MDR-Bericht vom 13. Januar 2016 Rechte Randale auf Leipzigs Straßen

13. Januar 2016, 07:58 Uhr

Seit einem Jahr versammelt sich Legida in Leipzig. Am Montag hat die fremden- und islamfeindliche Gruppe mit Vertretern der Ursprungsinitiative Pegida aus Dresden ihren 1. Jahrestag begangen. Es war die zweitgrößte Kundgebung des Bündnisses, das im Vergleich zu Pegida als radikaler eingeschätzt wird. Zeitgleich dazu gab es Attacken aus der rechten Szene in Connewitz. CDU und SPD stritten sich im Vorfeld darüber, ob Vertreter aus den eigenen Reihen an den Veranstaltungen teilnehmen sollten.

In Leipzig hat es am Montag mehrere Ausschreitungen aus der rechten Szene gegeben. Am Connewitzer Kreuz kam es nach Polizeiangaben zu Übergriffen vermummter Neonazis. Die Taten würden in Gänze den Tatbestand des schweren Landfriedensbruchs erfüllen, teilte die Polizei mit. Mehr als 20 Geschäfte und Bars wurden nach MDR-Reporterangaben auf der Wolfgang-Heinze-Straße attackiert. In einem Dachgeschoss geriet eine Wohnung in Brand. Die Polizei teilte mit, der Brand sei "in Folge des unsachgemäßen Gebrauchs von Pyrotechnik" entstanden. Trotz erhöhter Polizeipräsenz brannten in der Nacht im Leipziger Süden mehrere Fahrzeuge und Mülltonnen. Bei ihrem Einsatz seien fünf Polizeibeamte verletzt worden.

Angriffe aus dem linken Spektrum

Leipzigs Polizeichef Bernd Merbitz sagte dem MDR, bei den Angreifern in Leipzig handele es sich um Fußball-Hooligans, speziell um Anhänger von Lok Leipzig und dem Halleschen FC. 211 Personen des rechten Spektrums seien festgesetzt und deren Personalien aufgenommen worden. Sie sollen laut Polizei "zu einem nicht unerheblichen Teil" entweder als als "rechtsmotiviert" oder als "Gewalttäter Sport" bereits aktenkundig sein. Beim Abtransport der Festgenommen habe es wiederum Angriffe von Personen aus dem "linksautonomen Spektrum" gegeben. Dabei sei ein von den Leipziger Verkehrsbetrieben zur Verfügung gestellter Bus erheblich beschädigt worden.

Bereits am Nachmittag war die Eisenbahnstrecke Dresden - Leipzig zeitweise gesperrt worden, nachdem zwischen Borsdorf und Engelsdorf Unbekannte mehrere Brandsätze deponiert hatten. Einer davon beschädigte eine Signalanlage.

Die Gewalt brach zeitgleich zum ersten "Jahrestag" des islam- und fremdenfeindlichen Legida-Bündnisses aus. Am Hauptversammlungsplatz vor dem Naturkundemuseum konnte die Polizei Ausschreitungen durch ein großes Aufgebot verhindern. Die Polizei war mit etwa 3.000 Beamten im Einsatz.

Zweitgrößte Legida-Kundgebung

Die Legida-Organisatoren konnten am Montagabend bis zu 3.400 Menschen auf Leipzigs Straßen versammeln. Wie die Studentengruppe "Durchgezählt" mitteilte, waren es zwischen 2.500 und 2.900 Menschen auf der Gegenseite, die unter anderem eine Lichterkette um den Innenstadtring bildete. Für Legida war die Veranstaltung ein Erfolg. Das Bündnis hatte mit rund 2.000 Teilnehmern gerechnet. Seit März 2015 war Lediga nach Angaben der Studenteninitiative "Durchgezählt" nicht mehr über die 1.000er-Marke gekommen. Zum "Jahrestag" waren auch Unterstützer von Pegida aus Dresden sowie aus anderen Städten nach Leipzig gekommen. Die Demonstrationen in der Innenstadt verliefen weitgehend friedlich. Die Polizei sprach aber von einem "hohen Aggressionsgrad" diverser verbaler Attacken.

Einer Reporterin von MDR INFO wurde am Rande der Legida-Demonstration ins Gesicht geschlagen. Der Deutsche Journalisten-Verband in Sachsen verurteilte diese neuerliche Attacke auf eine Pressevertreterin. Man sei empört und entsetzt. "Angriffe auf Journalisten und die Medien insgesamt sind nicht hinnehmbare Angriffe auf die Meinungsfreiheit und damit auf einen Grundwert der Demokratie." MDR-Intendantin Karola Wille erklärte, mit dem tätlichen Angriff sei erneut eine Grenze überschritten worden. "Wir lassen uns von solchen Attacken nicht in unserer Berichterstattung über das Geschehen in unserem Lande einschüchtern, wir werden weiter berichten", stellte die Intendantin klar. Der MDR wolle mit allen seinen Möglichkeiten gegen solche Rechtsverletzungen vorgehen.

"Terroranschlag auf blonde, deutsche Frauen"

Thema Nummer eins auf der Kundgebung des islam- und fremdenfeindlichen Bündnisses am Naturkundemuseum waren die Ereignisse der Silvesternacht in Köln. Die aus Dresden angereiste Tatjana Festerling sprach in der längsten Rede des Abends von "Sextouristen", die von Kanzlerin Angela Merkel eingeladen worden seien. Flüchtlinge hätten in Köln einen "flächendeckenden Terroranschlag auf Frauen - auf blonde deutsche Frauen" verübt. Und dies sei nur ein Test gewesen, erklärte das ehemalige AfD-Mitglied. Zum wiederholten Mal rief sie Merkel zum Rücktritt auf.

