Der Bürgermeister der Stadt Waltershausen und Präsident des Gemeinde und Städtebund Thüringen e.V., Michael Brychcy
Laut dem Präsidenten des Thüringer Gemeinde- und Städtebundes, Michael Brychcy, gibt es bei der Suche nach einer weiteren Erstaufnahmestelle ein "Wirrwarr". Bildrechte: IMAGO/Jacob Schröter

Flüchtlingspolitik Viele Thüringer Kommunen laut Gemeinde- und Städtebund finanziell am Limit

27. September 2023, 20:21 Uhr

Viele Thüringer Städte und Gemeinden sind nach Einschätzung des Gemeinde- und Städtebunds finanziell an ihrer Belastungsgrenze. Sie fordern mehr Einsatz in der Flüchtlingspolitik. Laut Präsident Michael Brychcy gibt es jährlich ein Tauziehen um die Höhe der Zahlungen des Landes an die Kommunen.

Der Thüringer Gemeinde- und Städtebund fordert von der Landesregierung mehr Einsatz in der Flüchtlingspolitik. Viele Städte und Gemeinden sind nach Einschätzung des Verbandes finanziell an der Belastungsgrenze. Das gelte auch bei der Unterbringung von Geflüchteten, sagte der Präsident des Thüringer Gemeinde- und Städtebundes, Michael Brychcy (CDU), bei einer Mitgliederversammlung am Mittwoch. Er verwies darauf, dass die Thüringer Städte und Gemeinden nach Studien bundesweit die zweitniedrigste Steuerkraft im Ländervergleich hätten.

Deshalb sei es enttäuschend für den Verband und viele Bürgermeister, dass es jährlich ein Tauziehen um die Höhe der Zahlungen des Landes an die Kommunen gebe, einschließlich der Finanzhilfen für die Unterbringung von Geflüchteten, sagte Brychcy.

"Wirrwarr" bei Suche nach Erstaufnahmestelle

Brychcy sagte, in der Erstaufnahmestelle in Suhl herrschten unhaltbare Zustände. Dort, aber auch in vielen anderen Gemeinden und Städten sei die Stimmung schlecht. Die Bürger fragten, wie es bei der Aufnahme der Flüchtlinge weitergehen solle.

Seinen Angaben nach gibt es zudem bei der Suche nach einer weiteren Erstaufnahmestelle - so wörtlich - ein Wirrwarr. Das Migrationsministerium habe zuerst erklärt, es könne landeseigene Unterkünfte als Puffer für die Aufnahme von Geflüchteten bereitstellen. Dann habe das Ministerium aber festgestellt, dass es dafür gar keine Gebäude habe, so Brychcy. Auch das vom Ministerium angekündigte Migrationsamt lasse weiter auf sich warten. Das Land habe daher bei der Flüchtlingspolitik noch viele Baustellen.

Brychcy forderte die rot-rot-grüne Koalition auf, bei kaum zu finanzierenden Projekten wie einem dritten beitragsfreien Kindergartenjahr deutlich zu machen, dass das derzeit nicht finanzierbar sei. Mehrere Bürgermeister kritisierten Bürokratie und einen "Papierkrieg", den viele Landesverwaltungen von den Kommunen verlangten.

320 Millionen Euro mehr für Kommunen in Haushaltsentwurf 2024

Ministerpräsident Bodo Ramelow (Linke) sagte, die Kommunen bekämen "Jahr für Jahr einfach kontinuierlich mehr Geld". Im Haushaltsentwurf der Regierung für 2024 seien es insgesamt 320 Millionen Euro mehr. Die Zahlungen des Landes an die Kommunen seien seit seinem Amtsantritt 2014 von 2,7 Milliarden Euro auf 4,6 Milliarden Euro gestiegen. Zudem hätten die Kommunen deutlich mehr Schulden abgebaut als das Land.

Brychcy erwiderte: "Ja, wir haben in den vergangenen Jahren mehr Geld bekommen." Aber die Kommunen hätten auch mehr Aufgaben vom Land übertragen bekommen und insgesamt mehr Ausgaben. Brychcy sprach von einem hohen Investitionsstau, der unter anderem die Digitalisierung behindere.

Ramelow: Positivbeispiel Digitalisierung im Eichsfeld

Ramelow verwies dagegen auf Beispiele wie das Eichsfeld, wo der Kreis die Digitalisierung für alle Gemeinden vorangetrieben habe - das Land habe das unterstützt. Der Regierungschef warb für mehr Zusammenarbeit von Land und Kommunen.

Das gelte bei der Digitalisierung, aber auch bei der Unterbringung von Geflüchteten oder dabei, schneller mehr Geflüchtete in Arbeit zu bringen. "Eine ausländerfeindliche Stimmung wäre für den Freistaat der Tod." Ramelow verwies darauf, dass in vielen Bereichen Arbeitskräfte fehlten. Zudem würde bis 2040 die Zahl der Menschen im erwerbsfähigen Alter in Thüringen um 24 Prozent sinken.

MDR (jn)/dpa

Dieses Thema im Programm: MDR THÜRINGEN - Das Radio | Nachrichten | 27. September 2023 | 20:00 Uhr

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