Der Hausalarm und der Amok-Alarm in einer Schule.
Der Hausalarm und der Amok-Alarm am Staatlichen Gymnasium Wilhelm von Humboldt in Nordhausen. (Archivbild) Bildrechte: IMAGO / Funke Foto Services

Sicherheit Von Glocke bis Hightech: Wie Amok-Warnanlagen Thüringer Schulen sicherer machen sollen

07. Juli 2024, 12:33 Uhr

22 Jahre ist es her. Da hat am Erfurter Gutenberg-Gymnasium ein ehemaliger Schüler 16 Menschen und dann sich selbst erschossen. Damals gab es noch keine Amok-Warnung an Schulen oder gar ausgefeilte technische Warnsysteme. Wenn heute eine Schule saniert oder neu gebaut wird, werden auch immer Alarmierungs­anlagen mit eingebaut. Allerdings ist es in den seltensten Fällen die technisch große Variante.

MDR THÜRINGEN-Reporterin Antje Kirsten
Bildrechte: MDR/Daniela Dufft

Jeder Schüler, jeder Lehrer, jeder Mitarbeiter in einer Schule muss im Ernstfall in Sekundenschnelle alarmiert werden. Jede allgemeinbildende und berufsbildende Schule muss mit einer Alarmierungsanlage ausgestattet sein, heißt es aus dem Thüringer Bildungsministerium.

In den meisten Fällen ist es das doppelte oder dreifache Pausenklingeln oder eine Lautsprecherdurchsage, die vor Bränden oder einem angedrohten oder tatsächlichen Amokfall warnen.

Schulen können wählen, wie sie vor einem Amokfall warnen

Manche Schule nutzt extra noch eine Warn-App. Die teuerste Variante ist eine Amok-Anlage - eine sogenannte Not- und Gefahrenreaktionsanlage (NGAS). Die wurde beispielsweise vor zwei Jahren in eine Weimarer Schule eingebaut.

Und gegenwärtig gibt es an der Friedrich Ludwig Jahn-Schule in Kölleda in den Sommerferien große Bauarbeiten. Auch dort wird eine technisch komplexe Anlage eingebaut, wie das Landratsamt MDR THÜRINGEN mitteilt.

Notfall-Anlage technisch komplex

Das Komplettpaket bedeutet, dass in jedem Klassenraum, in jedem Fach­unterrichtsraum der Lehrer über ein Display am Lehrertisch Alarm auslösen kann und zwar per Zahlencode. Der läuft im Sekretariat auf. Wenn dort innerhalb von 60 Sekunden keiner reagiert, geht die Meldung direkt an die Polizei.

Das System ermöglicht auch, erklärt Winfried Speitkamp, Staatssekretär im Thüringer Bildungsministerium, dass sich Türen automatisch schließen. Jede Tür hat außen nur noch einen Knauf, damit sie im Notfall nicht geöffnet werden kann.

Warnsystem und Notfallplan verpflichtend für Schulen

Für ein derartiges Warnsystem gibt es aber keine gesetztliche Verpflichtung. Verpflichtend ist aber, dass jede allgemeinbildende und jede berufsbildende Schule ein Warnsystem hat, für den Ernstfall gewappnet ist und alle wissen, was dann in Sekundenschnelle zu tun ist.

Erfurter Schulen setzen auf akustischen Alarm

Auch in Erfurt, sagte Baudezernent Matthias Bärwolff MDR THÜRINGEN, haben alle sanierten Schulen ein eingebautes Warnsystem. Das Not- und Gefahren­reaktionssystem aber hat keine Erfurter Schule. Das System sei zwar bekannt, aber in der Anschaffung und auch im Betrieb sehr teuer und werde deshalb nicht eingebaut, so Bärwolff.

Die Stadt setzt stattdessen auf einen akustischen Amok-Alarm und Türen, die von Unbefugten nicht von außen geöffnet werden können. Zudem sind die Erfurter Schulen größtenteils mit Haus- und Krisenalarmanlagen oder ähnlichem ausgestattet. Alle Schulen haben die Möglichkeit im Ernstfall zu alarmieren, heißt es.

Einbau von Notfall-Anlagen braucht Gefahrenanalyse

Bei jedem Schulumbau, bei jeder Sanierung wird dann auch geprüft, inwieweit ein aufwendige NGAS-System notwendig ist. Die Gefahrenanalyse ist aufwendig und wird von Gutachtern und Sicherheitsexperten erstellt, die das Risiko bewerten. Viele Faktoren, wie Lage, soziales Umfeld und so weiter spielen da eine Rolle.

Auch eine normale Lautsprecheranlage funktioniert

Winfried Speitkamp Staatssekretär im Thüringer Bildungsministerium

"Auch eine normale Lautsprecheranlage funktioniert", sagt Winfried Speitkamp. Dem Ministerium liegen keine Daten vor wie viele Schulen, sich das große Amok-Warnsystem bislang angeschafft haben. Aber, sagt Speitkamp: "Jede Schule muss eine Alarmanlage haben, das schreibt auch die Bauaufsicht vor." Bei jeder Investition an einer Schule mit einem Volumen von über 2,5 Millionen Euro beziehungsweise beim Neubau einer Schule müssen moderne Amokwarnsysteme mit eingebaut werden.

Zahl der Amok-Drohungen in Thüringen hat zugenommen

Die Zahl der Amok-Drohungen ist in Thüringen gestiegen. Im Vorjahr wurden laut Ministerium 28 Drohungen registriert. In diesem Jahr waren es bisher schon 50. "Die Gefahr ist aber nicht größer geworden. Die Trittbrettbereitschaft ist gestiegen. Wir müssen gemeinsam für ruhiges, überlegtes Handeln sorgen - auch mit Notfallübungen", so Speitkamp.

Wir müssen gemeinsam für ruhiges, überlegtes Handeln sorgen - auch mit Notfallübungen

Winfried Speitkamp Staatssekretär im Thüringer Bildungsministerium

MDR (kir/jw)

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Dieses Thema im Programm: MDR THÜRINGEN - Das Radio | Nachrichten | 07. Juli 2024 | 08:00 Uhr

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