Blick auf ein Wohngebiet zwischen Feldern
Fast 90 Prozent der Grundsteuererklärungen in Thüringen sind inzwischen beim Finanzamt eingereicht worden. Bildrechte: picture alliance/dpa/dpa-Zentralbild | Jan Woitas

Der Redakteur | 06.06.2023 Grundsteuer: Wie ist der Stand bei den Einsprüchen?

06. Juni 2023, 19:39 Uhr

Es ist ruhig geworden um den einstigen Aufreger Grundsteuer. Viele Bescheide sind rechtskräftig. Wer Widerspruch eingelegt hat, bei dem ist der Kontakt zum Finanzamt irgendwie auch eingeschlafen. Aber warum?

Thomas Becker
Bildrechte: MDR/Christoph Falkenhahn

Ende Mai waren in Thüringen exakt 1.088.417 Grundsteuer-Erklärungen bei den Finanzämtern eingegangen. Das sind die offiziellen Zahlen aus dem Finanzministerium. Da insgesamt 1,25 Millionen Erklärungen erwartet werden, laufen wir stramm auf die 90-Prozent-Quote zu.

Ein Schild "Finanzamt" an Unterlagen.
Über eine halbe Million Grundsteuerbescheide sind in Thüringen bereits verschickt worden. Bildrechte: IMAGO/Shotshop

Zehntausende Einsprüche bei Grundsteuer-Erklärungen in Thüringen

Circa 550.000 Erklärungen sind bereits abschließend bearbeitet worden und entsprechende Bescheide ergangen. Erledigungsquote: circa 45 Prozent. Ebenfalls mit Stand 31. Mai 2023 haben die Thüringer Finanzämter rund 67.000 Einsprüche erhalten. Aus denen entwickelte sich häufig ein kleiner Schriftwechsel, der dann irgendwann endete.

Wann ist mein Einspruch abgelehnt?

Das "Codewort" lautet "Einspruchsentscheidung", sagt Daniela Karbe-Geßler vom Bund der Steuerzahler. Sollte das Finanzamt bisher nur mitgeteilt haben, dass es die vorgebrachten Argumente nicht teilt, läuft das Verfahren noch. Wenn es abgeschlossen ist und abgelehnt, bleibt nur noch der Klageweg.

Über diesem Schreiben müsste stehen: "Einspruchsentscheidung" und es muss eine Rechtsbehelfsbelehrung enthalten. Wenn das so ist, kann man als Eigentümer nur noch klagen.

Daniela Karbe-Geßler Bund der Steuerzahler

In der Regel ist es aber so, dass die Einsprüche derzeit nur ruhen. Voraussetzung: Man hat seinen Einspruch mit verfassungsrechtlichen Bedenken begründet. Der Bund der Steuerzahler hat gemeinsam mit "Haus & Grund", dem Zentralverband der Deutschen Haus-, Wohnungs- und Grundeigentümer e.V., beim Verfassungsrechtler Dr. Gregor Kirchhof ein Gutachten in Auftrag gegeben. Herausgekommen sind zehn strittige Punkte, von denen zwei richtig hervorstechen. Einer ist der Bodenrichtwert.

Was ist beim Bodenrichtwert strittig?

Wie der Name schon sagt, ist der Bodenrichtwert ein Richtwert und keine amtliche Kenngröße. Es ist der Durchschnittswert für die Quadratmeterpreise innerhalb eines bestimmten Gebietes. Er wird regelmäßig vom zuständigen Gutachterausschuss für Grundstückswerte festgelegt.

Diese Ausschüsse bestehen aus Immobiliensachverständigen. Die gesetzliche Grundlage ist Paragraph 196 des Baugesetzbuchs, der den Bodenrichtwert als "durchschnittlichen Lagewert für den Boden" beschreibt und zwar bezogen auf ein konkretes oft relativ kleines Gebiet, das mitunter nur wenige Straßenzüge umfasst.

Wie hören auch aus den Gutachterausschüssen, dass sie dieses Verfahren, wie diese Werte zustande kommen, nicht als transparent und auch nicht als sehr richtig empfinden.

Daniela Karbe-Geßler Bund der Steuerzahler

Heraus kommen dann mitunter Zahlen, die die Betroffenen ratlos zurücklassen. Innerhalb weniger Meter unterscheiden sich die Bodenrichtwerte deutlich und es ist durchaus ein Unterschied, ob Faktor 50 oder Faktor 250 in eine Rechnung einfließt.

"Haus & Grund" arbeitet mit Beispielen aus Berlin, wo die begehrte Wohnlage Wannsee zum 1. Januar 2022 einen Bodenrichtwert von 1.500 hatte. In der weniger attraktiven Lage Neukölln sei der Wert gut doppelt so hoch gewesen, nämlich 3.200.

Die denkbare Begründung, dass hier mal einfach zwei unterschiedliche Gutachterausschüsse zu unterschiedlichen Ergebnissen gekommen sind, klingt etwas eigenartig, wenn diese Werte die Grundlage für eine amtliche Steuerberechnung werden sollen. Dann könnten wir die Steuersätze künftig auch auswürfeln.

Kann ich gegen den Bodenrichtwert Einspruch einlegen?

Nun wäre das alles nicht weiter tragisch, wenn man an irgendeiner Stelle den Finger heben könnte und sagen: Moment mal, der Bodenrichtwert ist für meine Wiese vielleicht doch etwas zu hoch gegriffen. Diese Stelle gibt es aber nicht.

Daniela Karbe-Geßler vom Bund der Steuerzahler empfiehlt in solchen Fällen, sich mit dem Finanzamt in Verbindung zu setzen und nachzuweisen, wie die Nutzung/der Wert des Grundstückes tatsächlich ist. Gerade in Randbereichen von Wohnsiedlungen kann das sehr bedeutsam sein, wenn ein Stück "Acker" quasi plötzlich den Bodenrichtwert der benachbarten Baugrundstücke hat. Ob das Finanzamt aber einlenkt, das bezweifelt Frau Karbe-Geßler.

