Verkehrswende Tausende neue Elektroautos in Thüringen: Hält das Ladenetz Schritt?
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07. Januar 2023, 13:24 Uhr
Wer ein Elektroauto fährt, kann mit einer herkömmlichen Tankstelle nichts anfangen. Allein 5.200 reine Batteriefahrzeuge sind bis Ende November in Thüringen zugelassen worden - 18 Prozent mehr als im Vergleichszeitraum ein Jahr zuvor. Hinzu kommen knapp 4.400 Plug-in-Hybride. Hält die Zahl der Ladesäulen im Land da Schritt?
Für Andreas Simon ist die Lage klar, er ist völlig zufrieden mit seinem Elektroauto. Der Jenaer rollt mit seinem elektrischen Hyundai mit einem leisen Piepsen rückwärts auf den Parkplatz auf dem Eichplatz im Jenaer Zentrum. Einige Parkplätze hier sind für E-Fahrzeuge reserviert, während des kostenpflichtigen Ladens kostet das Parken nichts.
Wie viel das Laden kostet? "Genau kann ich das gerade gar nicht sagen, aber ich schätze 50 bis 55 Cent pro Kilowattstunde." 13 Kilowattstunden verbrauche sein Fahrzeug auf 100 Kilometer, meistens sei er innerstädtisch unterwegs.
Mit 55 Cent komme er auf 7,15 Euro für den Strom, sparsame sechs Liter Diesel für 1,80 Euro wären bei mehr als zehn Euro. "Für mich ist das Verhältnis zu meinem bisherigen Diesel, den ich gefahren habe, super", sagt Simon. Laden sei im städtischen Raum überhaupt kein Problem, auch auf der Autobahn komme man meist gut zurecht. Nur auf dem Weg in Richtung Ostsee sei das Netz dünner geworden.
Thüringer Autohändler verkauft 2022 viele E-Antriebe
Das Ladenetz ist auch Thema im Autohaus. Rolf Fischer kennt sich aus, ist Senior-Chef eines der größten Thüringer Autohändler. Etwa 500 Mitarbeiter hat das Unternehmen an mehreren Standorten in Ostthüringen, unter anderem in Gera und Jena. Etwa 2.500 Fahrzeuge hat das Unternehmen im vergangenen Jahr verkauft, das Gros davon sind Marken des Volkswagen-Konzerns, unter anderem etwa 700 Autos der Kernmarke VW.
Die Nachfrage nach den elektrischen Modellen wäre höher.
"Und von denen waren 146 elektrisch", berichtet Fischer. Wobei davon erst die Hälfte ausgeliefert wurde, die Bestellzeiten können je nach Modell mehrere Monate bis zu einem Jahr betragen. "Zum Beispiel für den ID.Buzz." - einen vollelektrischen Kleinbus, von dem er 25 Stück verkaufen kann in diesem Jahr. "Die Nachfrage wäre aber höher."
Laden für Eigenheimbesitzer noch einfacher
Für Fischer ist klar: Wer ein E-Auto kauft, muss Klarheit haben, wie das mit dem Laden läuft. "Für unsere Verkäufer ist das ein wichtiger Aufwand, den Leuten das zu erklären." Und beispielweise herauszufinden, ob sie die Möglichkeit haben, eine Wallbox in Carport oder Garage zu installieren. "Wir haben da sogar einen Verbund mit einem Solarhersteller, der die Kunden berät, wenn eine Solaranlage aufs Dach kann."
Für Kunden mit Eigenheim sei das ideal. "Bei größeren Gebäuden mit mehreren Parteien ist das schon schwieriger." Noch deutlicher macht es Dietmar Hoffmann vom Kfz-Landesverband: "Wer im Roten Berg in Erfurt oder in Lobeda-West in Jena wohnt, für den ist Laden eine Herausforderung." Denn oft gibt es hier keine wohnortnahe eigene Garage - und wenig öffentliche Ladesäulen. Das sei auf dem Land leichter.
Stetiges aber langsames Wachstum bei alternativen Antrieben
In Thüringen sind im Jahr 2022 bis Ende November 5.200 reine Batteriefahrzeuge zugelassen worden. Das sind 18 Prozent mehr als im Vergleichszeitraum ein Jahr zuvor. Hinzu kommen knapp 4.400 Plug-in-Hybride. Damit sind momentan weniger als ein Prozent der Fahrzeuge mit einem elektrischen und weniger als drei Prozent mit einem hybriden Antrieb in Thüringen unterwegs.
