchen. Manchmal, sogar mit den Schmuddelkindern - wie es in dem Lied heißt.
Denn auch im Gegenüber begegnet mir Gott. Suchen wir das Gespräch - es ist an der Zeit! Sagt Ramón Seliger, Diakonie, Weimar.
Mittwoch, 26. März: "Menschen-schauen-aufeinander-Tag"
Heute ist ein besonderer Tag. Es ist Ihr Tag! Jedes Jahr am 26. März feiern die Menschen in den USA den "Erfinde-deinen-eigenen-Feiertag-Tag". Englisch: Make up your own Holiday Day.
Es liegt also heute an jeder und jedem von uns, was es zu feiern gibt. Vorschläge können gemacht werden. Vom "Iss-deine-Pizza-Falsch-rum-Tag" bis zum "Mach-dein-Mett-selber-Tag" - der 26. März hat viele Gesichter.
Apropos Gesichter: Ich hätte auch einen Vorschlag, den: Menschen-die-aufeinander-schauen-Tag. Ein Tag voller Geschichten, wo Menschen sich aufmerksam begegnen, sich gegenseitig helfen, Bedürfnisse von anderen wahrnehmen.
So wie letzten Sonntag. Ich hatte Gottesdienst im Klinikum in Weimar. Schon häufiger war mir da ein junger Mann begegnet. Am Sonntagmorgen geht er ins Klinikum und bietet Menschen dort Unterstützung, um den Gottesdienst in der Kapelle zu besuchen. Er schiebt den Rollstuhl, er reicht eine stützende Hand. Letzten Sonntag haben wir miteinander gesprochen. Ich wollte wissen, was ihn bewegt.
Er möchte gern helfen, und ihm würde der Gottesdienst gut tun. Davon wolle er gern auch anderen etwas ermöglichen. Es brauche doch Hoffnung und Zuversicht. Was soll denn werden, wenn der Mensch an nichts mehr glaubt. Gut so, denke ich und bin dankbar, dass es Menschen wie ihn gibt. Gott sei Dank!
Menschen-die-aufeinander-schauen, das wäre mein Angebot für diesen 26. März. Sagt Ramón Seliger, Diakonie, Weimar.
Dienstag, 25. März: Gold für ein Miteinander
Elisa ist eigentlich eher schüchtern, aber in der letzten Woche war alles anders. Elisa ist Schülerin, 15 Jahre alt. Und: Sie ist sportbegeistert. Ihre Leidenschaft für den Sport hat Elisa in der letzten Woche bis nach Turin geführt.
In Italien hat Elisa bei den Special Olympics Winterspielen unser Land vertreten. Auf der ganz großen Bühne, mit dem Adler auf der Brust. Gemeinsam ist sie mit dem Deutschen Team zur Eröffnungsfeier ins Stadion eingezogen. Das war ganz schön aufregend.
Ihre Bilanz ist beeindruckend. Dreimal Finale, drei Medaillen. Einmal Silber, zweimal Bronze. Schneeschuhlaufen ist ihre Disziplin. Wenn sie loslegt, ist sie kaum zu stoppen. Zu Hause in ihrer Schule, dem Johannes-Landenberger-Förderzentrum in Weimar, sind sie mächtig stolz auf Elisa. Die ganze Schule hat mit ihr und ihrer Mitschülerin Vanessa mitgefiebert und ihnen die Daumen gedrückt. Am Bildschirm haben sie die Wettkämpfe verfolgt. Eine ganze Schule in Aufruhr. Gut so, denke ich!
Die Special Olympics sind die weltweit größte inklusive Sportveranstaltung. Menschen mit geistigen Beeinträchtigungen laufen zur Höchstform auf. Sie kämpfen um Medaillen – aber sie kämpfen auch um mehr. Es ist eine große Bühne für ein anderes Miteinander. Das Motto: Lass mich gewinnen. Aber wenn ich nicht gewinnen kann, lass mich mein Bestes geben.
Davon können wir alle etwas lernen. Es geht nicht nur ums Gewinnen. Es geht um ein Miteinander, das dem anderen Raum lässt. Danke, Elisa, für die Medaillen! Und Danke, dass wir von Dir etwas lernen können!
Sagt Ramón Seliger, Diakonie, Weimar.
