Historisches Spielzeug Spielschiffmuseum Mutzschen: Dem Bötchenbauer über die Schulter geschaut
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10. April 2023, 19:41 Uhr
Der gebürtige Franzose Claude Bernard hat seine Sammlung vor vielen Jahren ganz klein mit zwei Deko-Booten begonnen. Mittlerweile zählt er mehrere Hundert historische Spielzeugschiffe. In den Osterfeiertagen konnten sich Spielzeug-Fans nicht nur über die Raritäten der Ausstellung informieren, sondern selbst Hand anlegen.
- Der gebürtige Franzose Claude Bernard hat in 35 Jahren mehr als 1.800 Spielzeugschiffe gesammelt.
- Verarmte Schnitzer mussten sich einst an Schiffsabbildungen auf Zigarrenschachteln orientieren.
- Jüngere und Ältere können selbst das Schnitzermesser in die Hand nehmen und ein Bötchen basteln.
"Jetzt gehts los", sagt Gustav Luthardt und legt ein Kielmesser an ein Holzstück an. Er schabt große Späne daraus. Der Schnitzermeister aus dem thüringischen Örtchen Mengersgereuth braucht etwa 40 Minuten, um aus dem groben Holzblock ein ansehnliches Spielzeug-Schiffchen zu schnitzen. Dabei muss er kräftig Hand anlegen. "Da braucht man kein Fitnessstudio mehr", sagt der 77-Jährige und lacht.
Während Luthardt auf dem Schnitzblock sitzt, schauen ihm Kinder und Erwachsene beim werkeln zu. "Reich mir mal bitte die Handsäge rüber", sagt Gustav Luthardt zu einem etwa zehn Jahre alten Jungen. Das Schiffchen nimmt langsam Form an. Nebenbei erzählt Luthardt von den Schnitzern in seiner Heimat, die noch vor Hundert Jahren mehrere Dutzend solcher Holzschiffe am Tag gebaut haben sollen. "Die alten Schnitzer waren doppelt so schnell" , sagt der Thüringer.
Mehr als 1.800 Spielzeugschiffe gesammelt
Reich geworden seien die Schnitzer damals nicht, erklärt Sammler Claude Bernard: "Mit dem Schnitzen solcher Boote konnte man keine Familie ernähren." Der gebürtige Franzose hat vor 35 Jahren begonnen, Spielzeugschiffe zu sammeln. Alles habe ganz klein mit zwei Deko-Schiffen angefangen, erzählt der 67-Jährige, der vor 20 Jahren in die Heimat seiner Frau Annett in Sachsen zog. Mittlerweile sind 1.800 Spielzeugschiffe in seiner Sammlung allen Größen und Varianten aus Holz, Blech oder Pappmaché zusammen gekommen.
In Deutschland wurden damals die meisten Spielschiffe weltweit gebaut.
Wenn Claude Bernard durch seine Sammlung führt, berichtet er ausführlich an den Vitrinen darüber, wie Spielzeugschiffe früher gefertigt wurden. Bis in die 1920er-Jahre seien diese noch ein Luxusartikel für reiche Kinder gewesen, sagt Bernard. Und was viele nicht wüssten: "In Deutschland wurden damals die meisten Spielschiffe weltweit gebaut", so der Spielboot-Experte. In der Region um Sonneberg in Thüringen seien die meisten geschnitzt worden. Aber auch in Leipzig wurden bis zu Beginn des Zweiten Weltkriegs Spielzeugschiffe angefertigt, erklärt Bernard.
Schnitzer orientieren sich an Zigarrenschachteln
Bernard ist ein Kenner rund um das Thema Spielzeugschiffe. Mit Stolz zeigt er auf besondere Raritäten in seiner Sammlung, etwa auf ein Schiffchen aus Blech, das über ein Uhrwerk aufgezogen wurde und rund 100 Meter auf dem Wasser fahren konnte. Ein Spielzeugschiff, das entfernt an das Segelschiff Gorch Fock erinnert, schaut sich Bernard genauer an. "Das einzige, was hier mit einem echten Segelschiff gleich ist, sind die drei Masten", sagt Bernard und muss schmunzeln.
Viele Schnitzer hatten noch nie ein echtes Schiff gesehen. Sie hatten zum Beispiel von Zigarrenschachteln die Schiffe abgezeichnet und dann geschnitzt.
Dass viele historische Spielzeugschiffe nur entfernt wie echte Schiffe aussahen, kam nicht von ungefähr, erklärt Bernard: "Viele Schnitzer hatten noch nie ein echtes Schiff gesehen. Sie hatten zum Beispiel von Zigarrenschachteln die Schiffe abgezeichnet und dann geschnitzt."
Sammlung weckt Kindheitserinnerungen
Während Claude Bernard an einer Glasvitrine auf ein Indianerschiff zeigt, hören Georg und Ingrid Pasternak genau zu. "An dieses Modell kann ich mich noch erinnern", sagt Georg Pasternak. Der heute 72-Jährige hat als Kind gerne Schiffchen gebastelt, erzählt er. "Die sahen natürlich nicht so professionell aus, wie die industriell gefertigten, die man hier in der Ausstellung sieht."
Selbst ein Bötchen schnitzen
Die Bohrmaschine rattert. Bötchenschnitzer Gustav Luthardt bohrt drei Löcher in das fast fertige Schiff. Seine Frau Renate zeigt einem Jungen, wie er die Schiffsmasten schleifen muss. "Die Kinder haben manchmal ganz schön Ausdauer beim Schnitzen. Das ist auch unser Hauptanliegen, dieses Handwerk weiterzugeben", sagt die 76-Jährige. Die Kinder können sich am Ende des Tages ihre geschnitzten Boote natürlich mitnehmen.
Schnitzen ist ein altes Handwerk, das man nicht in drei Minuten lernt.
Aber auch Ältere können sich immer noch für die Spielzeugboote begeistern, wie Roland Krause. Er schabt dicke Späne aus einem Holzstück. "Schnitzen ist ein altes Handwerk, das man nicht in drei Minuten lernt", sagt Krause. Es sei wichtig, dass die jüngere Generation solche Techniken kennenlernt. Während Roland Krause kräftig mit dem Kielmesser Hand anlegt, nimmt Schnitzermeister Gustav Luthardt die Mundharmonika in die Hand und stimmt eine fröhliche Melodie an. Da fällt das Werkeln gleich noch einmal leichter.
MDR (phb)