Höhere Mehrwertsteuer Kneipensterben in Sachsen: Schließung hunderter Gaststätten befürchtet

22. Juli 2023, 16:20 Uhr

Ob auf dem Land oder in der Stadt - die Gastronomie leidet in ganz Sachsen unter ausbleibenden Gästen, steigenden Kosten und fehlendem Personal. Wenn die Mehrwertsteuer für gastronomische Einrichtungen wieder von sieben auf 19 Prozent erhöht wird, könnte das weitere fatale Konsequenzen nicht nur auf die Kneipenlandschaft, sondern auch den Tourismus haben, fürchtet der Dehoga-Verband.

Die Biergläser klirren, geselliges Geplauder schwirrt durch den Kneipensaal. Der Rentnerstammtisch trifft sich jeden Freitagvormittag in der Gaststätte "Sonneneck" in Klitzschen nördlich von Leipzig. Die Herrenrunde ist froh, dass es in dem 450-Seelen-Dorf noch dieses traditionsreiche Lokal gibt. "Das ist unser Treffpunkt im Ort. Wir freuen uns, dass wir hier im Gemeindegebiet noch eine funktionierende Gaststätte haben", sagt einer der Männer. Ein anderer fügt hinzu: "Woanders trifft man keinen mehr auf der Straße."

Doch schon bald könnten die Männer vor verschlossener Tür stehen. Wie es mit der Traditionsgaststätte im ländlichen Nordsachsen weitergeht, ist unklar. Seit der Corona-Pandemie hätten die Gästezahlen rapide abgenommen, erklärt Gastwirt Lothar Hähnel. Geöffnet werde nur noch Freitagabend und nach Anmeldung.

Der kann das ganze Grundstück nehmen, das ganze Grundstück. Wir lassen uns was einfallen. Wir kommen irgendwo unter.

Lothar Hähnel Gaststättenbetreiber

Zwei Jahre wollen Lothar Hähnel und seine Frau Bettina noch durchhalten. Weil die Söhne in München und Zürich leben, suchen sie dringend einen Nachfolger, sagt der Kneipenbesitzer: "Der kann das ganze Grundstück nehmen, das ganze Grundstück. Wir lassen uns was einfallen. Wir kommen irgendwo unter."

Erhöhung der Mehrwertsteuer belastet zusätzlich

Nicht weniger problematisch sieht es für Restaurantbesitzer in der Stadt aus. So etwa bei Widmann-Gastronomie in Dresden, denen sieben Restaurants mit 180 Angestellten in Familienhand gehören. Tochter Isabel sei vor kurzem in die Fußstapfen ihres Vaters getreten, erklärt die 31-Jährige. Trotz gestiegener Lebensmittelpreise und höherer Energiekosten habe sie sich bisher am Markt zu behaupten können.

Warum wird der Verzehr vor Ort, der ja noch nachhaltiger ist, höher besteuert?

Isabel Widmann Gaststätten-Betreiberin aus Dresden

Doch ab Januar soll die Mehrwertsteuer wieder von sieben auf 19 Prozent für gastronomische Einrichtungen erhöht werden. Nicht nachvollziehbar für Isabel Widmann: "Warum wird der Verzehr vor Ort, der ja noch nachhaltiger ist, höher besteuert?"

Schließung weiterer hunderter Gaststätten befürchtet

Der Negativtrend bei der Schließung von Gaststätten und Kneipen könnte sich dadurch verstärken, befürchtet der Hotel- und Gaststättenverband Dehoga Sachsen. Bereits 1.400 Gaststätten und Restaurants in Sachsen wurden dem Dehoga zufolge in den vergangenen zwei Jahren komplett geschlossen.

Das kann der Tourismus in Sachsen auch nicht verkraften.

Axel Klein Dehoga-Chef Sachsen

Laut einer Umfrage des Verbands würden bis zu sieben Prozent der Gastronomiebesitzer bei einer Mehrwertsteuererhöhung aufgeben. Wie viele Gaststätten das in Sachsen wären, sagt Dehoga-Sprecher Axel Klein: "Das ist wieder eine Zahl von 400 bis 500 Unternehmen, die dann noch mal dazu kommen. Das kann der Tourismus in Sachsen auch nicht verkraften."

Einen Antrag, die ermäßigte Mehrwertsteuer für die Gastronomie auch über das Jahr 2023 hinaus fortzuführen, lehnte der Finanzausschuss des Bundestages im Juni mehrheitlich ab. Die CDU/CSU-Fraktion hatte den Antrag eingereicht, dem die AfD ebenfalls zustimmte. Die Linke enthielt sich.

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