Folgen der Pandemie Schulen nach Corona: Mehr als 37 Millionen Euro bleiben in Thüringen liegen

06. Juni 2023, 18:34 Uhr

Beherzt greift Arno in die Saiten seiner E-Gitarre und spielt die ersten Takte des Songs "Ein Kompliment" von den Sportfreunden Stiller. Dass er an diesem Montag mit seinen Bandkollegen im Keller der Gemeinschaftsschule in Bürgel proben kann, ist vor allem dem Landesprogramm "Stärken-Unterstützen-Abholen" zu verdanken. Rund 53 Millionen Euro stehen dem Freistaat Thüringen aus diesem Programm zur Verfügung.

Die Millionen stammen von Bund und Land und haben vor allem einen Zweck: Schülerinnen und Schüler nach mehr als zwei Jahren Corona zu unterstützen, Lernrückstände und andere Defizite zu beheben, als Klassenverband wieder zusammenzuwachsen. Bis Ende des Jahres kann das Geld für verschiedene Projekte ausgegeben werden.

Schon jetzt ist davon auszugehen, dass knapp 37 Millionen Euro davon ungenutzt übrig bleiben werden. Die Gründe für die Nicht-Ausschöpfung dieser Gelder würden noch analysiert, heißt es aus dem Thüringer Bildungsministerium. "Viele Schulen waren nicht in der Lage, so schnell und kurzfristig das Programm umzusetzen", erklärt Sprecher Felix Knothe. So hätte 2021 und zum Teil auch 2022 die Corona-Pandemie maßgeblich noch den Schulalltag geprägt. Es habe daher kaum Ressourcen dafür gegeben, Projekte auf die Beine zu stellen. Diese seien zudem wegen der Kontaktbeschränkungen teilweise schwierig zu realisieren gewesen.

Viele Schulen waren nicht in der Lage, so schnell und kurzfristig das Programm umzusetzen.

Felix Knothe Sprecher des Thüringer Bildungsministeriums

Geld für Klassenfahrten und Schwimmunterricht verwendet

Die Zahlen sehen nicht gut aus. Darüber ist man sich im Bildungsministerium im Klaren. 37 Millionen, die nicht verwendet wurden, können nicht schöngeredet werden. Erst recht nicht, wenn man den Blick in andere Bundesländer wagt. So haben etwa in Sachsen mehr als 89 Prozent aller öffentlichen Schulen im Freistaat das Programm genutzt, 630.000 Schülerinnen und Schüler nahmen das Förderangebot in Anspruch.

In Thüringen sind es nur 50 Prozent aller Schulen. So wurden unter anderem Klassenfahrten, Sportangebote, Lern-Schecks und Schwimmkurse mit dem Geld finanziert, aber auch solche Projekte, die der individuellen Lernstoffdiagnose dienen. Diese könnten auch über den Förderzeitraum hinaus langfristig genutzt werden, so das Bildungsministerium. Verschiedene Kooperationspartner aus Kultur und Sport haben die Schulen dabei unterstützt, passende Angebote zu finden.

Schulleiter: Bürokratischer Aufwand zu hoch

"Wir haben den Fokus zunächst stark auf solche Kinder gelegt, die einen besonders hohen Unterstützungsbedarf nach Corona benötigen", zieht Ministeriumssprecher Knothe ein vorläufiges Fazit. Die Vorlaufzeit des Programms sei für Schulen und externe Anbieter aber stellenweise zu kurz gewesen, um Projekte zu realisieren. Die Umsetzung hätte dann wiederum zu lang gedauert.

Das Programm hat mich schon Nerven und Zeit gekostet.

Mike Schmidt Stellvertretender Schulleiter der Gemeinschaftsschule in Bürgel

Vor allem der bürokratische Aufwand sei zu hoch gewesen, bemängelt Mike Schmidt, stellvertretender Schulleiter der Gemeinschaftsschule in Bürgel. "Mit drei Klicks war es da nicht getan. Das Programm hat mich schon Nerven und Zeit gekostet", erinnert er sich. Dennoch war gerade für die Schule in Bürgel das Landesprogramm "Stärken-Unterstützen-Abholen" ein Segen. Das Bandprojekt war durch Corona völlig zum Erliegen gekommen, und konnte dank der finanziellen Mittel und die Anschaffung von Technik und Instrumenten wieder zum Leben erweckt werden. "Musik schweißt die Kinder zusammen und stärkt soziale Kompetenzen", weiß Projektleiter Benedikt Erb.

Ein weiterer Vorteil des Projekts: Der einstige Musiklehrer der Schule, Kai Gärtner, kann so im Rahmen des Projekts weiter mit den Kindern und Schülern arbeiten. Gärtner ist Seiteneinsteiger, darf aber an der Schule nicht mehr als Musiklehrer arbeiten, weil sein Studienabschluss dafür nicht ausreicht. Deshalb fällt auch seit gut einem Jahr der Musikunterricht in Bürgel aus. Ersatz ist nicht in Sicht.

Geld allein macht kein erfolgreiches Programm. Unser Gedanke war, Schulen wirksam dabei zu unterstützen, ihre Ziele zu erreichen.

Felix Knothe, Sprecher des Thüringer Bildungsministeriums

CDU-Kritik: Programm ging am Bedarf vorbei

Die CDU-Fraktion im Landtag kritisiert indes, dass so wenig Mittel aus dem Aktionsprogramm genutzt worden sind. "Das Programm ging am Bedarf vorbei", ist Christian Tischner, bildungspolitischer Sprecher der CDU, überzeugt. Die CDU fordere deshalb, ähnlich wie in Sachsen, das Geld dafür zu nutzen, um ein landeseigenes Programm auf die Beine zu stellen.

Man habe versucht, die Mittel für solche Projekte einzusetzen, die individuell auf die Schülerinnen und Schüler abzielen und nicht nach dem Gießkannenprinzip Geld auszugeben. "Geld allein macht kein erfolgreiches Programm. Unser Gedanke war, Schulen wirksam dabei zu unterstützen, ihre Ziele zu erreichen", hält Bildungsministeriumssprecher Knothe dagegen. Die nicht verwendeten Mittel aus dem Jahr 2022 seien in die sogenannte globale Minderausgabe geflossen. Die CDU hatte diese im Zuge der Verhandlungen für den Haushalt des Landes Thüringen durchgesetzt, damit so 330 Millionen Euro eingespart werden können.

Bis Ende 2023 kann das Geld aus dem Aktionsprogramm noch ausgegeben werden, danach wird auch dieses dem Thüringer Haushalt zugeführt. Die Landesregierung entscheidet dann, wofür es verwendet wird und ob es ebenfalls dazu dient, die Sparziele einzuhalten.

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MDR (jml/dr)

Dieses Thema im Programm: MDR THÜRINGEN - Das Radio | Das Fazit vom Tag | 06. Juni 2023 | 18:00 Uhr

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