Zwischen Reviermarkierung und Randalen Polizei-Bilanz zu Thüringen-Derby: Zehntausende Euro Schäden und Körperverletzungen
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17. April 2025, 11:45 Uhr
Das nachgeholte Thüringen-Derby zwischen Rot-Weiß Erfurt und dem FC Carl Zeiss Jena verlief am Spieltag selbst überraschend ruhig - doch im Vorfeld kam es zu zahlreichen Sachbeschädigungen und politischen Schmierereien. Der Schaden wird auf einen fünfstelligen Betrag geschätzt. Nichtsdestotrotz spricht die Bundespolizei von einem "der lammfrommsten Fanverhalten insgesamt".
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Das brisante Thüringen-Derby zwischen Rot-Weiß Erfurt und dem FC Carl Zeiss Jena, das am 8. April nach vorheriger Spielverlegung ausgetragen wurde, hat nicht nur auf dem Platz für Emotionen gesorgt - sondern auch im öffentlichen Raum.
Behörden berichten von einer Vielzahl an Sachbeschädigungen, Graffiti, politisch motivierten Parolen und gewalttätigen Auseinandersetzungen, die im Vorfeld und Nachgang der Partie registriert wurden.
Laut Karsten Täschner, Pressesprecher der Bundespolizei in Erfurt, ist der Schaden bereits im März auf rund 20.000 Euro geschätzt worden - "und wir gehen davon aus, dass es sich am Ende auf 50.000 Euro oder mehr summieren wird".
Regelmäßiger Anstieg der Straftaten vor Derbys zwischen Erfurt und Jena
"Wir sehen einen temporären Anstieg von Sachbeschädigungen und körperlichen Auseinandersetzungen in der Zeit vor den Derbys", sagt Täschner. "Wir reagieren mit offenen und verdeckten Maßnahmen, doch es lässt sich nicht immer verhindern."
Wir müssen dieses Jahr von einem der lammfrommsten Fanverhalten insgesamt ausgehen.
Am Spieltag selbst jedoch blieb die Lage aus Sicht der Bundespolizei vergleichsweise ruhig. Täschner bilanziert: "Wir müssen dieses Jahr von einem der lammfrommsten Fanverhalten insgesamt ausgehen. Natürlich gab es veranstaltungstypische Straftaten - aber im Vergleich zu früheren Jahren ist das ein gutes Zeichen für den Thüringer Fußball."
"Minutiös vorbereitet": Viele Graffiti und Schmierereien vor allem an Zügen
Laut der Bundespolizei wurden bereits in den Wochen vor dem Spieltermin vermehrt Graffiti und Schmierereien festgestellt - vor allem an Zügen und Bahnanlagen. Insgesamt wurden rund 520 Quadratmeter Fläche registriert, davon allein 390 Quadratmeter an Zügen.
Im Ostthüringer Raum ist Jena besonders aktiv, in Erfurt und im Norden dominieren rot-weiße Farben.
"Die Großgraffitis im Fußballkontext sind kein Zufallsprodukt - sie sind minutiös vorbereitet", so Täschner. Die Täter wüssten genau, wann und wo Züge abgestellt würden und wie sie danach durch Thüringen fahren. Dennoch gibt es Muster: "Im Ostthüringer Raum ist Jena besonders aktiv, in Erfurt und im Norden dominieren rot-weiße Farben."
Revier markiert: 24 DHL-Fahrzeuge nahe Jena besprüht
In der Nacht auf den 7. April kam es auf einem Firmengelände in Laasdorf bei Stadtroda zu massiven Sachbeschädigungen: 24 Fahrzeuge eines Paketdienstleisters wurden mit roten Schriftzügen besprüht - mit klaren Bezügen pro Rot-Weiß Erfurt und gegen den FC Carl Zeiss Jena.
Der Schaden beläuft sich nach Angaben der Landespolizeiinspektion Jena auf eine fünfstellige Summe. Ein Sprecher der Behörde sagte: "Solche Aktionen sind Ausdruck einer Art Reviermarkierung. Gerade gespaltene Regionen wie das Weimarer Land oder der Landkreis Saalfeld-Rudolstadt sind besonders betroffen."
Sogar Menschen aus der Stadtgesellschaft und Fußballfans aus Jena haben bereits geholfen, die Fahrzeuge wieder einigermaßen sauber zu bekommen.
