Kommunalwahl 2022 In Schwepnitz ist und bleibt das Rathaus in Frauenhand
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29. Mai 2022, 06:00 Uhr
Wenn am 12. Juni im Landkreis Bautzen neue Bürgermeisterinnen und Bürgermeister gewählt werden, stellen sich 39 Männer zur Wahl, aber nur acht Frauen. Nur in Schwepnitz gibt es keinen männlichen Kandidaten. Dort ist das Rathaus schon seit 14 Jahren in Frauenhand. Eine Ausnahme.
Elke Röthig liebt ihren Job. Trotz Zehnstundentagen, Arbeiten an den Wochenenden und manch schwierigen Entscheidungen. "Ich bin immer gerne zur Arbeit gekommen", sagt die 62-Jährige. Sie ist seit 14 Jahren Bürgermeisterin von Schwepnitz – und möchte es bleiben. Dafür muss sie sich am 12. Juni gegen die einzige Gegenkandidatin durchsetzen: Heike Pantak, 57 Jahre und ebenso wie Röthig parteilos. Dass es keinen männlichen Kandidaten gibt, ist fast schon eine Rarität. Schließlich werden im Landkreis Bautzen 50 von 57 Rathäusern aktuell von Männern geführt. Zur Wahl am 12. Juni stellen sich insgesamt nur acht Frauen, aber fast 40 Männern.
Ohne Unterstützung der Familie geht es nicht
Die Frage, warum so wenig Frauen Bürgermeisterin sind, werde ihr oft gestellt, meint Elke Röthig. Ein Faktor sei sicher die Zeit. Eine Bürgermeisterin erledige den gleichen Job wie ein Mann auf diesem Posten. "Aber wenn der Mann nach Hause kommt, gehe ich mal davon aus, dass da in der Regel schon der Haushalt gemacht, die Wäsche gewaschen und das Essen fertig ist." Sie habe Glück und ihr Mann nehme ihr viel ab. Außerdem seien ihre Kinder schon erwachsen. Ohne den Rückhalt der Familie könne man solch ein Amt also nicht antreten.
Chance zur Kandidatur ergriffen
Auch Heike Pantak muss sich nicht mehr um kleine Kinder kümmern und fand, die Zeit ist reif für eine Kandidatur. Die Wirtschafts-Fachwirtin möchte für Schwepnitz etwas bewegen. Zwar habe sie noch keine Erfahrungen in der Kommunalpolitik, aber den Blick von außen sehe sie eher als Chance, sagt die 57-Jährige. "Wer nicht wagt, der nicht gewinnt", habe sie sich gesagt, als sie ihre Kandidatur angemeldet habe. Schließlich weiß sie, dass die Amtsinhaberin einen großen Bonus in der Gemeinde hat. Trotzdem will sie es probieren.
Frauen trauen sich oftmals Amt nicht zu
Diesen Mut haben bisher noch sehr wenige Frauen. Auch in den Stadt- und Gemeinderäten liegt der Anteil der Frauen in der Oberlausitz gerade einmal bei durchschnittlich rund 20 Prozent. Im Schwepnitzer Gemeinderat sitzt sogar nur eine Frau. Für Sabrina Baumann von der Fraueninitiative Bautzen fehlen angesichts dieser männerdominierten Gremien die Vorbilder für Frauen. "Vielen fällt es bei solchen Gemeinderäten dann schwer, sich zu überwinden und sich sozusagen in den Ring zu stellen." Die Männer würden anders agieren, selbstbewusster auftreten, obwohl sie auch nicht mehr wissen als die Frauen. Frauen seien oftmals zurückhaltender, wollen alles perfekt machen und trauen sich solch ein politisches Amt nicht zu. Dazu komme die fehlende Zeit, da viele neben der Familie bereits ehrenamtlich engagiert seien.
Ein Dilemma mit Nachwirkungen. Denn für Ämter wie Bürgermeisterinnen und Landrätinnen seien solche politischen Vorerfahrungen wichtig, sagt Sabrina Baumann. Da seien die Frauen im Landkreis einfach nicht gut aufgestellt. Weil die Parteien bei der Kandidatenkür natürlich auch auf politische Erfahrungen schauen, wundere es sie nicht, dass die Wahl dann häufiger auf Männer fällt.
Es steht ja frühmorgens keine Frau auf und sagt: Ach heute werde ich übrigens Landrätin. Sondern es braucht ja eine gewisse politische Vorerfahrung. Und da sind wir einfach nicht gut aufgestellt in unserem Landkreis.
