Kurznachrichtendienst Bezahlen für den Twitter-Haken? Institutionen in Sachsen zögern
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12. April 2023, 18:27 Uhr
Seit Elon Musks Übernahme des Kurznachrichtendiensts hat sich bei Twitter einiges verändert. Unter anderem lässt sich der blaue Haken, den man zuvor über einen Verifizierungsprozess erhielt, heute über ein kostenpflichtiges Abo buchen. Besonders Firmen werden zur Kasse gebeten und sollen pro Monat mehr als 1.000 Euro an Twitter zahlen, um von einer höheren Reichweite und längeren Tweets zu profitieren. Angefragte sächsische Unternehmen sehen die Entwicklung skeptisch, bezahlen will kaum jemand.
- Twitter setzt in Zukunft stärker auf Bezahl-Abos, besonders für Geschäftskonten wird es teuer.
- Die von MDR SACHSEN angefragten sächsischen Unternehmen wollen bisher kein Abo abschließen.
- Seit der Übernahme durch Elon Musk kommt es bei Twitter immer wieder zu Kontroversen.
Der blaue Haken des Kurznachrichtendienstes Twitter war früher ein Zeichen dafür, dass es sich beim Gegenüber wahrscheinlich um genau die Person oder Institution handelte, für die sie sich ausgab. Nur wer die Plattform intensiv nutzte, prominent war und einen langwierigen Verifizierungsprozess vollzog, erhielt das begehrte Abzeichen.
Mit Elon Musk änderte sich das. Der seit Ende 2022 nicht mehr reichste Mensch der Welt will seine neuste Anschaffung in die Profitzone stoßen. Für 9,52 Euro monatlich bekommt jeder Twitter-Account ohne weitere Nachfrage einen blauen Haken. Zusätzlich lassen sich längere Nachrichten schreiben, Tweets bearbeiten und die Reichweite der eigenen Inhalte soll sich erhöhen.
Unternehmen müssen noch tiefer in die Taschen greifen. In Deutschland kostet der goldene Haken für geschäftliche Accounts 1.130,50 Euro im Monat. In Zukunft sollen auch Accounts zahlen, die bereits verifiziert sind.
Unternehmen aus Sachsen lehnen Bezahl-Abo größtenteils ab
Sächsische Unternehmen zeigen sich bisher, so scheint es, unbeeindruckt von den neusten Gebaren Twitters. MDR SACHSEN hat rund ein Dutzend Unternehmen und Institutionen aus der Region angefragt, ob sie sich das Abzeichen leisten wollen. Die informelle Umfrage fällt dabei recht eindeutig aus. Der Großteil der angefragten Firmen will kein Abo abschließen.
"Wir haben uns gegen Twitter Blue entschieden, da unserer Meinung nach die Authentizität und Seriosität unseres Accounts durch das Bezahl-Abo nicht gewährleistet ist", erklärt eine Pressesprecherin der Stadt Leipzig, dem Account folgen auf Twitter fast 90.000 Personen. "Es ist zu befürchten, dass auch Fake-Accounts einen blauen Verifizierungshaken einfach erkaufen können."
Auch Chemnitz und Dresden sehen derzeit keinen Anlass, Geld für das soziale Medium auszugeben. Twitter sei wie andere Netzwerke ein Mittel zur niedrigschwelligen Öffentlichkeitsarbeit. Dies wolle man auch in Zukunft nutzen, schaue sich aber die weitere Entwicklung genau an.
Damit sind sächsische Unternehmen längst nicht alleine. Das Medienportal Übermedien erkundigte sich bei privaten wie öffentlich-rechtlichen Medienhäusern. Das Ergebnis: Kaum jemand will für den Haken zahlen.
VNG AG: Ursprünglicher Charakter von Twitter geht verloren
"Sollte sich mit den von Twitter angestoßen Änderungen die Nutzbarkeit der Plattform für Accounts ohne kostenpflichtiges Abonnement drastisch einschränken, werden wir intern unser Engagement diskutieren und, falls nötig, die entsprechenden Konsequenzen ziehen", erklärt eine Sprecherin der AOK Plus.
Es ist zu befürchten, dass auch Fake-Accounts einen blauen Verifizierungshaken einfach erkaufen können.
