Korruptionsverfahren Ermittlungen gegen CDU-Landeschef Mario Voigt: Razzia in Brüssel
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04. April 2023, 21:54 Uhr
Belgische Ermittler und Beamte des Thüringer Landeskriminalamtes (LKA) haben am Dienstag die Zentrale der Europäischen Volkspartei (EVP) in Brüssel durchsucht. Nach MDR THÜRINGEN-Recherchen ging es um das laufende Korruptionsverfahren gegen den Thüringer CDU-Landes- und Fraktionsvorsitzenden Mario Voigt.
- Mario Voigt war 2019 Leiter der Digitalen Wahlkampagne für die Europäische Volkspartei (EVP) im Europa-Wahlkampf
- Gegen den CDU-Landeschef wird wegen Bestechlichkeit ermittelt
- Bereits im Oktober 2022 durchsuchten Ermitter Wohn- und Geschäftsräume von Voigt
Gegen 9 Uhr an diesem Dienstag sind die Fahnder der Belgischen Police Fédéral in Zivilfahrzeugen in der Rue du Commerce Nr. 10 vorgefahren. Ihr Ziel: die Parteizentrale der Europäischen Volkspartei (EVP) in Brüssel. Dem Machtzentrum einer der größten Fraktionen im Europaparlament mit ihrem Vorsitzenden Manfred Weber an der Spitze.
Dieser Manfred Weber soll es gewesen sein, der 2019 den damaligen Thüringer CDU-Landtagsabgeordneten Mario Voigt mit nach Brüssel holte. Es ging um den Wahlkampf der EVP für das Europäische Parlament und Weber brauchte einen Profi für eine Digitale Wahlkampagne der EVP im Internet. Voigt war offenbar sein Mann.
Voigts Tätigkeit für EVP-Wahlkampf im Fokus
Dieses inzwischen vier Jahre zurückliegende Brüsseler Engagement von Voigt, der inzwischen CDU-Landes- und Fraktionschef in Thüringen ist, hatte vor einem halben Jahr im fernen Erfurt für landespolitische Schlagzeilen gesorgt.
Denn seit September 2022 ermittelt die Korruptionsabteilung der Staatsanwaltschaft Erfurt gegen Voigt wegen des Verdachts der Bestechlichkeit im geschäftlichen Verkehr. Aus diesem Grund waren die belgischen Ermittler bei der Razzia in der EVP-Zentrale am Dienstag nicht alleine. Nach MDR THÜRINGEN-Informationen wurden sie von Korruptionsfahndern des Dezernates 63 Wirtschaftskriminalität im Thüringer Landeskriminalamt unterstützt.
Gemeinsam mit ihren belgischen Kollegen suchten sie nach Informationen und Dokumenten über Voigts Tätigkeit als Leiter der Digitalen Wahlkampagne im Europa-Wahlkampf 2019. Ein Sprecher der Staatsanwaltschaft Erfurt bestätigte MDR THÜRINGEN die Durchsuchung.
Rechtshilfe durch belgische Justiz
Nach Angaben des Sprechers wurde im Rahmen einer sogenannten Europäischen Ermittlungsanordung ein Durchsuchungsbeschluss des Amtsgerichts Erfurt umgesetzt. Dieser Beschluss sei bereits im Dezember 2022 vom Amtsgericht erlassen worden, so der Sprecher weiter.
In der Folge sei er über die Rechtshilfe an die belgische Justiz geschickt worden, mit der Bitte um Unterstützung in dem Fall. In Belgien selber wurde der Durchsuchungsantrag dann ebenfalls durch einen Untersuchungsrichter genehmigt.
Ermittlungen wegen Bestechlichkeit
Bei der Suche nach Dokumenten gehe es vor allem um die Vergabe eines Auftrages an eine Jenaer Internetagentur, so der Sprecher der Staatsanwaltschaft. Denn im Frühjahr 2019, im Zuge Voigts Engagement in Brüssel, soll diese Firma einen Auftrag von der EVP für den Internetwahlkampf zur EU-Wahl erhalten haben.
Die Staatsanwaltschaft geht dem Anfangsverdacht nach, dass Voigt Geld von genau diesem Unternehmen überwiesen bekommen haben soll, nachdem die Firma diesen Auftrag für den Internetwahlkampf von der EVP erhalten hatte. Daraus leitet die Staatsanwaltschaft den Vorwurf der Korruption gegen Voigt ab.
Bei der Razzia am Dienstag in Brüssel gingen die Ermittler nun der Frage nach, ob und wenn ja, wie Voigt an der Vergabe dieses Auftrages beteiligt gewesen sein könnte. "Wir suchen alles, was dazu dienen kann, die Tätigkeit des Beschuldigten bei der EVP rechtlich einzuordnen", heißt es von der Staatsanwaltschaft.
Voigt weist Vorwürfe zurück
Mario Voigt, für den die Unschuldsvermutung gilt, hatte diesen Vorwurf bisher immer zurückgewiesen. Zur aktuellen Durchsuchung teilten seine Strafverteidiger Nobert Scharf und Valentin Sitzmann auf Anfrage mit: "Ermittlungsmaßnahmen der Staatsanwaltschaft kommentiert die Verteidigung nicht."
Unser Mandant hat sich nichts zu Schulden kommen lassen.
Weiter heißt es, die Vorwürfe der Staatsanwaltschaft seien haltlos, sie hätten sich auch nicht verdichtet und würden sich als haltlos erweisen. "Unser Mandant hat die Vorwürfe bereits zu Beginn des Verfahrens ausführlich zurückgewiesen. Die Verteidigung kritisiert das Ermittlungsverfahren von Anfang an als unverhältnismäßig und überzogen; sie sieht den Anfangsverdacht nicht; er erscheint künstlich. Unser Mandant hat sich nichts zu Schulden kommen lassen."
Ermittlungen nicht gegen EVP
Nach Angaben der Staatsanwaltschaft richten sich die Ermittlungen bisher nicht gegen Mitarbeiter der EVP. Die Durchsuchung diene der Suche nach Beweisen im Verfahren gegen Voigt. Zudem wollen die Ermittler vor Ort in Brüssel mögliche Zeugen befragen.
Nach MDR THÜRINGEN-Recherchen soll es bei der Razzia am Dienstag auch um die Frage gegangen sein, wie lange Voigt überhaupt für die EVP tätig war und wie viel Geld er im Laufe dieser Zeit erhalten haben könnte. Die EVP teilte MDR THÜRINGEN auf Anfrage mit, dass sie in vollem Umfang mit den Behörden kooperiere, wollte sich aber zu dem Fall nicht weiter äußern.
Razzia bei Voigt im Oktober 2022
Der Thüringer Landtag hatte auf Antrag der Staatsanwaltschaft im September vergangenen Jahres Voigts Immunität aufgehoben. Mitte Oktober 2022 durchsuchten die Staatsanwaltschaft Erfurt und des LKA bei Voigt Wohn- und Geschäftsräume. Das Verfahren soll aufgrund von Hinweisen in Gang gekommen sein, die bei einer Razzia in dem Jenaer Unternehmen gefunden worden waren.
Diese Durchsuchung, die nichts mit den Ermittlungen gegen Voigt zu tun haben soll, stand im Zusammenhang mit Vorwürfen gegen den ehemaligen CDU-Bundestagsabgeordneten Mark Hauptmann. Das Verfahren der Thüringer Generalstaatsanwaltschaft gegen Hauptmann war im vergangenen Jahr eingestellt worden.
MDR (dvs)
Dieses Thema im Programm: MDR THÜRINGEN - Das Radio | Nachrichten | 04. April 2023 | 12:00 Uhr