70 Jahre Kriegsende in Thüringen Eisenach - Eine Stadt kapituliert
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Weiße Fahnen an der Wartburg
Seit 1944 erlebten die Eisenacher wiederholt alliierte Luftangriffe. Ziel war das Stadtzentrum, der Bahnhof und die Bayerischen Motorenwerke, die ein Rüstungsbetrieb waren. Bei Feindalarm versteckten sich die Bewohner in Haus- und Luftschutzkellern oder rannten in die Wälder und Bergbunker - manchmal bis zu dreimal täglich. In den letzten Kriegstagen verschlechterte sich die Situation für die Bevölkerung, die Wasserversorgung fiel aus, die Infrastruktur brach zusammen und Lebensmittelvorräte gingen zu neige. Vor den Geschäften bildeten sich lange Schlangen für ein wenig Brot, in Läden und Güterzügen gab es erste Plünderungen.
Noch Ende März riefen Oberbürgermeister Müller-Bowe und NSDAP-Kreisleiter Köhler zum Volkssturm. Jeder arbeitsfähige männliche und wbliche Deutsche sollte beim Bau von Verteidigungsmaßnahmen helfen. Kurz darauf setzten sich die NS-Funktionäre aus der Stadt ab. Dch die Lage war aussichtslos. Die Mehrheit der zusammengewürfelten Volksturmeinheiten war kampfesmüde. Wie Hauptmann Hans Galli berichtete, waren die Soldaten miserabel bewaffnet, nicht jeder besaß eine Maschinenpistole und nur wenige hatten Panzerfäuste. Entgegen seinem Eid, wies der Truppenführer seine Männer an, sich Richtung Friedrichroda abzusetzen. Ein riskantes, im Nachhinein jedoch lebensrettendes Kommando. Dennoch versuchten Wehrmachtssoldaten weiterhin Straßenbrücken über den Fluss Hörsel mit Sprengladungen zu versehen.
Im Westen der Stadt hatten sich amerikanische Truppen bei Herleshausen und Wartha mit schwerer Artillerie in Stellung gebracht. Dass Eisenach nur noch ein strategischer Nebenschauplatz des Krieges war, zeigte die 89. US-Infanteriedivision, die die Stadt über die Autobahn bereits passiert hatte und weiter Richtung Weimar vorstieß.
Flugblätter über der Stadt
Bereits seit März hatten amerikanische Flieger Flugblätter über der Stadt abgeworfen und die Kapitulation gefordert. Am 5. April fielen erneut Flugblätter vom Himmel, dieses Mal mit dem Ultimatum, Eisenach bis 19 Uhr zu übergeben, sonst drohten massive Luftangriffe. Verängstigte Bewohner versuchten die SS zu überzeugen, auf das Angebot einzugehen, doch Generaloberst Kesselring verweigerte die Kapitulation und ordnete bedingungslosen Widerstand an. Zwei amerikanische Parlamentäre, die am selben Tag mit weißer Fahne an ihrem Jeep ein Kapitulationsangebot unterbreiten wollten, ließ man erfolglos abziehen.
Und so brummten in der Nacht von 5. auf den 6. April schwere Bombenflugzeuge über Eisenach. Der heftige Angriff dauerte bis in die Morgenstunden. Viele Eisenacher, die genug vom Krieg hatten, begannen in ihren Häusern weiße Fahnen aus Bettlaken und Tischdecken zu nähen. In den frühen Morgenstunden, nachdem eine Granate in das Torhaus der Wartburg eingeschlagen war, wurde aus den Fenstern der Burg eine große weiße Fahne herabgelassen. Kurz darauf sah man auch über dem BMW-Werk, der Georgenkriche, dem Schloss und auf vielen weiteren Dächern der Stadt weiße Fahnen. Daraufhin zog die US-Armee am 6. April in die Stadt ein. Begleitet wurden sie von dem deutschen Kleinwarenhändler Franz Wagner, der den Amerikanern ganz allein entgegen gegangen war. Er führte sie anschließend zu Oberbürgermeister Lotz, der die Stadt offiziell übergab.
Damit war für Eisenach der Krieg vorbei. Durch die Bombardierungen starben in der Stadt 321 Menschen, bei Kriegsende waren 2000 Wohnungen zerstört. Auch viele historische Gebäude wie das Lutherhaus, das Bachhaus, das Alte Schloss, das Rathaus und das Landestheater waren schwer getroffen worden. Die Amerikaner bezogen in der Stadt Quartier. Viele Bewohner berichten von einem guten Verhältnis zu den fremden Soldaten, das durch großzügige Lebensmittel-Gaben verstärkt war.
Buchtipp
Das Ende des Krieges.
Eisenach im April 1945.
von Reinhold Brunner
in Wartburgland Geschichte, Heft 5
Eisenacher Geschichtsverein
Dieses Thema im Programm: MDR THÜRINGEN - Das Radio | Fazit vom Tag | 01. April 2020 | 18:00 Uhr