Der Leipziger Energieversorger VNG AG entschied sich vor sieben Jahren für einen Twitter-Account. Damals wollte man vor allem die größtenteils kostenfreien Funktionen des Dienstes nutzen. "Die neuerlichen Bezahloptionen sprechen aus unserer Sicht gegen den ursprünglichen Charakter von Twitter", sagt das Unternehmen. Bereits seit einigen Monaten beobachtet die VNG AG, dass Tweets weniger Reichweite und Interaktionen generieren würden. "Wir werden die Entwicklung von Twitter daher in nächster Zeit weiterhin genau verfolgen."
Bei den Halbleiter-Produzenten von GlobalFoundries Dresden ist derzeit noch keine Entscheidung getroffen worden, ob die Vorteile des Hakens die hohen Kosten rechtfertigen. "Wir gehen im Moment nicht davon aus, dass sich unsere Nutzung von Twitter perspektivisch verändern wird." Also: Das Leben wird wohl auch in diesem Unternehmen ohne Haken weitergehen.
Mission Lifeline zahlt für blauen Haken
Eine kleine Ausnahme bildet der Seenotretterverein Mission Lifeline aus Dresden mit mehr als 52.000 Followern. Streng genommen handelt es sich zwar um eine Organisation, dennoch konnten die Betreiber die günstigere Alternative für Einzelpersonen buchen. Die mehr als 1.000 Euro will man nicht zahlen, erklärt Pressesprecher Axel Steier. So seien das Verhalten von Musk oft nicht ernst zu nehmen und seine Geschäftsentscheidungen fragwürdig, dennoch habe Twitter für den Verein noch eine große Bedeutung als Kommunikationswerkzeug.
Zuvor sei die Plattform ihr wichtigstes Medium gewesen, seit der Übernahme habe sich das verändert. Heute publiziere man auch mehr auf Diensten wie Instagram oder Mastodon. Konzernchef Mark Zuckerberg hatte allerdings im Februar angekündigt, dass seine Firma Meta und damit auch Instagram ebenfalls mit einem Bezahlabo experimentieren will für direkten Kundensupport und Extra-Schutzmaßnahmen. Die ersten Testphasen sind in Australien und Neuseeland gestartet.
Viele Konflikte seit Übernahme durch Elon Musk
Auf der Plattform mehren sich seit der Übernahme durch Elon Musk die Auseinandersetzungen mit staatlichen wie privaten Akteuren. Vergangene Woche hat das Bundesamt für Justiz ein Bußgeldverfahren gegen Twitter eingeleitet. Dem Social-Media-Dienst wird vorgeworfen, beim Umgang mit Nutzerbeschwerden zu nachlässig gewesen zu sein. Das Netzwerkdurchsetzungsgesetz regelt, dass gemeldete und offensichtlich strafbare Inhalte innerhalb von 24 Stunden gelöscht werden müssen. Dieser Aufgabe sei Twitter nicht nachgekommen, lautet der Vorwurf des Justizministeriums.
Auch der britische Sender BBC legte sich zuletzt mit dem Kurznachrichtendienst an. Twitter hatte dem Hauptkanal der BBC das Label "staatlich finanziert" angehängt. Der Sender wehrte sich dagegen und teilte mit, man werde durch Rundfunkgebühren von der britischen Öffentlichkeit finanziert und berichte unabhängig.
Twitter verlor in der Vergangenheit viele Anzeigenkunden
Der Vorfall erinnert an ein ähnliches Vorgehen von Twitter beim US-Hörfunksender NPR, der sich ebenfalls durch öffentliche Gelder finanziere und dasselbe Label wie die BBC erhielt. Mittlerweile hat Musk nach einem Gespräch mit dem britischen Sender angekündigt, die "staatlich finanziert"-Markierung in "öffentlich finanziert" abzuändern.
Musk kaufte Twitter im Oktober 2022 für rund 44 Milliarden US-Dollar. Seit der Übernahme ging die Mitarbeiterzahl von einst knapp 8.000 auf 1.500 Angestellte zurück. Musk begründet die Kündigungen damit, dass radikale Sparmaßnahmen nötig gewesen seien, nachdem viele Anzeigenkunden die Plattform verlassen haben sollen. Zudem müsse Twitter Zinsen abbezahlen für einen Kredit im Volumen von 12 Milliarden Dollar, der im Zuge der Übernahme aufgenommen worden war.
MDR (mad)
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