Löwenrudel
Vor mehr als 100 Jahren soll ein Rudel Löwen durch Leipzig gestreift sein (Symbolbild). Bildrechte: IMAGO/Zoonar

Freilaufende Raubkatzen Die Legende um die Leipziger Löwenjagd

21. Juli 2023, 17:54 Uhr

Im Berlin hat sich aktuell der Verdacht auf eine freilaufende Löwin nicht bestätigt. Doch im Leipzig der Vergangenheit sah das anders aus. Denn: Im Oktober 1913 hat eine Löwenjagd stattgefunden, die im Zusammenhang mit der Eröffnung des Völkerschlachtdenkmals stehen soll. Kaiser, Könige und Fürsten waren damals angereist. Man erzählt sich, dass Anarchisten Löwen freigelassen haben sollen, um die Jubelfeier fürs Denkmal zu stören. Der Vorfall wurde zur Legende der "Leipziger Löwenjagd".

Der Leipziger Schriftsteller Erich Loest hat in seinem Roman "Völkerschlachtdenkmal" die wohl spektakulärste Legende der Stadt beschrieben und damit an der Bedeutung der Löwen für Leipzig weiter mitgeschrieben. Nicht nur ist der Löwe das Wappentier der Messestadt, sondern die Löwenhaltung und -zucht im Leipziger Zoo haben eine lange wechselvolle Geschichte.

Löwen sollten den Kaiser jagen?

Zur Einweihung des Völkerschlachtdenkmals versammelten sich im Oktober 1913 Europas gekrönte Häupter für Feierlichkeiten. Ein Umstand, den die Gegnerinnen und Gegner des Denkmals nutzen wollten. Ihr Plan sah vor, während der Zeremonie ein Rudel Löwen frei zu lassen und so Verwirrung und Panik zu erzeugen. Die Aktion soll außer Kontrolle geraten sein.

Die Legende besagt, dass der Wagen, in dem die Löwen transportiert wurden, verunglückte. Dem Löwenrudel gelang es, aus dem Transportwagen auszubrechen und in die Leipziger Innenstadt zu flüchten. Sofort blies die Polizei zur Löwenjagd.

Drei Löwenkinder Mira , Yaro und Kiron sitzen auf dem Felsen im Außengehege.
Die Angst der Bevölkerung vor entlaufenen Raubkatzen gab es schon im 20. Jahrhundert. Bildrechte: IMAGO / Jan Huebner

Was ist dran an der Löwenjagd-Legende?

Fakt ist, dass es im Oktober 1913 rund um die Einweihung des Völkerschlachtdenkmals allerlei Attraktionen gab. Eine davon war die Löwennummer des Zirkus Barum mit seinem Star-Löwen Abdul. Waren es doch die Zirkuslöwen, die ausgerissen sind? In Archiven finden sich Zeichnungen von wackeren Polizeibeamten, die rund um den Leipziger Hauptbahnhof mit Säbeln und Pistolen auf Löwen losgehen. Außerdem existiert eine Postkarte, die Schutzbeamte vor sechs getöteten Löwen zeigt. Es ist demnach eher wahrscheinlich, dass ein Tierunfall für die Legendenbildung gesorgt hat.

Text auf einer Postkarte "Am 19. Okt. 1913 nachts gegen 12 Uhr entkamen aus einem Transportwagen des Zirkus Barum in der Blücherstraße in Leipzig 8 Löwen. Einer wurde von den hier abgebildeten Wärtern in einem Hotel in der Blücherstraße mittels Kistenfalle eingefangen. Ein 2. wurde in einem Hofe der Berliner Straße gefangen, während die übrigen 6 Bestien durch Revolverschüsse von Lpzg. Schutzleuten getötet wurden." Heinz-Jürgen Böhme, Günter Clemens: Bilderbogen. Leipziger Ansichtskartenserien von 1895 bis 1945. Pro Leipzig, Leipzig 2010, S. 29.

Das Völkerschlachtdenkmal, 2021
Das Völkerschlachtdenkmal im Osten von Leipzig ist bis heute eine Touristen-Attraktion. Bildrechte: IMAGO / Sylvio Dittrich

Kritik aus der Bevölkerung gegen die Eröffnung im Jahr 1913

Die Idee zum "Löwensturm" auf die Monarchen Europas stamme von Vojciech Machulski, schreibt wiederum Schriftsteller Erich Loest. Zum ersten Mal erblickten damals die Leipzigerinnen und Leipziger den 91 Meter hohen Koloss Völkerschlachtdenkmal. Manch einem missfiel die martialische Symbolik. Die örtliche SPD rief zu Massenkundgebungen gegen den Völkerschlachtrummel auf. Bei anderen jedoch weckte der Bau patriotische Begeisterung. Ein gefährliche Mischung, die bei den Sicherheitskräften aus Sachsen und Preußen Angst vor Anschlägen schürte.

"Nur weil ein paar Fürsten kommen", meinten die Sozialdemokraten damals, müsse man keine Straßensperren aufstellen und die Bürger gängeln. In der Woche vor dem Kaiserbesuch hielten die Sozialdemokraten Protestkundgebungen ab gegen die "Geschichtslügen" durch das nationale Denkmal und gegen das allgemeine Kriegsgetöse, das in der Luft lag. Der Erste Weltkrieg begann - nur wenige Monate später - im Sommer 1914.

Jede Menge Stoff, aus dem sich Mythen stricken lassen. Die Legende über die freilaufenden Löwen ist 2013 - anlässlich des 100-jährigen Jubiläums der Denkmaleröffnung - ausführlich im MDR-Film "Die Löwenjagd zu Leipzig und das Völkerschlachtdenkmal" besprochen worden.

MDR (sme)

Dieses Thema im Programm: MDR SACHSEN - Das Sachsenradio | Nachrichten | 21. Juli 2023 | 10:00 Uhr

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