Ich kann mir nicht vorstellen, dass es Ortstermine mit dem Finanzamt gibt, um festzustellen, ob das Grundstück jemals bebaubar ist oder nicht.

Daniela Karbe-Geßler Bund der Steuerzahler

Aus diesen und anderen Gründen wird die Nutzung der Bodenrichtwerte als Basis für die Berechnung der Grundsteuer als verfassungsrechtlich bedenklich eingestuft, gleichwohl sich eine Alternative auch nicht direkt aufdrängt.

Was ist mit den Mietniveau-Stufen und Mietpauschalen?

Neben den Bodenrichtwerten werden die sogenannten Mietpauschalen beziehungsweise Mietniveaustufen als Berechnungsgrundlage verwendet. Zunächst gelten die für die Bewertung von Wohnungen festgelegten Nettokaltmieten pauschal für ein ganzes Bundesland.

Allerdings berücksichtigen sie Faktoren wie die Lage (auf dem Land oder in der Stadt) oder die Infrastruktur nicht, das wird mit Hilfe der Mietniveaustufe korrigiert. Jede Gemeinde ist einer Mietniveau-Stufe zugeordnet. Am Ende gibt es einen Zuschlag oder Abschlag auf die pauschalen Werte der Netto-Kaltmiete.

Nur: Was bitte habe ich mit einem selbstgenutzten Einfamilienhaus mit der Netto-Kaltmiete zu tun? Der Kritikpunkt von Professor Kirchhof: Hier wird pauschal eine Miete angesetzt, unabhängig davon, ob diese überhaupt erzielt werden kann.

Es spielt dabei keine Rolle, ob ich diese Miete erziele, ob ich sie erzielen kann, ob sie zu hoch oder niedrig ist und wie das Objekt tatsächlich ausgestattet ist.

Daniela Karbe-Geßler Bund der Steuerzahler

Was mache ich, wenn ich Fehler oder mein Vermieter gemacht habe?

An diesem Punkt hat sich das Grundsteuergesetz nicht geändert. Wesentliche Fehler, die zu falschen Werten des Grundstücks und dessen Immobilie führen, können korrigiert werden. "Beliebt" ist die Kernsanierung, die viele fälschlicherweise angekreuzt haben, nur weil ihr Haus vor zwei Jahren neue Dachziegel bekommen hat oder neue Fenster.

Da gibt es die Möglichkeit, mit der Finanzverwaltung zu sprechen und das entsprechend zu korrigieren. Auch wenn der Bescheid rechtskräftig ist.

Daniela Karbe-Geßler Bund der Steuerzahler

Das bedeutet: Das ist außerhalb dieser Einspruchsdiskussion und unabhängig davon, ob die neue Grundsteuerermittlung nun verfassungswidrig ist oder nicht. Aber es müssen eben wesentliche Änderungen sein, zum Beispiel ein irrtümlich als Wohnfläche angegebenes Kellergeschoss.

Auch der Boden (nicht zum Wohnen ausgebaut), Garagen, Waschküchen, Trockenräume, Heizungsräume, Räume mit Raumhöhe von weniger als einem Meter oder bei Eigentumswohnungen Flächen, die gemeinschaftlich genutzt werden wie das Treppenhaus, müssen nicht angegeben werden, auch nicht als Nutzfläche. Ist das doch passiert, ist das Finanzamt der richtige Ansprechpartner.

Ist es nicht alles vielleicht doch ein bisschen kompliziert geraten?

Auch das ist ein Ansatz, bei dem der Bund der Steuerzahler und "Haus & Grund" auf ein Einschreiten des Bundesverfassungsgerichts hoffen. Das Bundesmodell hat eine ganze Reihe von Parametern in die Berechnungsformeln eingearbeitet, die kaum noch jemand versteht.

Rohbau eines Mehrfamilienhauses
Auch das Baujahr eines Hauses muss berücksichtigt werden. Bildrechte: IMAGO / Zoonar

So müssten im Rahmen der pauschalen Nettokaltmieten "die Gebäude-Art, Wohnflächen, Baujahr, Mietniveau-Stufen (und Abschläge hiervon), Bewirtschaftungskosten, Liegenschaftszinssatz, Restnutzungsdauer und der abgezinste Bodenwert berücksichtigt werden".

Vieles sei entweder kompliziert oder realitätsfern oder beides. Und alles zusammen führt zu Mitwirkungspflichten, die als Verletzung der Grundrechte gewertet werden könnten.

Spielzeughaus und Stempel liegen auf einem Grundriss
Die Grundsteuer ist eine wichtige Einnahmequelle der Kommunen. Bildrechte: IMAGO / serienlicht

Es warten nun alle mit Spannung darauf, was das Bundesverfassungsgericht am Ende daraus macht. Es hat ja den ganzen Zauber erst losgetreten. Dass wir um die Grundsteuer herumkommen, das ist ausgeschlossen. Das wäre auch dumm, es fließt in die Gemeinden, in denen wir selbst wohnen. Finanziert wird alles, was wir gern haben wollen. Von der Laterne bis zum Kindergarten.

Wir sind nicht grundsätzlich gegen die Grundsteuer, sondern gegen die Art der Bewertung im Bundesmodell, die wir für verfassungswidrig halten.

Daniela Karbe-Geßler Bund der Steuerzahler

MDR (mw/caf)

Dieses Thema im Programm: MDR THÜRINGEN - Das Radio | Ramm am Nachmittag | 06. Juni 2023 | 16:40 Uhr

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