
Wort zum Tag Augenblick mal
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18. April 2025, 06:20 Uhr
Täglich um 6:20 Uhr und um 9:20 Uhr hören Sie bei MDR THÜRINGEN - Das Radio "Augenblick mal", das Wort zum Tag. In dieser Woche spricht es Ralf-Uwe Beck von der evangelischen Kirche in Eisenach.
Samstag, 19. April: Karsamstag und die 104
Der Tag heute ist so ein Zwischending. Gestern Karfreitag, der Tag, an dem Jesus aufs Kreuz gelegt und ans Kreuz genagelt wurde. Und morgen Ostersonntag, der Tag, an dem Christen seine Auferstehung feiern. Ein Tag zwischen Tod und Auferstehung.
Ich habe mir gerade einen Dokumentarfilm in der ARD-Mediathek angeschaut: Er nimmt uns mit in eine solche Situation zwischen Tod und Auferstehung.
Gezeigt wird eine Rettungsaktion im Mittelmeer. Ein größeres Rettungsschiff erhält die Nachricht, dass ein Schlauchboot mit Flüchtlingen in Seenot ist, der Motor kaputt, es treibt auf dem Meer und lässt Luft. Es geht um Leben und Tod. Zu dem Rettungsschiff gehört ein kleines Schnellboot. Das wird losgeschickt, das Rettungsschiff kommt nach.
Eine Kameraeinstellung zeigt den Horizont, zeigt die Spitze des Schnellbootes und eine Frau aus dem Rettungsteam, die steht ganz vorn. Das Boot rast auf den Horizont zu. Dann, endlich ein Punkt, der größer wird, dann das Schlauchboot, die Menschen. Als die auszumachen sind, fängt die Frau in dem Rettungs-Schnellboot an zu winken. Sie winkt und winkt und winkt, während sich die Rettungscrew dem Schlauchboot nähert.
Was bedeutet dieses Winken für die Flüchtlinge auf dem Schlauchboot, die keine Schwimmwesten haben, kein Trinkwasser? Alles. Dieses Winken bedeutet alles: Auferstehung. Es ist wie das Winken aus einer anderen Welt. Es werden alle gerettet. Aber dann darf das Rettungsschiff erstmal in keinem Hafen anlegen. Einhundertvier Menschen. So heißt der Film: Einhundertvier. Er könnte auch heißen: Zwischen Tod und Auferstehung.
Ein gesegnetes Osterwochenende wünscht Ralf-Uwe Beck, evangelisch und aus Eisenach
Freitag, 18. April: Karfreitag
Karfreitag - der stille Feiertag. Es ist der Tag, an dem Jesus von Nazareth gekreuzigt wurde. Gedemütigt, misshandelt, hingerichtet. Ein qualvoller Tod, ein langes Sterben. Sieben Mal äußert sich Jesus vom Kreuz herab. "Vater vergib ihnen, denn sie wissen nicht, was sie tun", sagt er. Und am Ende: "Es ist vollbracht." Und dann ist da sein Schrei "Mein Gott, mein Gott, warum hast du mich verlassen?"
Wie viele Millionen Mal haben Menschen in ihrer Not dies schon geschrien oder gebetet. Und wie viele heute am Karfreitag. Wir könnten Fähnchen auf eine Landkarte stecken, wo die Gegenden sind, wo dieser Schrei am häufigsten gen Himmel geht, wo Leben heißt, ums Überleben zu kämpfen: der Sudan, das Mittelmeer, die Ukraine, der Gaza-Streifen … Menschen, die nichts mehr herausbringen als dieses: "Mein Gott, mein Gott, warum hast Du mich verlassen?"
Jesus am Kreuz sieht unter sich seine Mutter und daneben einen seiner Jünger. Er sieht, wie entsetzt und traurig sie sind. Da sagt er zu seiner Mutter: "Siehe, dein Sohn." Und zu dem Jünger: "Siehe, deine Mutter." - Er schweißt diese beiden Menschen zusammen, die zusehen müssen, wie er stirbt. Damit einer für den anderen da ist. Selbst im Angesicht des Todes knüpft Jesus am Netz des Lebens. Der Tod wird da nicht das letzte Worte haben, wo wir die Not anderer wahrnehmen und wahrhaben wollen, was sie ins Elend treibt. So bleiben auch wir auf der Seite des Lebens. Einen stillen Karfreitag wünscht Ralf-Uwe Beck, evangelisch und aus Eisenach.
Donnerstag, 17. April: Sisyphos
Die Geschichte von Sisyphos aus der griechischen Mythologie kennen Sie bestimmt: Der Ärmste wurde damit bestraft, einen riesigen Stein einen Berg hinaufzurollen. Kaum oben angelangt, rollt der Stein immer wieder runter.
Sisyphos muss also immer wieder von vorn anfangen. Deshalb nennen wir Arbeiten, die nie aufhören, Sisyphosarbeit. Eine solche Arbeit ist der Klimaschutz. Da müsste man doch eigentlich, da hätte man schon längst, da sollte endlich … viel mehr getan werden. Aber kaum wurde ein Stein bewegt, rollt er schon wieder bergab. Es ist zum Verzweifeln.