Montag, 24. März: Zeugnisse mal anders
Am Abendbrottisch erzählt mir meine Tochter von einem Gespräch aus der Schule. Dort haben sie sich gegenseitig ihre Zeugnisse vorgelesen. Ich bin irritiert, dann aber auch neugierig. Das hätte es zu meiner Schulzeit wohl kaum gegeben. Da sind die Zeugnisse schnell im Ranzen verschwunden. Was hätte man sich auch vorlesen können. Außer Zensuren war da nichts zu lesen. Und die galt es eher zu verstecken.
Ich hake nach bei meiner Tochter. Sie erzählt mir: Bei einem Schulfreund würde im Zeugnis stehen: "Martin, du bist wunderbar gemacht. Und wenn Gott dich anders gewollt hätte, dann hätte er dich anders gemacht."
Ich staune. Und weiter steht da: "Fehler sind Helfer – nur anders buchstabiert. Nutze deine Helfer!" Dann wird genau aufgeführt, was Martin gut kann und wo er noch besser werden kann: Deutsch, Mathe, Sachkunde. Sozial-, Methoden- und Selbstkompetenz. Das volle Programm. Auf fünf DIN A4-Seiten. Ziemlich viel Arbeit. Eine ziemlich umfassend Wahrnehmung vom Kind und seiner Potentiale.
Ich bin beeindruckt. Das klingt ganz anders als die Zeugnisse zu meiner Zeit. Vielleicht braucht es doch nicht immer Noten. Es gibt wohl Alternativen. Wenn sogar Gott im Zeugnis Platz findet. Da ist Bildung mehr als nur Deutsch und Mathematik. Da geht es um Werte. Verantwortung. Und um einen Perspektivwechsel. Den brauchen wir!
Sagt Ramón Seliger, Diakonie, Weimar.
Sonntag, 23. März: Öffne meine Augen
Oma Lotti ist ein Star. 93 Jahre. Weiße Locken. Leuchtende Augen und ein strahlendes Lächeln. Dazu ein Schalk im Nacken und immer einen flotten Spruch auf den Lippen. Oma Lotti ist bekannt geworden durch ihren Pfleger. Rashid Hamid, 32 Jahre alt, Vollbart, gelernter Altenpfleger.
Seine Familie stammt aus Afghanistan. Inzwischen führt er seinen eigenen Pflegedienst in Hamburg. Über seinen Account pflege.smile erreicht der Pflege-Influencer Millionen Menschen. Rashid Hamid baut Brücken, er öffnet Menschen die Augen. Über das Leben im Alter, über die Pflege, über Menschen. Auf TikTok erzählt er ihre Geschichten.
Eine von ihnen ist Oma Lotti. Er begleitet sie im Alltag, sie feiern Geburtstag. Sie sprechen über das Alter, über die Erinnerungen an Hunger und Kälte, das Schwinden der Kräfte am Lebensende. Im letzten Sommer sind die beiden berühmt geworden:Im Dress der Deutschen Nationalmannschaft haben sie in Lottis Küche die Nominierung von Jonathan Tah für die Fußball-WM verkündet.
Am 10. März ist Oma Lotti verstorben. Rashid Hamid hat über ihren Tod gesprochen. Mehr als 6 Millionen haben das Video gesehen. Die Tränen in seinen Augen. Die stockende Stimme. Seine beste Freundin sei eingeschlafen. Es ist ein berührender Moment. Inmitten der Schnelllebigkeit und der Wutanfälligkeit der Sozialen Netzwerke. Die Zeit steht still. Damit uns die Augen aufgehen. Einen schönen Sonntag wünscht Ramón Seliger, Diakonie, Weimar.
Ramón Seliger
• 1983 in Greiz geboren und in Gera aufgewachsen
• Studium der Theologie in Jena, München, Princeton/USA und Lausanne/Schweiz
•
2018-2022 Pfarrer an der Stadtkirche St. Peter & Paul (Herderkirche) in Weimar
•
Seit 2022 Rektor und Geschäftsführer der Diakoniestiftung Weimar Bad Lobenstein
MDR
Dieses Thema im Programm: MDR THÜRINGEN - Das Radio | Johannes und der Morgenhahn | 28. März 2025 | 06:20 Uhr