Erholung im Wald Waldbaden in Kohren-Sahlis: Zwischen Pilzkraut und Blütenduft die Zeit vergessen
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01. April 2024, 16:49 Uhr
Waldbaden ist in den vergangenen Jahren weltweit populär geworden. Viele Studien belegen die positive Wirkung. Eine Großstädterin kehrte der Stadt den Rücken, um ins Ländliche zu gehen. Nun macht sie als Waldpädagogin in Kohren-Sahlis bei ihren Trainings in der Natur auf die vielen großen und auch ganz kleinen Schätze im heimischen Wald aufmerksam. Ich bin mit ihr auf Entdeckungstour gegangen.
Vogelgezwitschter, ein Bach plätschert gemächlich vor sich hin. Eine ältere Frau greift ruhig mit flacher Hand auf den Stamm eines hohen Baumes. "Wir fühlen die Rinde der Buche und merken die Temperatur", sagt Karola Günther. Die 55-Jährige bietet Trainings zum Waldbaden in Kohren-Sahlis südlich von Leipzig an. Es gehe dabei um Achtsamkeit und darum, Ruhe in der Natur zu finden, erklärt die Waldpädagogin. "Wir genießen die Ruhe des Waldes. Wir baden hier in der Atmosphäre."
Was ist Waldbaden?
"Waldbaden" ist eine Praxis, die in Japan als "Shinrin-yoku" bekannt ist und sich auf das Eintauchen in die Natur und den Wald mit allen Sinnen konzentriert. Damit soll die Gesundheit von Körper und Geist gefördert werden. Diese Praxis hat in den letzten Jahren weltweit an Popularität gewonnen, da zahlreiche Studien die positiven Auswirkungen des Aufenthalts in der Natur belegen. Sie zeigen beispielsweise: 20 Minuten Spazierengehen im Wald reduziert das Stressempfinden, senkt den Blutdruck, die Herzfrequenz und vermindert Stresshormone im Blut. Der Naturkontakt hebt die Stimmung und hilft bei der Therapie von Depressionen. Waldbaden stärkt zudem das Immunsystem. Das Problem ist: Viele Studien zum Thema Waldbaden genügen nicht immer den aktuellen wissenschaftlichen Standards. Die kausalen Zusammenhänge sind nicht immer belegt.
Zur Ruhe zu kommen und gleichzeitig etwas lernen - das liegt nah beieinander, merke ich bei dieser ersten Übung. Wer weiß schon, dass Baumrinde unterschiedlich warm ist? Karola Günther berührt den Stamm eines anderen Baumes: "Wir stellen fest, dass die Eiche wesentlich wärmer ist als die Buche. Das liegt an der dicken Rinde der Eiche."
Blick für das Kleine und Unscheinbare
Mit einem Blick für die vielen kleinen Dinge führt Günther Gruppen bis zu acht Personen durch den heimischen Wald. Die Kräuterkundige bleibt dabei immer wieder stehen, um auf etwas aufmerksam zu machen, was andere übersehen oder zertreten. Günther zeigt auf eine Blume mit gelben Blüten. "Schau mal! Das ist Scharbockskraut. Das haben schon unsere Vorfahren gegessen. Aber es ist nur essbar, solange es noch nicht blüht", erklärt Günther.
Auf Ziegenwanderung oder in den Irrgarten gehen
Ihr ist anzumerken, dass sie in der Ruhe des Waldes aufgeht - das strahlt sie aus. "Ich bin froh, nicht mehr in der Großstadt zu wohnen", sagt die gebürtige Chemnitzerin. Sie habe als Stellwerksmeisterin gearbeitet, bevor sie mit ihrem Mann Jörg den Irrgarten der Sinne im ländlichen Kohren-Sahlis im Jahr 2006 eröffnete, erzählt sie. Mittlerweile bietet das Ehepaar neben dem Waldbaden auch Kräuter- und Märchentouren an. Zudem gehören Ziegenwanderungen und Rätselsuchen zum Angebot.
Den Wald sehen, spüren, riechen
Günther nutzt beim Waldbaden einfache Alltagsgegenstände, um auf die kleinen Besonderheiten im Wald aufmerksam zu machen. Sie setzt etwa eine leere Toilettenpapierrolle auf die Rinde eines Baumes. Der Blick ist nun nur noch auf den kreisförmigen Bereich gelenkt. "Siehst du die Insekten in diesem kleinen Teil des Baumes?"
Die Leute bekommen die Zeit, die sie brauchen. Hier geht alles ohne Stress.
Bei einer anderen Übung geht es darum, weiche und harte, helle und dunkle Dinge im Wald zu suchen. Ich gehe auf eine Wiese. Weiches Moos, stachelige Zapfen, helle Blüten - schnell will ich die Aufgabe erfüllt haben. Aber das muss gar nicht sein, sagt Günther mit ruhiger Stimme: "Die Leute bekommen die Zeit, die sie brauchen. Hier geht alles ohne Stress." Sie nehme sich beim Baden im Wald die Zeit - die Trainings können bis zu drei Stunden dauern.
Tipps für die heimische Küche
Und die Kräuterkundige hat reichlich Tipps für die heimische Küche parat. Günther zieht von einer kleinen, unscheinbaren Pflanze am Wegesrand ein Blatt ab. "Rieche einmal am Pilzkraut! Das stinkt am Anfang." Sie zerreibt das Blatt in der Hand. "Nun riecht es nach frischen Champignons. Das Pilzkraut nutzen auch Sterneköche", erklärt Günther. Über die Vielfalt der heimischen Kräuter könnte sie Stunden erzählen.
Die Reizüberflutung hinter sich lassen
Eine Stunde im Wald mit Karola Günther kommt mir doppelt solange vor. Vertieft in Geräusche, Düfte und Farben der Natur habe ich die Zeit aus den Augen verloren. "Die Reizüberflutung der Stadt nimmt uns der Wald", erklärt Günther. "Hier konzentrieren wir uns auf höchstens ein, zwei Dinge. Das hilft uns gelassener zu werden", sagt sie. Dass ein Gang in den Wald Stress senkt, sei wissenschaftlich belegt.
Die Reizüberflutung der Stadt nimmt uns der Wald. Das hilft uns gelassener zu werden.
Dann verabschiedet sich Karola Günther mit einem Lächeln. Vogelgesang lässt mich für einen Moment noch genießen, lauschen und verweilen. Es geht ruhiger durch den Rest des Tages.
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