Zwei Männer stehen zwischen abgesägten Baumstämmen.
Die Sägeindustrie verlangt Schadenersatz in Millionenhöhe. Das Land soll sich einen unrechtmäßigen Wettbewerbsvorteil verschafft haben. (Symbolbild) Bildrechte: IMAGO / photo2000

Gerichtsprozess Warum die Sägeindustrie das Land Thüringen verklagt hat

30. Januar 2023, 06:55 Uhr

Ende April soll vor dem Erfurter Landgericht ein vielbeachteter Schadenersatz-Prozess gegen das Land Thüringen starten. Es geht um die Vermarktungspraxis der landeseigenen Forstanstalt beim sogenannten Rundholz, auch Nadelstammholz genannt. Die Forderung der Säger: 32 Millionen Euro.

Die Kläger werfen dem Freistaat vor, dass er nicht nur das Rundholz aus den eigenen Landeswäldern, sondern auch Rundholz aus Kommunal- und Privatwäldern zu gleichen Preisen vermarkten würde. Das würde den Wettbewerb zerstören und zu höheren Preisen führen.

Bereits vor Jahren hatte das Bundeskartellamt deswegen gegen Thüringen und auch andere Bundesländer mit einer vergleichbaren Vermarktungspraxis ermittelt. Mit der Bündelung des Rundholzes aus den Kommunal- und Privatwäldern mit dem aus dem Staatswald entstehe ein Angebot, das einen erheblichen Einfluss auf die Preise mit sich bringt. Am Ende stand eine Selbstverpflichtung der betroffenen Bundesländer, darunter Thüringen, die wettbewerbliche Angebote bei der Holzvermarktung verbindlich vorsieht.

Kartellamt hatte gebündeltes Holz-Angebot untersagt

2015 untersagte dann das Bundeskartellamt die so gebündelte Holzvermarktung des Landesforstes in Baden-Württemberg. Ausgenommen wurden nur Kleinstflächen unter einer Größe von 100 Hektar. Anlass dafür: Das Land hatte seine Zusage zurückgezogen, die Rundholzvermarktung auf die vom Kartellamt geforderte Basis zu stellen.

Im Jahr 2018 endet die Vorgeschichte: Damals kippte der Bundesgerichtshof die Entscheidung des Bundeskartellamtes aus formalen Gründen.

Sägewerke klagen selbst auf Schadenersatz

Jetzt gehen die Sägewerke den Weg über private Schadensersatzansprüche. Dazu haben sie sogenannte Ausgleichgesellschaften gegründet, die die Bundesländer verklagen. Hinter diesen Ausgleichsgesellschaften steht der internationale und börsennotierte Prozessfinanzierer Burford Capital, der die Verfahrenskosten bestreitet und bei Erfolg Anspruch auf Teile des Schadenersatzes hat.

Prof. Rüdiger Lahme vertritt die Ausgleichsgesellschaft für die Sägeindustrie, die gegen das Land Thüringen klagt. Dass Burford die Verfahrenskosten bestreitet, sei nicht ungewöhnlich. Keiner der Säger hätte allein die finanziellen Mittel gehabt, gegen ein Bundesland anzutreten. Lahme spricht davon, dass die Kläger so eine "nachträgliche Rechtsschutzversicherung" in Anspruch nehmen.

Industrievertreter: Zehn Prozent Preisaufschlag für Säger

Laut Lahme haben die Wettbewerbs-Ökonomen der Ausgleichsgesellschaft einen Preisaufschlag beim Rundholz von etwa zehn Prozent durch die gebündelte Vermarktung der Landesforstgesellschaften ermittelt. Das führe zu erheblichen Nachteilen der Säger. Viele Unternehmen hätten Profitabilität eingebüßt, einige seien sogar in die Insolvenz gegangen.

Ein erster Prozesstermin Ende Januar vor dem Landgericht Erfurt wurde auf Ende April vertagt. Anlass dafür war vermutlich die Streitausrufung des Freistaats: 102 kommunale Waldbesitzer, 52 größere Waldbesitzer und 32 Waldgenossenschaften im Freistaat bekommen demnächst Post vom Landgericht. Darin befindet sich ein USB-Stick mit allen Unterlagen. Den Waldeigentümern wird damit angeboten, sich am Prozess auf der Seite des Freistaates zu beteiligen.

Land hält Klage für unbegründet und schreibt Waldbesitzer an

Staatssekretär Torsten Weil (Die Linke) aus dem Thüringer Ministerium für Infrastruktur und Landwirtschaft sagt, dass das Land dem Prozess gelassen entgegen sieht. Thüringen halte sich an die mit dem Bundeskartellamt getroffenen Vereinbarungen und vermarkte vor allem Holz der kleineren Betriebe. Deswegen halte das Land die Klage für unbegründet.

Nach Angaben des Waldbesitzerverbands für Thüringen gibt es im Freistaat schon jetzt genug Alternativen, um Holz über forstwirtschaftliche Vereinigungen zu vermarkten. Verbandspräsident Matthias Pfannstiel nennt als Beispiele die forstwirtschaftliche Vereinigungen Nord-, Ostthüringen und Henneberger Land. Außerdem hätten die Waldbesitzer derzeit ganz andere Sorgen, als sich mit so einer Klage zu beschäftigen: "Wir haben in Thüringen seit 2018 Riesenprobleme in unseren Wäldern. Jeder Forst, Bedienstete, jeder Dienstleister, jeder Waldbesitzer ist einfach am Anschlag. Unsere Hauptaufgabe ist zurzeit, unsere tollen Wälder wieder schnellstmöglich aufzubauen."

Matthias Pfannstiel im Porträt
Matthias Pfannstiel, Präsident des Thüringer Waldbesitzerverbands. Bildrechte: MITTELDEUTSCHER RUNDFUNK

MDR (ls)

Dieses Thema im Programm: MDR THÜRINGEN | MDR THÜRINGEN JOURNAL | 26. Januar 2023 | 19:00 Uhr

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