Dennoch ist da auch etwas Hoffnungsvolles: Sisyphos quält sich zwar immer wieder den Berg rauf, aber da ist ja noch der Weg nach unten. Der Stein rollt von allein, Sisyphos kann hinterherschlendern - und dabei nachdenken, über seine Lage. Und wenn er wieder ansetzt und den Stein nach oben rollt, darf er hoffen, dass es diesmal gelingt. Was wirklich tragisch ist an der Geschichte, ist gar nicht die Mühsal. Tragisch ist, dass er allein ist, dass er die Enttäuschungen allein aushalten, sich allein wieder aufraffen muss.
Wo immer jemand sich für Gottes Schöpfung einsetzt, für den Klimaschutz - also für regenerative Energien, ein Tempolimit oder etwas weniger Fleisch auf dem Teller - … wir dürfen sicher sein, ein ermutigendes Wort, ein Schulterklopfen kann er brauchen und wird ihm gut tun. Was nichts beiträgt, ist, ihn zu belächeln und zu meinen, das sei eh sinnlos. Klimaschutz kann gar nicht sinnlos sein, und wenn noch so oft der Stein wieder herunterrollt. Ralf-Uwe Beck, evangelisch und aus Eisenach.
Mittwoch, 16. April: Tänzer mit Blumen
Es passiert mir immer wieder, letztens erst: Ich ärgere mich und verliere die Contenance, ich kriege mich einfach nicht mehr ein und haue dem armen Menschen, der gerade mit mir telefoniert Dinge um die Ohren, die mir gerade massiv auf die Ketten gehen. Verbale Inkontinenz. Danach tut’s mir dann leid. Meistens.
Der Schriftsteller Max Frisch hat einmal - so ungefähr - notiert: Man soll dem anderen ja seine Meinung sagen, aber nicht wie einen Waschlappen ins Gesicht werfen, sondern sie wie einen Mantel hinhalten, sodass er hineinschlüpfen kann.
Ich hatte letztens einen Mann am Telefon, ich denke, so an die 70, aus Südthüringen. Er macht sich viele Gedanken und Sorgen um die Schöpfung, das Artensterben. Das bedrängt ihn. Und dann erzählt er mir, wie er das zum Thema macht: Er geht gern tanzen. Am Wochenende fährt er dann irgendwohin, wo eben getanzt werden kann. Und jetzt der Clou: Die letzte Tanzpartnerin bekommt von ihm immer einen Blumenstrauß.
"Häh", frage ich, "wie jetzt, lassen Sie die liefern?"
"Nein", sagt er, "ich habe die immer schon dabei, schön eingepackt."
Er überreicht also den Strauß und sagt immer dazu: "Das ist das Lächeln der Natur." Und dann spricht er davon, dass es schwieriger wird mit dem Lächeln der Natur.
Ja, denke ich, der hat es kapiert, so geht das mit dem Mantel, das ist Contenance: Haltung zeigen, aber zurückhaltend. Gleichmütigkeit, aber keine Gleichgültigkeit. Leidenschaft, die kein Leiden schafft.
Da werde ich mir mal eine Scheibe abschneiden, meint Ralf-Uwe Beck, evangelisch und aus Eisenach.
Dienstag, 15. April: Müntzer
Vor 500 Jahren sind in unserer Gegend Bauernhaufen unterwegs. Die hießen so, die raufen sich zusammen - gegen die feudale Ordnung, gegen die Fürsten.
Thomas Müntzer, Pfarrer in Mühlhausen, klagt an: " … unsere Herrn und Fürsten nehmen alle Kreaturen zum Eigentum: Die Fisch im Wasser, die Vögel in der Luft, das Gewächs auf Erden, alles muss ihrs sein. Die Herren machen selber, dass ihnen der arme Mann feind wird."
Auf Flugblättern kursieren zwölf Artikel, die in Memmingen geschrieben wurden. Es sind die Forderungen der Bauern, diktiert vom Hunger. Sie wenden sich gegen die Leibeigenschaft und wollen die Allmende, das Gemeindeeigentum an Wiesen und Wald zurück, um ihre Kinder satt zu kriegen. Aber interessant ist, der erste Artikel lautet: Sie wollen ihre Pfarrer selbst wählen.
Die Bauern wussten nicht nur um die herrschaftliche Macht, sondern auch um die Macht der Einflussnahme: Was wird von der Kanzel geredet? Wird uns eingeredet, es sei Gottes Wille, dass die Fürsten immer oben und wir unten sind? Was sollen wir wahrnehmen, was wollen wir wahrhaben? Die Fragen sind bis heute aktuell: Aus welcher Hand werden wir informiert, wer ist Herr der Algorithmen, wem gehören X und Facebook, wem die Satelliten? Gehört der Weltraum nicht auch zur Allmende?
