Menschen halten Protestschilder gegenn das geplante Industriegebiet bei Wiedemar hoch.
Die Bürgerinitiative "Kein Industriegebiet" hatte mit Plakaten für den Erhalt der ländlichen Idylle rings um Wiedemar geworben. Bildrechte: MITTELDEUTSCHER RUNDFUNK

Bürgerentscheid Kein riesiges Industriegebiet in Wiedemar

03. September 2024, 15:06 Uhr

In Wiedemar war am Sonntag nicht nur die Stimme für den Sächsischen Landtag gefragt, sondern auch die Meinung zum geplanten Industriegebiet nahe der Gemeinde. Zwei Drittel stimmten in einem Bürgerentscheid dagegen. Sie wollen den ländlichen Charakter ihrer Region erhalten. Bürgermeister, Landkreis und Freistaat dagegen hatten schon mit Gewerbeeinnahmen geliebäugelt. Auf der mehr als 670 Fußballfelder großen Fläche sollten sich Technologiefirmen ansiedeln. Diese Pläne sind vorerst geplatzt.

Selbst die Bürgerinitiative "Landleben statt Industriegebiet" war von dem Ergebnis überrascht: Zwar hatten die Mitstreiter um Luisa Gruber rund zwei Jahre lang mit vielen Argumenten gegen die Ansiedlung mobil gemacht. Dass am Ende aber 65 Prozent der Abstimmungsberechtigten gegen Industrie vor den Toren der Dörfer stimmen würden, sei nicht unbedingt zu erwarten gewesen.

Dass das Ergebnis so eindeutig ist, also, ein klareres Zeichen gibt es nicht.

Luisa Gruber Sprecherin Bürgerinitiative "Landleben statt Industriegebiet"

Gewaltige Pläne und Hoffnungen

Bürgermeister Steve Ganzer (CDU) hatte Großes vor. Er träumte von High-Tech-Unternehmen auf der grünen Wiese. Rund 400 Hektar, die weit und breit einmalig seien, betonten Planer immer wieder: flach, leicht zu bebauen und verkehrsgünstig mit den Autobahnen 9 und 14 und dem Flughafen gelegen. Eine Größenordnung größer als das Tesla-Gelände in Brandenburg oder so groß wie Intel in Magdeburg.

Es ist immens viel Potenzial verloren gegangen.

Steve Ganzer Bürgermeister (CDU)

Bis zu 20.000 Arbeitsplätze hätten auf dem Gelände entstehen können. Bürgermeister Ganzer träumte von gewaltigen Steuereinnahmen. Damit sollte die Grundschule in Kyhna ausgebaut, Straßenbauprojekte bezahlt und Dorfgemeinschaftshäuser unterstützt werden. Der Bürgermeister hatte sich für seine Gemeinde ein anderes Ergebnis gewünscht und fürchtet nun, dass viele Projekte nicht bezahlt werden könnten.

Karte mit dem geplanten Gewerbegebiet und den vorhandenen Zufahrtsstraßen
Die Gemeinde Wiedemar wollte den Flächennutzungsplan zwischen den Ortsteilen Pohritzsch, Zschernitz und der Bundesstraße B183a ändern, um 400 Hektar landwirtschaftliche Flächen für ein Industriegebiet nutzen zu können. Bildrechte: MITTELDEUTSCHER RUNDFUNK

Politik sah nationales Interesse - Bürger nicht

Steve Ganzer erhielt bei seinen Pläne große Unterstützung aus dem Landkreis, aber auch von der Landesregierung. CDU-Ministerpräsident Michael Kretschmer sagte bei einem Besuch in Wiedemar zu Beginn des Jahres, das Industriegebiet sei von nationalem Interesse. Es brauche große Industrieansiedlungen, damit der Osten und der Freistaat wettbewerbsfähig blieben. Gleichzeitig betonte er aber auch in einem Interview mit MDR SACHSEN, dass die Bürger mitentscheiden sollten.

Die Menschen haben entschieden

Gegenwind gab es vor allem aus den Dörfern Kyhna, Pohritzsch und Zschernitz, die direkt an das Planungsgebiet angrenzen, aber auch die Einwohner von entfernter liegenden Dörfern haben sich laut Abstimmungsergebnis gegen das Industriegebiet entschieden. Sie fürchten nicht nur um die ländliche Idylle, sondern wollen auch Ackerland erhalten. Ein derartig riesiges Industriegebiet hätte das Leben in der Gemeinde umgekrempelt, so die Sprecherin der Bürgerinitiative.

Wie geht es jetzt weiter?

Drei Viertel der Wahlberechtigten haben sich an dem Bürgerentscheid beteiligt. Er ist bindend - zumindest für die kommenden drei Jahre. So steht es in der Sächsischen Gemeindeordnung. Der Gemeinderat wird in einer der nächsten Sitzungen die Pläne stoppen.

Kritik am Bürgerentscheid

Der Bürgerentscheid sei kein gutes Signal für den Wirtschaftsstandort Sachsen, sagte der Geschäftsführer der Metropolregion Mitteldeutschland, Jörn-Heinrich Tobaben. Das besondere Pfund in Mitteldeutschland sei gewesen, dass solche großen Flächen im Angebote waren, um im Wettbewerb der Regionen aufholen zu können. Zur Zeit sei man dabei, diesen Vorteil einzubüßen. Die Menschen in den Orten würden nicht richtig mitgenommen, meinte Tobaben. Zugleich sagte der Geschäftsführer der Metropolregion Mitteldeutschland, dass der Freistaat seine Bemühungen nicht einstellen und an anderer Stelle Flächen finden werde.

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MDR (gri)

Dieses Thema im Programm: MDR SACHSEN - Das Sachsenradio | Regionalreport aus dem Studio Leipzig | 02. September 2024 | 16:30 Uhr

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