Unterwanderung Wie Rechtsextreme versuchen, die Bauernproteste zu kapern
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12. Januar 2024, 05:00 Uhr
Im Fahrwasser der aktuellen Bauernproteste versuchen rechtsextreme Gruppen, den Unmut gegen die Regierungspolitik für ihre Zwecke umzudeuten. In Dresden rief beispielsweise ein Funktionär der rechtsextremen Partei "Freie Sachsen" zu einer Kundgebung auf. Der Mann hinter der Demo: Ex-NPD Mann Max Schreiber, der seit einigen Jahren immer wieder verschiedene rechtsextreme Proteste anführt.
- Wer ist der Organisator.
- "Freie Sachsen" müssen hinter der Absperrung bleiben.
- Wie es bei den Bauern aussieht.
Seit Tagen demonstrieren die Bauern, die am Montag ihre "Aktionswoche" mit verschiedenen Aktionen einleiteten. Sie fahren mit Traktoren in Innenstädte und blockieren im ganzen Land Zufahrtswege. Sie protestieren unter anderem gegen die Sparpläne der Ampelregierung. Doch auf der Bugwelle der Bauernproteste versuchen auch andere mit zu schwimmen. Am Montag haben Rechtsextreme eine Demonstration durch die Dresdner Altstadt organisiert – Ziel des Marsches war die Staatskanzlei. Doch wer steckt hinter der Demonstration, an der Rechtsextreme aller Couleur teilnahmen?
Demo-Anmelder Max Schreiber von den "Freien Sachsen" hatte das Motto "Tag des Widerstandes" ausgegeben – und rund 10.000 Demonstrantinnen und Demonstranten kamen am Montag. Darunter nur wenige Bauern, aber viele Handwerker. Neben rechtsextremen Szenegrößen wie Ex-AfD-Mann Andreas Kalbitz und dem Identitären Martin Sellner sind auch AfD-Abgeordnete da. Hinzu kamen auch einschlägig bekannte Neonazis. Ein Teil von ihnen hatte die Polizeikette durchbrochen.
"Das waren Leute, die haben wir schon bei Pegida-Demonstrationen gesehen", erklärt der Geschäftsführer des Kulturbüro Sachsen, Michael Nattke. Dieselben Leute habe er auch bei anderen Demonstrationen der "Freien Sachsen" etwa gegen Unterkünfte von Geflüchteten gesehen. "Da waren auch Reichsbürger dabei und AfD Anhänger etc. pp. Also das war die Hauptklientel."
Viele der Protestler vom Montag sieht Nattke seit Jahren immer wieder auf rechtsextremen Veranstaltungen in Sachsen. Er sagt: "Das Problem ist: Wenn in diesen Bauernprotesten, die Ziele der Demonstration nicht klar definiert sind, sondern es einfach nur nebulös gegen 'die da oben' geht, dann ist das natürlich sehr anschlussfähig für alle möglichen politischen Gruppen aus einem rechtsextremen Spektrum."
Wer ist der Organisator?
Ende Dezember postet Demo-Organisator Schreiber ein Video auf seinem Telegram-Kanal, in dem er zur Teilnahme an seiner Protestaktion aufruft. Zu sehen ist, wie der Gerüstbauer in einem Auto sitzt, die Umgebung ist dunkel, nur die Innenraumlampe beleuchtet sein Gesicht, während er zu verschwörerischer Musik seine Absicht für den kommenden Protest erklärt: "(..) Einfach mal wieder zu zeigen, von wem die Macht ausgeht. Nämlich von uns Steuerzahlern. Von uns Menschen. Vom deutschen Volk."
Wer ist der Mann, der sich als Sprecher des Volkes betrachtet? Bevor er für die "Freien Sachsen" aktiv wurde, war der Heidenauer bei der NPD. Seit anderthalb Jahren wechseln die Themen seiner Demos, das ersehnte Ziel bleibt gleich: Sturz der Regierung. Mal kündigte er eine symbolische Entführung von Bundeswirtschaftsminister Habeck inklusive Pranger an. Mal hetzte er gegen Wohnungen für Geflüchtete im Erzgebirge.
Wegen der Jagd auf Journalisten in Dresden-Laubegast vor knapp zwei Jahren erhob die Staatsanwaltschaft Anklage wegen Nötigung gegen Schreiber. In einem anderen Fall gibt es eine Anklage wegen Körperverletzung.
Am Mittwoch steht Schreiber hinter der Absperrung
MDR Investigativ hatte am Dienstag mit Schreiber gesprochen. Es ging um die Demonstration des Sächsischen Landesbauernverbandes am darauffolgenden Tag. Die Bauern hatten angekündigt, dass die "Freien Sachsen" und ihre Symbolik bei der Kundgebung am Mittwoch nicht erwünscht sein werden. "Wir bringen auch keine Banner mit", sagte Schreiber. "Aber wir werden trotzdem, sag' ich mal, zeigen, dass wir da sind. Und wir werden unsere Ablehnung gegenüber dem Ministerpräsidenten zeigen. Sollten wir nicht reinkommen, sind wir dann halt morgen der Gegenprotest."
Am Mittwoch, stehen Schreiber und dessen Mitstreiter dann tatsächlich hinter einer Polizeiabsperrung, einige Meter entfernt von der Versammlung des Sächsischen Landesbauernverbandes. Gegenüber MDR Investigativ sagt Schreiber auf die Nachfrage, weshalb er dennoch protestiert: "Für uns hört‘s eben nicht auf, wenn grüne Nummernschilder und billiger Diesel erkämpft sind. Sondern für uns hört‘s erst auf, wenn Handschellen für die aktuellen Politiker – ja – klicken."
Wie sieht es bei den Bauern aus?
Am Mittwoch machten sich Tausende Menschen auf den Weg zu der Großdemonstration in Dresden. Unter den Demonstrierenden ist auch Milchbäuerin Nadja Brummer, die in der Nähe von Leipzig ihren Hof betreibt. Den Ausschluss der Rechtsextremen von der Kundgebung des sächsischen Bauernverbandes hätte sie genau so gehandhabt: "Ja, ist richtig so. Natürlich." Sie sei genervt von den Versuchen der Rechten, die Bauernproteste für deren Zwecke zu nutzen. Für Brummer ist die Aufregung um den Agrardiesel das kleinere Problem. Das Größere: ausufernde Bürokratie und unausgewogene Subventionspraxis.
"Momentan ist ja das ganze Subventionierungsprogramm so aufgebaut, dass über den Acker, über die Fläche, die Großen viel bekommen und die Kleinen wenig", sagt Nadja Brummer. "Das gehört komplett auf den Prüfstand. Weil, was wir jetzt machen, ist eigentlich mit der Gießkanne den Großen das verteilen und die Kleen kriegen ein bisschen was ab, damit die ruhig sind - jetzt sind sie halt nicht mehr ruhig." Die Milchbäuerin will weiter protestieren. Weniger gegen "die da oben", sondern mehr für bessere wirtschaftliche Bedingungen in der Landwirtschaft.
Dieses Thema im Programm: MDR FERNSEHEN | MDR exakt | 10. Januar 2024 | 20:15 Uhr