Sozialer Wohnungsbau Anzahl der Sozialwohnungen in Leipzig angestiegen: Angebot deckt Bedarf nicht
Hauptinhalt
02. April 2023, 12:43 Uhr
Deutschlandweit gibt es zu wenige Sozialwohnungen. In der Stadt Leipzig sind Hunderte neu gebaut oder saniert worden. Der Mangel an sozialem Wohnraum werde dennoch vielerorts deutlich, kritisiert die Linke im Stadtrat. Der Verband Sächsischer Wohnungsgenossenschaften (VSWG) hält dagegen und nennt mehrere Gründe.
- Seit 2017 sind in Leipzig Hunderte neue, geförderte Sozialwohnungen entstanden.
- Für den Linken-Stadtrat Mathias Weber wird der Mangel an bezahlbarem Wohnraum dennoch vielerorts deutlich.
- Die VSWG-Vorsitzende Mirjam Philipp hält neue Sozialwohnungen wegen hoher Leerstandsquoten für unnötig.
Die Zahl der Sozialwohnungen in Leipzig hat sich in den vergangenen Jahren leicht, aber stetig erhöht. Das hat das städtische Amt für Wohnungsbau und Stadterneuerung auf Anfrage von MDR SACHSEN mitgeteilt. Seit dem Jahr 2017 fördert der Freistaat den Neubau oder die Sanierung sozialen Wohnraums. Dadurch sind nach Angaben der Stadt Leipzig in Summe 756 Wohnungen gebaut oder saniert worden. Nach Angaben des Sozialamtes gibt es aktuell knapp 1.223 Sozialwohnungen in Leipzig.
Zudem seien vergangenes Jahr durch ein städtisches Förderprogramm zusätzlich rund 140 vorher lange leerstehende Wohnungen saniert worden, so die Angaben der Stadt. Der Mietpreis für diese Wohnungen bleibt demnach ebenfalls für 15 Jahre auf maximal 6,50 Euro pro Quadratmeter begrenzt. Nur Personen mit einem Wohnungsberechtigungsschein können in diese Wohnungen ziehen. Durch die kommunale Förderung könnten in diesem Jahr nochmals etwa 130 Sozialwohnungen hinzukommen, teilt das Wohnungsbauamt der Stadt Leipzig mit.
Was ist der weiße Wohnungsberechtigungsschein?
Mit dem weißen Wohnungsberechtigungsschein können Wohnungen bezogen werden, die durch das Sächsische Ministerium für Regionalentwicklung gefördert wurden. Erhalten können den Berechtigungsschein einkommensschwache Haushalte, Sozialhilfeempfänger sowie Personen, die aufgrund von Obdachlosigkeit, Mietschulden oder Suchtverhalten keine Wohnung finden.
Quelle: Stadt Leipzig
Linke: Mangel in Leipzig trotzdem vielerorts spürbar
Trotz stetigen Zuwachses an sozialem Wohnraum in der Stadt, sei bezahlbarer Wohnraum in Leipzig weiter ein großes Problem, sagt Linken-Stadtrat Mathias Weber. So hätten mehr Menschen Anspruch auf eine Sozialwohnung, als es das Angebot hergebe. "Im vergangenen Jahr wurden rund 2.600 Wohnungsberechtigungsscheine ausgestellt. Davon konnten aber nur rund 42 Prozent mit Wohnraum versorgt werden", sagt Weber. Ähnlich die Zahlen für das Vorjahr: Von 1.700 Haushalten hatten laut Weber wiederum nur 42 Prozent eine Wohnung erhalten.
Vermieter müssen Berechtigte abweisen
Der Wohnungsmangel zeige sich auch bei allen frei verfügbaren Sozialwohnungen, die die Stadt Leipzig auf ihrer Webseite auflistet, sagt Weber. "Diese Wohnungen sind in der Regel vergriffen." Vermieter müssten wiederholt abwinken, weil keine freie Wohnung vorhanden sei. "Wir erleben aktuell eine sich weiter zuspitzende soziale Schieflage, da die große Gruppe der Haushalte mit geringem oder mittlerem Einkommen um viel zu wenige Wohnungen kämpft", erklärt Weber. Die aktuell stark rückläufige Bauentwicklung komme erschwerend hinzu: "Es werden weniger Wohnungen gebaut. In der Folge gibt es auch weniger Wohnungen." Der freie Wohnungsmarkt habe versagt, so Weber.
Wir erleben aktuell eine sich weiter zuspitzende soziale Schieflage, da die große Gruppe der Haushalte mit geringem oder mittlerem Einkommen um viel zu wenige Wohnungen kämpft.
Wohnungsmarkt differenziert betrachten
Der Wohnungsmarkt müsse in jedem Bundesland und in jeder Großstadt differenziert betrachtet werden, sagt Mirjam Philipp vom Verband Sächsischer Wohnungsgenossenschaften (VSWG). "Im Gegensatz zu anderen Wohnungsmärkten in anderen Bundesländern ist unser Markt sehr offen. Auch jemand mit schmalem Geldbeutel, findet in Sachsen eine Wohnung", sagt die VSWG-Vorstandschefin.
