Ausbildungsstart Pferdewirt in Graditz: "Liebe zum Traumberuf reicht nicht - das ist ein sehr harter Job"
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08. August 2024, 06:00 Uhr
Das Ausbildungsjahr hat offiziell begonnen. Während einige Betriebe noch Lehrlinge suchen, beklagt sich das Gestüt Graditz nicht über Lücken bei den Azubi-Stellen. Mehr als 20 Lehrlinge lernen dort - vor den Toren Torgaus - mit Pferden umzugehen. MDR SACHSEN-Reporter Mathias Schaefer hat zwei Auszubildende getroffen.
Die Morgensonne funkelt durch die Fenster des prächtigen Stuten-Stalls und rund 40 Pferde werden langsam unruhig. 6:45 Uhr ist Marlene Münzer zum Füttern eingeteilt. Am sächsischen Hauptgestüt in Graditz wird die 17-Jährige zur Pferdewirtin ausgebildet. Sie ist im zweiten von drei Lehrjahren: "Es ist ja ein sehr imposantes Schloss und ich fühle mich sehr geschmeichelt und geehrt, dass ich hier arbeiten darf. Ich schätze das wirklich jeden Tag", sagt die Auszubildende.
Graditzer Pferdezucht seit mehr als 300 Jahren
Das Anwesen mit Schloss und den Ställen aus Backsteinmauern beeindruckt: Schon 330 Jahre lang werden vor den Toren Torgaus Pferde gezüchtet. Dass die Tiere der Rassen "Deutsches Sportpferd" oder "Trakehner" zur europäischen Spitzenklasse zählen, muss der Stallverantwortliche Michael Beyer seinen Auszubildenden nicht mehr erklären: "Wir haben eine sehr gut durchgezüchtete Mutterstutenherde." Die Fohlen seien ansprechend und vorzeigbar. "Das ist einer unserer großen Vorteile, diese durchgezüchtete Mutterherde", betont Beyer.
Falsche Vorstellungen vom Traumberuf
Die 17 Jahre alte Marlene ist in Wolfsburg in Niedersachsen mit Pferden aufgewachsen. Der Beruf Pferdewirtin ist ihr Traumjob. Sie ist eine von insgesamt 22 Auszubildenden in Graditz. Die Ausbildungsplätze sind begehrt. Dreimal mehr Mädchen und Jungen bewerben sich als es Plätze gibt. Allzu oft hätten die Jugendlichen aber falsche Vorstellungen und würden abbrechen, sagt die Ausbildungsleiterin Carolin Dins.
Nur die Liebe zum Pferd reicht nicht aus. Das ist ein sehr harter Job. Oft sind es lange Tage, die früh anfangen und bis spät abends gehen.
"Nur die Liebe zum Pferd reicht nicht aus", sagt Dins und fügt an: "Das ist ein sehr harter Job. Oft sind es lange Tage, die früh anfangen und bis spät abends gehen. Die Pferde wollen an 365 Tagen im Jahr versorgt werden." Auch zu Heiligabend oder Silvester müssen die Auszubildenden ran. Außerdem: Fohlen kämen üblicherweise nachts zur Welt. Stallwache zur Schlafenszeit sei nicht jedermanns Sache. Erst vor wenigen Tagen hat deshalb eine Auszubildende nach Angaben des Gestüts kalte Füße bekommen.
Für Annabel Müller ist Aufgeben kein Thema. Sie will sich durchbeißen. Wie all die anderen Lehrlinge wohnt sie während der Lehrzeit im Wohnheim auf dem Gelände in Graditz. Die 18-Jährige aus der Nähe von Dresden sattelt gerade eine der Trakehner-Stuten. Das Reiten ist fester Bestandteil der Ausbildung.
Jeden Tag eine Stunde im Sattel
Täglich eine Unterrichtsstunde verbringen die angehenden Pferdewirtinnen im Sattel. Auch unbeliebte Disziplinen werden am Ende der Ausbildung geprüft: Sie sei mehr aus dem Springreiten gekommen. Deswegen falle ihr die Dressur nicht so leicht. "Aber hier kriegt man alles sehr gut vermittelt." Man verbessere sich schnell, wenn man sage, welche Schwächen und Stärken man habe. "Und da wird dann dran gearbeitet", sagt Müller.
Und das offenbar mit Erfolg. Die Jahrgangsbeste aller sächsischen Pferdewirte kam im vergangenen Ausbildungsjahr von Sachsens Hauptgestüt in Graditz. Zudem schlossen vier weitere Absolventen mit Auszeichnung ab.
MDR (sth/msc)
Dieses Thema im Programm: MDR SACHSEN - Das Sachsenradio | Regionalreport aus dem Studio Leipzig | 07. August 2024 | 16:30 Uhr