1.384 öffentliche Ladepunkte, mehr als 10.000 private
Dem gegenüber stehen (Stand Ende Oktober 2022) 1.384 öffentliche Ladepunkte, davon 368 Schnell-Ladepunkte, etwa auf Autobahnen. 222 Punkte sind im vergangenen Jahr bis Oktober neu hinzugekommen, die meisten davon in Jena (21), im Wartburgkreis (20) und im Landkreis Schmalkalden-Meiningen (18) - die wenigsten in der kreisfreien Stadt Suhl (zwei), im Unstrut-Hainich-Kreis, im Kyffhäuserkreis, im Kreis Sömmerda und der kreisfreien Stadt Weimar (jeweils vier).
Die Dichte des Ladenetzes ist ebenfalls nicht einheitlich - und es gibt unterschiedlich viele E-Fahrzeuge in den Regionen. So kommt nach Daten der Thüringer Energie- und Greentech-Agentur (Thega) Gera auf 9,7 Fahrzeuge pro öffentlichem Ladepunkt, in Weimar hingegen sind es mehr als 30.
An Stellen mit hoher Auslastung ist natürlich weiterer Ausbau notwendig.
"An solchen Stellen ist natürlich weiterer Ausbau notwendig", sagt Rico Hofmann, Projektleiter Mobilitäts- und Energiekonzepte bei der Thega, die Kommunen und Unternehmen in solchen Fragen auch berät. Sinnvoll sei ein Verhältnis von 20 bis 23 Autos zu einem öffentlichen Ladepunkt. Mitunter würden die Zahlen allerdings verzerrt: So kommen im Saale-Holzland-Kreis nur sieben Autos auf einen Ladepunkt, was aber nicht nur an wenigen E-Fahrzeugen liegt, sondern auch an einer Reihe von Schnell-Ladepunkten, die sich primär an Autobahnfahrer richten, die auf den Autobahnen 4 oder 9 das Hermsdorfer Kreuz überqueren.
Gute Noten bei genereller Verfügbarkeit
Die Verfügbarkeit gilt derweil deutschlandweit (reine Thüringer Zahlen gibt es nicht) als gut bis sehr gut. Rechnet man in Schulnoten, wäre es eine 1-. Nach Angaben der nationalen Leitstelle Ladeinfrastruktur lag die technische Verfügbarkeit der bestehenden Ladepunkte zuletzt bei 96,1 Prozent. 2,5 Millionen Ladevorgänge gab es in Deutschland im November, fast 50 Prozent mehr als noch ein Jahr zuvor.
Thega sieht Vorteile bei langsameren Laden
Doch auch die Thega sieht Potenzial im nicht öffentlichen Ladenetz, also am Arbeitsort oder zu Hause: "Es ist eine sehr gute Möglichkeit, die Fahrzeuge gerade dort, wo sie lange stehen, meist mehr als acht Stunden, zu laden", sagt Mobilitätsexperte Hofmann. "Man braucht weniger Ladeleistung, das heißt die Infrastruktur muss da auch nicht so massiv ausgebaut werden, wie zum Beispiel auf großen Verkehrswegen."
Denn eine Wallbox lädt meist mit 4,6 oder elf Kilowatt. Das braucht nicht in jedem Fall neue Leitungen und dazu passende Transformatoren, die erstmal gebaut werden müssen, so wie es bei Schnell-Ladesäulen der Fall ist, die bis zu 350 Kilowatt Leistung aufrufen. Und im optimalen Fall kommt der Strom direkt vom Dach des Arbeitgebers oder des eigenen Hauses. Mehr als 10.000 Projekte dieser Art hat allein die Kreditanstalt für Wiederaufbau in den Jahren seit 2020 gefördert, etwa 300 davon in Unternehmen.
Nach Ansicht von Autohändler Rolf Fischer ist trotzdem klar, dass es weiterhin eine Mischung mehrerer Antriebsformen geben wird. Auch Diesel, Benzin und Gas hätten weiter eine Berechtigung, gerade auf längeren Strecken. Und auch Wasserstoff dürfe man nicht vergessen. Am besten verkaufen sich übrigens Stromer wie der ID.3 (Kompaktklasse) und der ID.4 (Mittelklasse), wobei der Bedarf für Kleinwagen wie den E-up deutlich höher sei als die Verkaufszahlen. Aber der Kleinst-Stromer hat ebenfalls lange Lieferzeiten.
MDR (dst)
Dieses Thema im Programm: MDR THÜRINGEN - Das Radio | Nachrichten | 07. Januar 2023 | 09:00 Uhr
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