VSWG-Chefin: Genügend leerstehende Wohnungen vorhanden
Im Freistaat gibt es laut Philipp genügend leerstehende Wohnungen, die bezahlbar sind und auf dem Kostenniveau von Sozialwohnungen liegen. "Wir brauchen keine Sozialwohnungen im sächsischen Markt. Unser Markt ist geprägt von Leerstand. Wir haben genügend Wohnungen mit einer moderaten Miete", sagt Philipp. Deutlich werde das an der Leerstandsquote bei den Wohnungsgenossenschaften in Leipzig. Von 56.000 Wohnungen standen Philipp zufolge im Jahr 2022 knapp 3.300 Wohnungen und somit sechs Prozent leer. Dieser leerstehende Wohnraum verteile sich über die gesamte Stadt, es gebe ihn auch in Connewitz oder am Stadtrand, so Philipp.
Wir brauchen keine Sozialwohnungen im sächsischen Markt. Unser Markt ist geprägt von Leerstand. Wir haben genügend Wohnungen mit einer moderaten Miete.
Mit einem Quadratmeterpreis im Durchschnitt von 5,54 Euro bei Bestandswohnungen und 6,56 Euro bei Neuvermietungen seien die Wohnungsgenossenschaften 17 Prozent günstiger als der in Leipzig ortsübliche Quadratmeterpreis von 7,90 Euro, so Philipp. Das heißt für die VSWG-Chefin: "Wir brauchen keine Sozialbindung, wir sind sozial."
Stadt Leipzig: Wohnungsmarkt bleibt angespannt
Anders schätzt die Stadt Leipzig die Situation am städtischen Wohnungsmarkt ein. "Wir können die Aussage der VSWG nicht bestätigen, dass es in Leipzig genügend freien Wohnraum gäbe" , sagt Stadtsprecherin Martina Menge-Buhk. Es gebe weiterhin einen "angespannten Wohnungsmarkt". Nach Angaben der Stadt hat sich die Situation seit dem Ankommen ukrainischer Schutzsuchender zusätzlich verschärft.
Wir können die Aussage der VSWG nicht bestätigen, dass es in Leipzig genügend freien Wohnraum gäbe.
So sei das Angebot von Wohnungen mit niedrigen Mieten um 40 Prozent zurückgegangen. Dazu Leipzigs Baubürgermeister Thomas Dienberg: "Weil sich die Lage für Haushalte verschlechtert hat, die auf Angebote preisgünstigen Wohnraums angewiesen sind, kommt der Prävention von Wohnungsverlust und dem Wohnraumerhalt eine noch höhere Bedeutung zu." Die Stadt habe deswegen 2022 rund 2,4 Millionen Euro in bezahlbares Wohnen investiert, 1,2 Millionen Euro sollen es 2023 werden.
Investoren fragen höheren Sozialwohnungsbau an
Trotz Bauflaute könnte wieder mehr Bewegung in den sozialen Wohnungsbau kommen, sagt Dienberg. Investoren stellen laut Dienberg derzeit vermehrt Anfragen, mehr als die von der Stadt vorgeschriebenen 30 Prozent Sozialwohnungen in Neubauten zu errichten. Das Problem: Konkrete Bauanträge seien bisher ausgeblieben. "Es sind Willensbekundungen, die wir gerne unterstützen und fördern wollen. Aber wir brauchen konkrete Anträge, aus denen die zusätzlichen Wohnungen hervorgehen", so der Baubürgermeister.
Es sind Willensbekundungen, die wir gerne unterstützen und fördern wollen. Aber wir brauchen konkrete Anträge, aus denen die zusätzlichen Wohnungen hervorgehen.
Nachfrage durch Kostenexplosionen möglich
Dienberg vermutet in den Kostenexplosionen im Energie- und Bausektor Gründe für die erhöhte Nachfrage. Investoren würden gerade bei weiter fortgeschrittene Bauvorhaben Wege suchen, um mit Fördermitteln für den sozialen Wohnungsbau die Neubauten zu vollenden, erklärte der Baubürgermeister. "Wo es einen großen Verlust bedeuten würde, Bauvorhaben komplett aufzugeben, scheint es eine Option den Anteil an Sozialwohnungen und an Fördergeldern zu erhöhen", so Dienberg. Die Förderung von Sozialwohnungen habe jedoch finanzielle Grenzen, sagt Dienberg. Für dieses Jahr stünden für Leipzig 37,5 Millionen Euro Fördermittel durch den Freistaat zur Verfügung.
MDR (phb, Heike Endig)
Dieses Thema im Programm: MDR SACHSEN - Das Sachsenradio | Regionalnachrichten aus dem Studio Leipzig | 28. März 2023 | 16:30 Uhr