Überlastete Erstaufnahme Ministerium von Zahl neuer Flüchtlinge in Suhl überrascht - Stadt Erfurt kritisiert Land
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02. Oktober 2023, 21:45 Uhr
Seit Freitag gilt ein Aufnahmestopp für die überlastete Erstaufnahmestelle für Flüchtlinge in Suhl. Von dort wurden am Montag Menschen nach Erfurt gebracht, weitere sollen nach Nordhausen kommen. Darüberhinaus hat die Landesregierung die Standards für die Betreuung minderjähriger und unbegleiteter Flüchtlinge gesenkt.
Inhalt des Artikels:
- Neue Flüchtlinge kommen vor allem in kleineren Gruppen in Suhl an
- Land will weitere Erstaufnahme aufbauen - Ministerin verteidigt Aufnahmestopp
- Erfurt: Bausewein wirft Landesregierung Versagen vor
- CDU fordert Zentren für abgelehnte Asylbewerber
- Regeln für minderjährige unbegleitete Flüchtlinge gesenkt
- Ministerin: Pläne "Landesamt für Migration" schreiten voran
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Nach dem Aufnahmestopp für die stark überbelegte Suhler Erstaufnahme hat die Thüringer Migrationsministerin Ministerin Doreen Denstädt (Grüne) gegenüber MDR THÜRINGEN diesen Schritt verteidigt. Die Zahl der angekommenen Flüchtlinge in der vergangenen Woche habe ihr Ministerium überrascht.
Aus der überbelegten Landeserstaufnahmestelle für Flüchtlinge in Suhl sind am Montag 105 Menschen in eine Unterkunft nach Erfurt gebracht worden. Das sagte eine Sprecherin des Landesverwaltungsamts. Weitere 30 Menschen sollen nach Nordhausen gebracht werden.
Erstaufnahme in Suhl stark überlastet
Das Land hatte am Freitag den Aufnahmestopp für die Suhler Unterkunft verhängt: Mit Blick auf den Brandschutz ist dort eine Belegung von 1.400 Menschen erlaubt, allerdings hielten sich dort am Montag laut Denstädt zeitweise 1.693 Flüchtlinge auf. Als Grenze für den Regelbetrieb in Suhl galt bislang die Zahl von 800 Menschen.
Neue Flüchtlinge kommen vor allem in kleineren Gruppen in Suhl an
Diese Grenze könne nicht mehr eingehalten werden, hieß es vom Ministerium am Samstag. Neue Busse sind laut Ministerium in Suhl seit dem Aufnahmestopp nicht angekommen. Allerdings gebe es weiterhin Menschen, die selbstständig in kleineren Gruppen nach Suhl kämen, so das Landesverwaltungsamt. Ziel sei es weiterhin, die Menschen möglichst zeitnah auf die Kommunen zu verteilen, vorausgesetzt es gebe dort noch Platz, sagte die Sprecherin weiter.
Land will weitere Erstaufnahme aufbauen - Ministerin verteidigt Aufnahmestopp
Ministerin Denstädt zufolge reichten die Unterkünfte in den Erstaufnahmeeinrichtungen Hermsdorf und Eisenberg im Saale-Holzland-Kreis gegenwärtig noch aus, um die eigentliche Erstaufnahme in Suhl zu entlasten. In Hermsdorf sind nach Angaben des Ministeriums aktuell etwas über 400 Menschen untergebracht, möglich sind 800. In Eisenberg könnten derzeit noch weniger als 20 Flüchtlinge unterkommen. Verteilt würden die Menschen abhängig von Familienstand und den nötigen Gegebenheiten vor Ort, hieß es vom Landesverwaltungsamt. Dennoch sei eine weitere Einrichtung nötig. Darauf hätten sich die Verantwortlich bereits geeinigt. Neu ankommende Flüchtlinge werden zuerst in den Erstaufnahmeeinrichtungen des Landes registriert und aufgenommen. Danach sollen sie auf die Landkreise und kreisfreien Städte in Thüringen verteilt werden.
Erfurt: Bausewein wirft Landesregierung Versagen vor
Erfurts Oberbürgermeister Andreas Bausewein (SPD) warf der Thüringer Landesregierung am Montag Versagen in der Flüchtlingspolitik vor. Der Ernst der Lage werde nicht erkannt und die Kommunen würden nicht gehört, sagte der SPD-Politiker MDR THÜRINGEN. Der Freistaat habe es versäumt, weitere Erstaufnahmekapazitäten zu schaffen und sei damit bundesweit Schlusslicht. Seit Monaten sehe die Landesregierung dem Geschehen einfach nur zu. In Erfurt kamen die 105 neuen Flüchtlinge im Hotel am Flughafen unter. Das Gebäude ist für 300 Menschen ausgelegt und musste laut der Stadt vorzeitig in Betrieb genommen werden.
Beschlagnahme von Landesimmobilien wird geprüft
In Erfurt gibt es laut Bausewein keinerlei Möglichkeiten mehr, Flüchtlinge aufzunehmen. Er weigere sich, erneut Turnhallen dafür zu nutzen. Momentan lässt der OB rechtliche Möglichkeiten prüfen, um Landesimmobilien zu beschlagnahmen.
Auch die Landkreise schlagen zunehmend Alarm. Die Landrätin im Kreis Schmalkalden-Meiningen, Peggy Greiser (parteilos), hat unter anderem eine "Notbremse in der Migrationspolitik" gefordert. Laut Greiser sollte die Bundesregierung die Aufnahme von Flüchtlingen vorübergehend stoppen.
