Eine Frau bekommt ihren Blutdruck mit einem Messgerät am Arm ermittelt.
Für Menschen mit Blutdruck-Problemen hat eine Leipziger Firma die App actensio entwickelt. Bildrechte: IMAGO / imagebroker

Gesundheit Erste Bluthochdruck-App auf Rezept kommt aus Leipzig

19. Januar 2024, 18:21 Uhr

Bluthochdruck gilt als Volkskrankheit. Zwischen 20 und 30 Millionen Deutsche sollen daran erkrankt sein. Für diese hat eine Leipziger Firma die App "actensio" entwickelt. Es ist die erste, die es für Blutdruck-Patienten auf Rezept gibt. Alle gesetzlichen und die meisten privaten Krankenkassen würden die Kosten übernehmen, sagt der Betreiber der App.

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Der Jahresanfang ist die Zeit der guten Vorsätze. Patienten mit Bluthochdruck können dabei nun erstmals auf digitale Unterstützung per Rezept zurückgreifen. Mit Hilfe einer Leipziger App. Der Gesundheitsdienstleister "mementor" entwickelte "actensio", bekam die Zulassung und kann nun vom Arzt verordnet werden.

Mehr als drei Jahre lang entwickelt

Das freut "mementor"-Geschäftsführerin Katherina Jekerle. Für ihre Firma ist es die zweite App im Programm. Die erste behandelte Schlafstörungen. Wie im Schlaf sei auch beim Blutdruck eine Lebenstil-Intervention sehr wirksam: So haben wir dieses Konzept entwickelt und schon vor drei Jahren mit der Entwicklung gestartet", sagte sie im Gespräch mit MDR SACHSEN. Deshalb "freuen wir uns sehr" über das Gütesiegel vom Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte (BfArM), das Ende des Jahres gekommen sei.

Blutdruckmessung
Ihre Firma entwickelte eine App für Blutdruck-Patienten: Mementor-Geschäftsführerin Katherina Jekerle und der medizinische Leiter Dr. Laurin Rötzer. Bildrechte: MDR / Christian Kerber

Zulassung als Digitale Gesundheitsanwendung

Offiziell erfolgte die Zulassung als "Digitale Gesundheitsanwendung" (DiGA). Dafür zuständig ist das BfArM in Bonn. Das Institut nennt solche Anwendungen, die es seit 2020 gibt, einen "Bestandteil der zukünftigen eHealth-Infrastruktur". Sie würden eng mit anderen digitalen Elementen wie zum Beispiel der elektronischen Patientenakte (ePA) zusammenspielen. Die Deutsche Hochdruckliga, ein Verein von Experten und Betroffenen, hat vier Apps zum Thema Hypertonie, ein anderes Wort für Bluthochdruck, aufgelistet. Als einzige ist actensio dort als DiGA zertifiziert.

Tagebuch und "Albert" helfen

Den Effekt der App erklärt Katherina Jekerle: "Actensio hilft dem Patienten in den Bereichen Bewegung, Ernährung und Stressmanagement, sie hilft quasi einen gesunden Lebensstil im Alltag zu etablieren." Als "zentrales Element" habe die App ein Tagebuch. Auch die Einnahme von Medikamenten könne dort eingetragen werden. Die Patientinnen und Patienten werden vom digitalen Blutdruckexperten "Albert" interaktiv durch das gesamte Programm begleitet.  

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App-Entwicklung kostete einen sechstelligen Betrag

Dem vorausgegangen seien Investitionskosten im "sechsstelligen Bereich aufwärts", so Katherina Jekerle. Dazu kämen "höchste Datenschutzanforderungen".

mementor entwickelte Blutdruck-App actensio
In der App lassen sich die Blutdruck-Werte via Tagebuch eintragen. Bildrechte: mementor

Wirkung könnte wie bei einer Tablette sein

Die von mementor bezahlte Studie der Ruhrlandklinik Essen ergab zum einen bei App-Nutzern eine höhere Patientenbeteiligung und zum anderen die Senkung des oberen Blutdruckwertes in einem Zeitraum von drei Monaten im Durchschnitt um 5,06 mmHG (Millimeter Quecksilbersäule, eine Maßeinheit zur Angabe des statischen Drucks).