Die Bauern waren damals klar im Kopf, deshalb hat man vielen den auch abgeschlagen. Die Gefahr besteht in einer Demokratie nicht. Nutzen wir das. Wenn nicht Größenwahnsinnige wie Musk und Zuckerberg bestimmen sollen, was zu denken ist, dann müssen sie vom Staat an die Kandare genommen werden. Es braucht Regeln und: Alternativen zu Facebook & Co. - auch vom Öffentlich-Rechtlichen Rundfunk, wünscht Ralf-Uwe Beck, evangelisch und aus Eisenach.
Montag, 14. April: Bewegt Euch!
Diese Woche noch. Am Samstag geht sie zu Ende, diese Fastenzeit, die überschrieben ist mit: Sieben Wochen ohne. Und das "ohne" meint nicht Stillstand, sondern Bewegung. Es geht darum, den inneren Schweinehund zu bewegen.
Wer rastet, der rostet.
Wer fastet, der nimmt ab.
Nicht unbedingt. Fasten bedeutet heute nicht mehr nur, auf Essen zu verzichten. Manche fasten Computerspiele oder fluchen weniger. Es gilt, zu überdenken, woran wir uns gewöhnt haben und was uns auf Dauer nicht gut bekommt - oder der Mitwelt oder der Umwelt. So rufen die Kirchen schon seit zehn Jahren zum Autofasten auf.
Wenn es so einfach wäre, verdammt. In der Stadt - kein Problem. Aber auf dem Land? Genau. Da fährt zu wenig Bus oder Bahn. Es fehlt am Taktverkehr. Da muss mehr Kohle her.
Dafür gibt es jetzt eine Petition an den Thüringer Landtag - mit der Forderung: Mehr Bus und Bahn im ländlichen Raum. Kommen 1.500 Unterschriften zusammen, gibt es eine Anhörung im Landtag. Dann kann der ländliche Raum mal Tacheles reden: Hey, wir sind abgehängt, hängt uns wieder an. Unterschreiben kann man übers Internet noch bis übermorgen. Einfach in die Suchmaschine eingeben: Petitionen und Thüringen. Dann findet man es und kann unterschreiben.
Es gibt ein paar Dinge, die fastet man einfach nicht, Demokratie zum Beispiel. Und Solidarität. Wenn wir die fasten, rosten sie.
Einen freundlichen Tag wünscht Ralf-Uwe Beck, evangelisch und aus Eisenach.
Sonntag, 13. April: Palmsonntag
Den Sonntag heute, eine Woche vor dem Osterfest, nennt man auch: Palmsonntag. In der Bibel wird erzählt, wie Jesus in Jerusalem einreitet. Er kommt als König. Aber Achtung, das ist jetzt nicht der Triumphzug mit Pferden, die sich den Weg freigaloppieren, es ist keine Garde um ihn herum mit Helmen und Lanzen, es gibt keine Sänften und keine Fanfaren. Alles ganz anders.
Jesus kommt auf einem Esel. Mit dabei die Jünger, die ziehen sich die Klamotten aus und legen sie vor ihm auf den Weg. Leute kommen und bringen Palmzweige, wedeln und winken und legen auch die auf den Weg. Und sie rufen "Hosianna", was so viel heißt wie "Hilf uns".
Es ist ein anderer König, der da anrückt, ein Friedenskönig. Der Esel ist das Tier der armen Leute, die Palmenzweige sind Symbol für den Sieg. Ein Sieg der Barmherzigkeit über die Ungerechtigkeit des Sanftmutes über die Gewalt.
So weit, so damals. Was würde passieren, wenn Jesus heute auf seinem Esel über den Roten Platz auf den Kreml zureiten würde - oder in Washington auf das Weiße Haus oder in Berlin aufs Kanzleramt? In Russland würden sie ihn in einen Gulag stecken, in den USA in einen Hochsicherheitstrakt und in Deutschland würde sich bestimmt jemand finden, der ihn als links-grünen Spinner beschimpft, egal ob da ein C im Parteinamen ist oder nicht. Schließlich käme da ein ganz anderer "Herrscher", einer, der nicht herrschen will, auf Teufel komm raus, sondern dafür werben würde, die Herrschaft zu beherrschen, sich zu beherrschen beim Herrschen.
Es braucht diesen christlichen Stachel, damit wer herrscht, auch an die Menschen denkt", findet Ralf-Uwe Beck, evangelisch und aus Eisenach.
Ralf-Uwe Beck
- geb. 1962
- Traktorist und Theologe
- arbeitet als Referatsleiter Presse- und Öffentlichkeitsarbeit im Landeskirchenamt der Evangelischen Kirche in Mitteldeutschland (EKM)
- politisch engagiert bei Mehr Demokratie e.V.
- verheiratet, drei Kinder, wohnt in Eisenach
MDR
Dieses Thema im Programm: MDR THÜRINGEN - Das Radio | Der Morgen | 18. April 2025 | 06:20 Uhr