Beim Paketzusteller DHL laufen die Reinigungsarbeiten: "Wir handeln so schnell wie möglich und lassen die Fahrzeuge nach und nach reinigen", erklärt Thomas Kutsch, Pressesprecher der DHL Group für Thüringen.
"Sogar Menschen aus der Stadtgesellschaft und Fußballfans aus Jena haben bereits geholfen, die Fahrzeuge wieder einigermaßen sauber zu bekommen." Wie hoch die Reinigungskosten am Ende ausfallen, ist noch unklar. "Das Reinigungsunternehmen muss jedes Fahrzeug einzeln begutachten", so Kutsch.
Graffiti, Aufkleber, Schäden an Bahnhöfen und in Zügen
Am Derbytag selbst wurden insgesamt sechs Fälle von Sachbeschädigung in Zügen dokumentiert, sowie mehrere Fälle von Vandalismus:
- Haltepunkt Hopfgarten: Graffiti im Umfang von rund 23 Quadratmetern mit direkten Bezügen zum Fußballduell, vermutlich durch Anhänger des FCC. Schadenshöhe: circa 1.700 Euro. Ein Teil der Schmierereien wurde von Erfurter Fans übermalt.
- Bahnhöfe in Erfurt und Kölleda sowie dort eingesetzte Züge: Aufkleber und Graffiti mit Fußballbezug
- Dreifelderhalle in Erfurt: großflächiges FCC-Graffiti (zwölf mal zwei Meter) mit geschätztem Schaden von 1.000 Euro.
- Haltestelle Windthorststraße in Erfurt: Zwei Männer wurden beobachtet, wie sie RWE-Schriftzüge anbrachten. Schaden: circa 150 Euro.
Keine Vorfälle bei Shuttle-Bussen
Positiv fällt die Bilanz bei den Erfurter Verkehrsbetrieben (Evag) aus. Für die Anreise der Jenaer Fans hatte man vier Shuttle-Busse zwischen Hauptbahnhof und Stadion bereitgestellt. Laut Evag verlief alles ruhig und ohne Vandalismusvorfälle.
Gewalt und Körperverletzung wegen Fußball-Derby
Vor und nach dem Spieltag kam es jedoch zu teils gewalttätigen Auseinandersetzungen, bei denen ein Bezug zur Fanszene nicht ausgeschlossen werden kann:
- Bad Salzungen (21. März): Circa 60 bis 80 Personen, zum Teil vermummt, gerieten in eine Auseinandersetzung am Nappenplatz. Es handelte sich laut Polizei um verabredete Gruppen rivalisierender Thüringer Fußballvereine. Zudem wurden frische Graffiti und Aufkleber festgestellt.
- Bad Kösen (Naumburg) (23. März): Nach einem Kreisoberliga-Spiel wurde ein unbeteiligter Mann von circa fünf Personen angegriffen. Zwei Zeugen, die eingreifen wollten, wurden ebenfalls attackiert. Die Polizei ermittelt wegen gefährlicher Körperverletzung. Hinweise auf eine Zugehörigkeit zur Jenaer Fanszene liegen vor.
- Weimar (13. April): Die Reisewege der Erfurter und Jenaer Fans überschnitten sich in einem Zug in Weimar. Aus zunächst verbalen Attacken folgte eine körperliche Auseinandersetzung im Zug. Die Polizei konnte vor Ort eingreifen.
Bad Sulza: Verfassungswidrige und antisemitische Schmierereien
Am 25. März wurde die Polizei in Bad Sulza im Weimarer Land alarmiert. Entlang eines Fußweges wurden verfassungswidrige Parolen und fußballbezogene Schmierereien entdeckt. Die Schriftzüge richteten sich gegen den FC Carl Zeiss Jena.
"Wir nehmen diese Taten sehr ernst. Leider sehen wir gerade in gespaltenen Regionen wie dem Weimarer Land einen Anstieg solcher Vorfälle vor dem Derby", erklärte ein Sprecher der Polizei in Bad Sulza.
Die Ermittlungen laufen noch. In einigen Fällen gebe es schon Verdächtige, und vieles deute darauf hin, dass die Aktionen nicht allein, sondern in der Gruppe geplant waren.
MDR (js/fno)
Dieses Thema im Programm: MDR THÜRINGEN | MDR THÜRINGEN JOURNAL | 17. April 2025 | 19:00 Uhr