Eine ähnliche Senkung könnte man auch mit der Einnahme von Tabletten erreichen. Ein normaler, oberer Blutdruckwert liegt zwischen 120 und 129. Prinzipiell gelten Medikamente und ein gesunder Lebensstil als die beiden Punkte, an denen Betroffene ansetzen können.

App per Freischaltcode

An die App heranzukommen, scheint durch DiGA nicht so schwer zu sein. Katherina Jekerle sagt: "Jeder Arzt mit Kassensitz in Deutschland kann diese App verordnen. Dann bekommt der Patient ein Rezept und reicht das bei der Krankenkasse ein. Die Kasse gibt dem Patienten einen Freischaltcode, und ich kann die App auf dem Handy oder auch in dem Browser auf dem heimischen Computer nutzen."

DiGA verursacht bei vielen Ärzten kein Fragezeichen mehr

Die Digitalisierung hat in der Medizin die Startlöcher verlassen, ist aber noch nicht am Ziel. Katherina Jekerle sagt: "Es gibt einen Fortschritt, allerdings ist auch noch sehr viel zu leisten. Vor drei Jahren konnten nur sehr wenige Ärzte etwas mit dem Wort DiGA anfangen. Jetzt haben deutlich mehr damit Bekanntschaft gemacht und verordnen solche Anwendungen auch. Allerdings ist immer noch sehr große Aufklärung zu leisten." Ohne Rezept gehe es auch, dann brauche man vom Arzt eine Diagnosebestätigung: "Dann kann ich diese der Kasse schicken und bekomme ebenfalls den Code", so Jekerle weiter.

Dr. Rötzer von mementor: "Bluthochdruck ist tückisch"

Bluthochdruck ist eine Volkskrankheit. Etwa 20 bis 30 Millionen Deutsche leiden nach Angaben der Deutschen Hochdruckliga darunter. Dr. Laurin Rötzer, der medizinische Leiter der Leipziger Firma mementor, sagt: "Das Tückische am Bluthochdruck ist, dass man gar nicht merkt, wenn man krank ist. Die Leute fühlen sich nicht krank. Es ist ein Messwert, der erhöht ist, aber man fühlt sich nicht krank."

Doch die Gefahren, einen Herzinfarkt oder Schlaganfall zu bekommen, seien enorm. Jeder zweite Herzinfarkt und zwei von drei Schlaganfällen werden durch Hypertonie verursacht oder mitverursacht. Nach Auskunft des Robert-Koch-Instituts sind Herz-Kreislauf-Erkrankungen für rund 40 Prozent aller Todesfälle in Deutschland zuständig. Dabei spiele Bluthochdruck eine wichtige Rolle.

Sachsen vor Sachsen-Anhalt und Thüringen

Bricht man die deutschlandweiten Zahlen herunter, dann dürften in Sachsen mehr als eine Million Einwohnerinnen und Einwohner einen erhöhten Blutdruck aufweisen. Nach einer Hypertonie-Studie der Krankenkasse Barmer vom 27. Dezember 2023 leiden im Freistaat 173 von 1.000 Einwohnern von 18 bis 64 Jahren unter Bluthockdruck. Damit belegt der Freistaat unter den Ost-Flächenländern den besten Platz. In Sachsen-Anhalt beträgt der Wert 216, in Thüringen 204. Der Schnitt für Deutschland liegt allerdings bei 140.

App nicht auf E-Rezept

Ein E-Rezept gilt übrigens nicht und wird von den Krankenkasse abgelehnt. DIGA kann nur mit einem rosa Kassenrezept in Papierform verordnet werden. Mementor empfiehlt das Kassenrezept Muster 16.

MDR (cke)

Dieses Thema im Programm: MDR SACHSEN - Das Sachsenradio | Regionalnachrichten aus dem Studio Leipzig | 17. Januar 2024 | 11:30 Uhr

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