Body-Positivity "Die Dicke darf nicht mitspielen": Ein Plus-Size-Model auf dem Weg zur "Miss Kurvig"
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10. Dezember 2023, 11:56 Uhr
Die 31 Jahre alte Evelyn Schwark aus Leipzig tritt am kommenden Wochenende bei einer besonderen Miss-Wahl an. Bei der Wahl zur "Fräulein Kurvig" werden Plus-Size-Models gekürt. Also Frauen, die nicht dem gängigen Schlankheitsideal entsprechen. Warum Evelyn da mitmacht, hat sie MDR SACHSEN erzählt. Im Gespräch zeichnet sie ihren Weg und ihren Umgang mit Mobbing und Essstörungenen nach.
"Wie soll denn die Dicke im Sportunterricht mitspielen? So fing das an im Kindheitsalter", erinnert sich Evelyn Schwark. Die heute 31 Jahre alte Frau sitzt in einem hippen Café in Leipzig und erzählt von ihrem Weg. Einem Weg, der sie von Übergewicht, Mobbing, Abnehm-Marathon und Essstörungen bis hin zur einer Misswahl und einer potentiellen Plus-Size-Model-Karriere geführt hat.
Am kommenden Wochenende ist Evelyn Schwark eine von 23 jungen Frauen als Kandidatin bei der Wahl zur "Fräulein Kurvig". Diese ganz besonderer Miss-Wahl ist - laut Veranstalter - die einzige Plus-Size-Miss-Wahl in Deutschland. Gewählt wird in Krefeld, am 16. Dezember. Die Aufregung ist groß bei der Kandidatin.
Ausgrenzung und Mobbing
Dass sie sich und ihren Körper jetzt so öffentlich präsentiert, ist für sie nicht selbstverständlich. "Als Kind war ich unsichtbar. Ich wurde gemieden", erzählt sie. Alles, weil sie übergewichtig war. Ein Teufelskreis für Evelyn. Die Ausgrenzung habe bei ihr zur Suche nach anderen Belohnungen geführt. "Dann habe ich eben heimlich gegessen, von meinem Taschengeld Riegel gekauft, fürs Glücksgefühl." Ihre Eltern hätten zwar gemerkt, dass da "etwas nicht stimmt", aber nicht gewusst, wie sie damit umgehen sollen.
Als Kind war ich unsichtbar. Ich wurde gemieden.
Besonders schlimm sei dann aber die Zeit während der Ausbildung gewesen. "Ich dachte, man ist unter Erwachsenen. Doch die Ausgrenzung und Stigmatisierung ging da erst richtig los", erzählt Evelyn. Die Kollegen hätten gemobbt, getuschelt, getan, als würde sie stinken. "Nur weil ich 130 Kilo wiege, bin ich doch aber nicht ungepflegt", ärgert sie die junge Frau.
Ihre Lösung damals? Abnehmen. 50 Kilo runter. Gesund sei das aber nicht gewesen. Kalorien zählen, Salatblätter abwiegen. "Ich bin in eine Essstörung gerutscht. Ich hatte Bulimie, habe gegessen, mich danach übergeben." Sport sei auch ein wichtiger Teil gewesen. "Aber als Bestrafung", blickt Evelyn auf diese Zeit zurück. Sie habe sich gezwungen, um Gewicht zu verlieren. Freude sei nicht dabei gewesen.
Abnehmen macht es nicht besser
"Irgendwann waren die 50 Kilo weg. Ich stand vor dem Spiegel, habe mich angeschaut - aber das Gefühl war immer noch gleich. Jetzt zwar mit Kleidergröße 42 statt 56, aber blöd angeguckt wurde ich trotzdem", sagt Evelyn. Und da habe sie für sich festgestellt, dass das Abnehmen allein nichts bringe. Ihr Kopf habe sich ändern müssen, meint sie.
Der erste Schritt sei gewesen, ein normales Verhältnis zum Essen zu finden. Doch dahin zu kommen, habe lange gedauert. "Heute ist es so, dass ich mir nichts mehr verbiete. Ich esse, was ich will und gucke, dass ich mich bewege." Jetzt wiegt sie zwar wieder mehr, aber ihr Körper fühlt sich viel gesünder an, findet sie.
Den eigenen Körper akzeptieren
Offen mit ihrem Gewicht, ihrer Figur umzugehen, sei für sie auch ein Ausweg gewesen, ihre ganz persönliche Art der Therapie. Body-Positivity nennt sie als Stichwort - ein Konzept und eine Bewegung, die sich besonders in den sozialen Medien dafür einsetzt, jeden Körper zu respektieren und zu akzeptieren - ganz unabhängig von Gewicht, Kleidung Herkunft und anderen äußeren Merkmalen. Auch Evelyn begleitet ihren Weg zur Akzeptanz des eigenen Körpers auf ihrem Instagram-Kanal.
Ich mag, wie ich aussehe.
Der Ansatz der Body-Positivity stößt aber auch immer wieder auf Kritik. Der Vorwurf: Figur, Körper und Aussehen stünden trotzdem im Mittelpunkt der Aufmerksamkeit, kritisiert beispielsweise die Wissenschaftsjournalistin Mai Thi Nguyen-Kim in ihrer ZDF-Sendung.
Evelyn sieht das anders. "Wir, die wir zum Beispiel bei der 'Fräulein Kurvig'-Wahl dieses Körperbild präsentieren, wissen, wie es gemeint ist." Klar könne "kurvig" eine Beleidigung sein. "Aber es ist meine Entscheidung, wie ich das aufnehme. Und ich will nicht schlank sein. Ich mag, wie ich aussehe", sagt Evelyn. "Dann bin ich gern Fräulein Kurvig!"
Gesellschaft muss sich ändern
Für sie gehe es im Kern um Toleranz. Darum, Äußerlichkeiten einfach hinzunehmen. "Da stecken wir als Gesellschaft noch ziemlich in den Kinderschuhen." Für die 31-Jährige könnten aber Veranstaltungen wie die "Fräulein Kurvig"-Wahl genau darauf aufmerksam machen. "Alle, die dabei sind, haben einen ähnlichen Weg hinter sich." Und sich endlich so zu zeigen, wie man ist, sich wohlzufühlen im Körper und mit Kleidung, in der man sich wohlfühlt - das sei für sie eine Befreiung, sagt Evelyn Schwark.