Andere Sicht der Dinge
Von einer Partei wäre deshalb Heike Pantak, die bisher kein politisches Amt inne hatte, wahrscheinlich nie aufgestellt worden. Doch als unabhängige Kandidatin braucht sie nur 40 Unterstützerunterschriften, die sie innerhalb von wenige Stunden zsuammenhatte. Vor 20 Jahren hätte sie sich allerdings wegen der fehlenden Zeit noch nicht vorstellen können, als Bürgermeisterin zu kandidieren. Heike Pantak hat drei inzwischen erwachsene Kinder, war damals außerdem selbstständig. Ihr Mann war im Königsbrücker Stadtrat. "Auch wenn man gern möchte: Es bleibt ein Spagat zwischen dem Amt und der Familie." Dabei sei es doch wichtig, dass sich mehr Frauen kommunalpolitisch engagieren. Sie hätten oftmals eine andere Sicht auf manche Themen, würden auch auf einer emotionalen Ebene Entscheidungen treffen. "Ich glaube, das braucht es auch. Wenn man da die Waage hätte, wäre das schön."
Auch wenn man gern möchte: Es bleibt ein Spagat zwischen dem Amt und der Familie.
Umdenken bei Männern nötig
Was muss sich also ändern, damit sich mehr Frauen kommunalpolitisch engagieren? Geht es nach Sabrina Baumann von der Fraueninitiative Bautzen, müssten die männerdominierten Gremien und Parteien ihren "blinden Fleck" erst einmal selbst wahrnehmen. Warum ist im Gemeinderat keine Frau vertreten, wie können die Parteien ihre Listen aufstellen, um die Vielfalt in der Gesellschaft abzubilden? Frauen seien schließlich die andere Hälfte der Gesellschaft, dies müsse sich in den Gremien widerspiegeln. Auch die jüngere Generation sei da noch zu wenig vertreten.
Aber auch die Frauen müssen sich dessen bewusster werden, mahnt Sabrina Baumann, die sich in der Oberlausitzer Initiative "Frauen.Wahl.Lokal." engagiert. Die Initiative möchte Frauen bestärken und dabei unterstützen, sich zur nächsten Kommunalwahl 2024 zur Wahl aufstellen zu lassen. "Nur wenn wir uns selber an diesen Prozessen und Netzwerken beteiligen, wird unsere Meinung entsprechend den Mehrheitsverhältnissen auch abgebildet", sagt die Sozialarbeiterin. Sonst bestehe die Gefahr, dass die Perspektive der Frauen systematisch hinten runterfalle.
Reines Frauenteam im Rathaus
Im Schwepnitzer Rathaus können die Frauen ihre Perspektive bestens einbringen, zumindest in der Verwaltung. Denn das Team um Bürgermeisterin Elke Röthig besteht nur aus Frauen, lediglich im Bauhof arbeiten zwei Männer. "Ich hätte mir gerne auch einen Mann dazwischen gewünscht. Aber mit den zwölf Frauen klappt das wunderbar", sagt Elke Röthig. Von einer Frauenquote hält sie nichts. Das wichtigste sei, dass die Familie die Entscheidung unterstütze. Aber sie weiß auch, dass es gerade für junge Frauen mit Familie schwierig bleibt, sich als Gemeinderätin oder Bürgermeisterin wählen zu lassen. "Die fehlende Zeit bleibt ein Problem." Eine Lösung dafür hat sie auch nach 14 Jahren als Bürgermeisterin nicht.
Wir sind tatsächlich nur Frauen. Ich hätte mir gerne auch einen Mann dazwischen gewünscht. Aber mit den zwölf Frauen klappt das wunderbar.
Empfehlung: Mehr Mut zur Lücke
Sabrina Baumann macht den Frauen trotz allem Mut. Sie sollten sich nicht von der eigenen Unsicherheit, ob sie alles schaffen, von einer Kandidatur abhalten lassen. "Ich muss nicht perfekt sein, ich muss nicht alles wissen. Das können die Männer nämlich auch nicht", meint Sabrina Baumann. Manchmal könnten sie es aber besser verkaufen. Außerdem seien Netzwerke enorm wichtig. Bei den Männern sei es im ländlichen Raum beispielsweise der Stammtisch, wo Entscheidungen fallen. Auch die Frauen müssten überlegen, wie sie ihre Netzwerke und Beziehungen nutzen können, um ihre Ideen umzusetzen: "Ohne Netzwerk, Beziehungsarbeit und Unterstützerinnen funktioniert es einfach nicht."
MDR (vis)
Dieses Thema im Programm: MDR SACHSEN - Das Sachsenradio | Regionalreport aus dem Studio Bautzen | 20. Mai 2022 | 16:30 Uhr