Legida-Organisator Markus Johnke verlas noch einmal die Ziele des Bündnisses, die "Dresdner Ziele". Er forderte, die Grenzen zu schließen und das Schengen-Abkommen auszuhebeln. Die Demonstranten, die sich an der Lichterkette beteiligten, rief er auf, sich Legida anzuschließen. Für Leipzigs Oberbürgermeister hatte er weniger freundliche Worte übrig: "Jung komm zur Besinnung oder hau ab."

Als einziger CDU-Minister der sächsischen Landesregierung war Justizminister Sebastian Gemkow bei der Lichterkette am Innenstadtring vor Ort. Gemeinsam mit Wirtschaftsminister Martin Dulig (SPD), OB Burkhard Jung (SPD) und Monika Lazar (Grüne) beteiligte er sich an einer Kundgebung vor der Thomaskirche.

Mitmachen oder nicht - Regierungskoalition uneins

CDU und SPD hatten sich im Vorfeld gegenseitig bezüglich der Teilnahme an Gegenprotesten kritisiert. Bundestagsmitglied Bettina Kudla aus Leipzig teilte mit, sie lehne die Ziele der Initiatoren ab. Die Lichterkette torpediere "die Bemühungen der Bundesregierung um eine Reduzierung und Eingrenzung der Asylbewerberzahlen." Sie sei gegen parteiübergreifende Aufrufe, "da sie die Unterschiede zwischen den Parteien und auch die Verantwortlichkeiten vermengen." Die Beteiligung der SPD bezeichnete sie als scheinheilig. Die Demokraten hätten sich nicht mit den linksextremen Ausschreitungen in Leipzig auseinander gesetzt. Sachsens SPD-Generalsekretärin Daniela Kolbe konterte: "Anstatt geschlossen mit allen demokratischen Parteien auf die Straße zu gehen, plädiert die CDU in Leipzig dafür sich wegzuducken und ignoriert wieder einmal die Gefahr von rechts." Diese Politik erinnere "fatal" an die 1990er- und 2000er- Jahre, in denen durch ein solches Verhalten der CDU ein Erstarken der rechten Szene in Sachsen möglich geworden sei.

Den Vorwurf mache ich Legida, Pegida und Co., dass eine Verrohung in dieser Gesellschaft stattgefunden hat, die man in Sprache und eben auch in Gewalttaten nachempfinden kann.

Martin Dulig, Wirtschaftsminister Sachsen

Ein CDU-Minister will Gesicht zeigen

Justizminister Gemkow begründete seine Teilnahme: "Es ist mir wichtig, Gesicht zu zeigen gegen Gewalt und für eine demokratische Streitkultur." Er sei besorgt über die zunehmende Gewalt von rechts und links.

Leipzigs Oberbürgermeister Jung sagte MDR aktuell während der Aktion: "Die Ereignisse von Köln, aber auch einzelne Ereignisse in unserer Stadt sind eine harte Probe. Weil es sehr schnell zu Vorurteilen kommt, die dann weitertransportiert werden." Für ihn würden die Kerzen dafür stehen, dass Übergriffe auf Asylbewerber, Polizeibeamte sowie Frauen nicht akzeptiert werden können.

Friedensgebet und Lichterkette

Laut dem früheren Thomaskirchen-Pfarrer Christian Wolff sollte die Lichterkette "ein starkes Zeichen des Willkommens und eines friedlichen Zusammenlebens von verschiedenen Menschen in der Stadtgesellschaft" setzen. Der Aufruf war unter anderem von Oberbürgermeister Burkhard Jung, Musiker Sebastian Krumbiegel und mehreren Leipziger Pfarrern unterzeichnet worden.

Grüne unterstützen Aktion

Auch die Grünen hatten zur Teilnahme an der Lichterkette aufgerufen. Jürgen Kasek, Landesvorsitzender und Mitbetreiber der Plattform "No Legida", ist überzeugt, dass es sich bei Legida um eine verfassungsfeindliche Bewegung handelt, wie er am Montag sagte. Teilgenommen haben unter anderem auch das Bundestagsmitglied Konstantin von Notz sowie Landtagsmitglied Claudia Maicher.

Wir dürfen und werden den parolebrüllenden Rassisten keinen Raum geben und wir werden es nicht zulassen, dass sich ihr Hass in Sachsen immer weiter ausbreitet. Deswegen ist es notwendig kontinuierlich für unsere Demokratie und die Menschenrechte einzutreten.

Jürgen Kasek, Landesvorstandssprecher Bündnis 90/Die Grünen

Die Teilnehmerzahlen "Durchgezählt" gibt seine vorläufigen Zahlen für die Demonstrationen bekannt:

Bei Legida fanden sich demnach zwischen 2.500 und 3.400 Unterstützer ein.

Zur Lichterkette mit Stand 19:00 Uhr kamen rund 2.500 bis 2.900 Menschen. Später haben sich demnach 1.400 bis 1.800 bei "Nolegida" auf dem Richard-Wagner-Platz eingefunden. In der Thomaskirche und auf dem Hof wurden 800 bis 900 Teilnehmer gezählt.

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