Bisher 11.000 Flüchtlinge in Thüringer Kommunen untergebracht
Nach Angaben des Landesverwaltungsamtes sind bisher in diesem Jahr schon 11.000 Flüchtlinge in den Thüringer Kommunen untergebracht worden. Mit bis zu 17.000 insgesamt rechnet das Land bis Jahresende. Sollten keine geeigneten Gebäude für eine weitere Erstaufnahme gefunden werden, müssten die Flüchtlinge laut Frank Roßner notfalls auch in Containern oder Zelten untergebracht werden.
CDU fordert Zentren für abgelehnte Asylbewerber
Zuvor hatte die Thüringer CDU-Landtagsfraktion mehrere landeseigene Rückführungszentren für abgelehnte Asylbewerber gefordert. Der migrationspolitische Sprecher der Fraktion, Stefan Schard, sagte, dorthin sollten final abgelehnte Asylbewerber umziehen müssen. Ziel sei es, die Kommunen zu entlasten und Abschiebungen zu beschleunigen (Informationen des BAMF zum Verfahren). Die Fraktion bringt damit einen neuen Begriff auf. In einigen Bundesländern wie Bayern gibt es sogenannte Anker-Zentren, wobei der Begriff aber für An(kunft), k(ommunale Verteilung), E(ntscheidung) und R(ückführung) innerhalb einer Einrichtung steht, also nicht nur für abgelehnte Asylbewerber. Darüber hinaus gibt es Einrichtungen für Ausreisegewahrsam und Abschiebehaft.
Solche Rückführungszentren könne das Land aus seiner Sicht effektiver bewirtschaften und finanzieren, auch wenn das alles insgesamt auch "Geld kosten würde". Asylbewerber sollten den CDU-Vorschlägen zufolge in den Zentren überwiegend Sachleistungen statt Bargeld erhalten.
Gleichzeitig fordert die CDU-Landtagsfraktion, dass Asylbewerber aus Herkunftsländern, deren Bewohner statistisch nur wenig Aussicht auf eine Asyl-Anerkennung haben, länger als derzeit in Erstaufnahmeeinrichtungen des Landes verbleiben und zunächst nicht in Kommunen verteilt werden. Die drei derzeit häufigsten Herkunftsländer sind nach einer Statistik des zuständigen Bundesamtes Syrien, Afghanistan und die Türkei. Auf sie entfallen demnach 59 Prozent der deutschlandweit 220.000 Asylanträge in den ersten acht Monaten des Jahres.
Nach früheren Angaben des Landes kamen 2021 rund 4.000 Asylsuchende in Thüringen an, 2022 waren es 6.200. Im ersten Halbjahr 2023 wurden demnach mehr als 3.900 Asylanträge neu gestellt. Im August kamen laut Landesverwaltungsamt 900 Asylsuchende und 200 Menschen aus der Ukraine. Thüringen werden nach dem sogenannten Königsteiner Schlüssel der Bundesländer rund 2,7 Prozent aller in Deutschland ankommenden Flüchtlinge zugeteilt.
Regeln für minderjährige unbegleitete Flüchtlinge gesenkt
Unterdessen hat die Landesregierung die Standards für die Betreuung minderjähriger unbegleiteter Flüchtlinge gesenkt. Nach Angaben des Bildungsministeriums können die Kommunen in den Unterkünften künftig mehr Geflüchtete als eigentlich erlaubt aufnehmen. Außerdem werden an das Betreuungspersonal weniger Ansprüche gestellt. Bisher mussten es ausgebildete Pädagogen sein. Die gesenkten Standards sollen vorerst für ein Jahr gelten. Nach Angaben von Ministerpräsident Bodo Ramelow (Linke) ist dieser Schritt nötig, weil die Jugendämter der Kommunen die jetzigen Standards nicht mehr erfüllen können. Die Zahl der unbegleiteten minderjährigen Flüchtlinge ist zuletzt auf 624 gestiegen.
Ministerin: Pläne "Landesamt für Migration" schreiten voran
Grünen-Politikerin Denstädt bezeichnete die Zusammenarbeit mit dem SPD-geführten Innenministerium bei der Suhler Erstaufnahme als "grundsätzlich gut", aber umständlich. Das Landesverwaltungsamt, das für die Verteilung von Flüchtlingen in Thüringen verantwortlich ist, untersteht Innenminister Georg Maier (SPD). Denstädt sagte, es dauere, bei ganz praktischen Fragen "über das Innenministerium zu gehen".
Die Pläne für ein eigenes "Landesamt für Migration" schreiten laut Ministerin Denstädt unterdessen voran. Das Vorhaben werde derzeit im zuständigen Ausschuss im Landtag beraten. Sie hoffe auf ein Ergebnis in der kommenden Woche. In der Behörde sollen Abteilungen im Bereich Migration gebündelt und dadurch Abläufe beschleunigt werden. Das Amt soll nach Plänen der Landesregierung dem Migrationsministerium unterstehen und ab Anfang 2024 startbereit sein.
Anmerkung der Redaktion: Wir haben den Artikel aufgrund der neuen Entwicklungen im Laufe des Tages mehrmals aktualisiert.
MDR (lou/kah/co)/dpa
Dieses Thema im Programm: MDR THÜRINGEN - Das Radio | Nachrichten | 02. Oktober 2023 | 12:00 Uhr
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