Neue Grundsteuer Großstädte in Sachsen senken Hebesatz - Klagen bislang abgewiesen
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09. November 2024, 07:00 Uhr
Die Grundsteuer ist für Städte und Gemeinden in Sachsen eine der wichtigsten Einnahmequellen. Damit werden unter anderem Kindergärten, Schulen oder Straßen bezahlt. Deshalb rechnen derzeit viele Kämmerer mit spitzem Stift, wie hoch künftig der sogenannte Hebesatz sein soll. Denn erst mit diesem Faktor kann man ausrechnen, wieviel die Eigentümer künftig zahlen müssen. Vielen Hausbesitzern drohen aber höhere Steuern. Sie haben Einspruch beim Finanzamt eingelegt oder geklagt.
- Die neue Grundsteuer ab 1. Januar wird Eigentümer von Häusern und Grundstücken unterschiedlich belasten.
- Hunderttausende von Einsprüchen bei den Finanzämtern sind noch offen.
- Das sächsische Finanzgericht hat bislang alle Klagen abgewiesen.
Die Stadt Leipzig will den Grundsteuerhebesatz zum 1. Januar 2025 senken. Dort soll der Hebesatz für bebaute und unbebaute Grundstücke künftig bei 450 Prozent liegen. Das sind 200 Prozentpunkte weniger als bisher. "Wenn wir den alten Hebesatz nehmen würden mit 650 Basispunkten, hätten wir Mehreinnahmen im Haushalt", sagte Leipzigs Finanzbürgermeister Torsten Bonew (CDU), MDR SACHSEN. Das würde ihn als Kämmerer freuen, als Privatmann aber ärgern. "Außerdem haben sich alle deutschen Kommunen und auch die Stadt Leipzig dazu verpflichtet, die Grundsteuer nicht für die Haushaltssanierung zu nehmen."
Hintergrund ist die neue Bemessung der Grundsteuer, die das Bundesverfassungsgericht 2018 angemahnt hatte. "Unser Ansatz war, wir wollen dieses Jahr 102 Millionen Euro einnehmen. Wie hoch muss der Hebesatz sein, dass wir auch im nächsten Jahr 102 Millionen Euro einnehmen", erklärte Bonew. Der Leipziger Stadtrat muss abschließend noch darüber entscheiden, bevor der Hebesatz im Januar in Kraft tritt.
Eigenheime am Stadtrand künftig stärker belastet
Der Leipziger Kämmerer geht davon aus, dass einige Eigentümer künftig mehr bezahlen müssen, aber nicht etwa in der Innenstadt: "Je weiter weg von der Innenstadt und je weniger Wohneinheiten auf einem Grundstück, desto höher wird die neue Grundsteuer." Warum ist das so?
Je weiter weg von der Innenstadt und je weniger Wohneinheiten auf einem Grundstück, desto höher wird die neue Grundsteuer.
Hauptgrund sei der Bodenwert, der künftig einen größeren Bestandteil der Steuerberechnung darstelle. "Diese Verschiebung ist besonders bemerkenswert, da die bisherige Grundsteuerberechnung auf veralteten Daten aus dem Jahr 1935 basierte. Somit werden häufig die Eigenheime stärker belastet als die Mehrfamilienhäuser." Bonew rechnet damit, dass das unter Eigentümern für Ärger sorgen wird. "Das ist sehr bedauerlich, aber es ist das, was uns der Bundesgesetzgeber nach dem Urteil auferlegt hat."
Bis zum 30. Juni 2025 haben die Kommunen noch Zeit, neue Hebesätze zu beschließen, sie gelten dann rückwirkend für das laufende Jahr.
Was ist die Grundsteuer? (zum Aufklappen)
"Die Grundsteuer wird auf den Grundbesitz erhoben. Hierzu gehören Grundstücke einschließlich der Gebäude sowie Betriebe der Land- und Forstwirtschaft. Gezahlt wird sie grundsätzlich von den Eigentümerinnen und Eigentümern. Im Fall der Vermietung kann die Grundsteuer gemäß den geltenden zivilrechtlichen Bestimmungen über die Betriebskosten auf die Mieterinnen und Mieter umgelegt werden." (...) "Die durch die Grundsteuer erzielten Einnahmen fließen ausschließlich den Städten und Gemeinden zu. Derzeit sind es über 15 Milliarden Euro jährlich. Damit zählt die Grundsteuer zu den wichtigsten Einnahmequellen der Gemeinden", beispielsweise um Kitas, Schwimmbäder und Büchereien zu unterhalten. Ab 1. Januar 2025 wird die Grundsteuer anhand der aktualisierten Regeln und Hebesätzen erhoben.
Quelle: Bundesfinanzministerium
Auch Dresden und Chemnitz senken Grundsteuerhebesatz
Ähnlich wie Leipzig verfahren auch die Städte Dresden und Chemnitz. In Dresden hat der Stadtrat den Hebesatz für die Grundsteuer B auf 400 Prozent gesenkt, in Chemnitz auf 493 Prozent. Doch letztlich wissen viele Kämmerer noch nicht, mit wieviel Einnahmen aus der Grundsteuer sie im kommenden Jahr rechnen können. Grund sind die vielen Einsprüche und auch Klagen von Eigentümern. Sie wehren sich gegen die Bescheide der Finanzbehörden über den Bodenwert bzw. den Grundsteuermessbetrag ihres Wohneigentums.
Eine halbe Million Einsprüche bei Finanzämtern offen
Wie das sächsische Finanzministerium auf Anfrage von MDR SACHSEN mitteilte, sind noch mehr als 520.000 Einsprüche von Eigentümern offen, rund 72.000 Einsprüche haben die Finanzämter bereits bearbeitet. Dabei seien eindeutige Fälle vorgezogen worden: "Wenn Steuerpflichtige in ihrer Erklärung bspw. die Größe des Grundstücks oder einer Wohnung oder die Anzahl der Garagen versehentlich falsch angegeben hatten, wurde dem Einspruch in vielen Fällen zeitnah entsprochen und die Bescheide dem Vorbringen der Eigentümer folgend geändert." Mehr als 60 Prozent der bearbeiteten Einsprüche wurde damit stattgegeben.
Die meisten offenen Einsprüche ruhen nach Angaben des Ministeriums, bis es eine verfassungsrechtlichen Klärung gibt.
Finanzgericht hat bislang alle Klagen abgewiesen
Beim Sächsischen Finanzgericht in Leipzig liegen nach Ministeriumsangaben noch etwa 20 Klagen gegen die neue Grundsteuer auf dem Tisch. Zwölf Klagen gegen Bescheide wurde demnach als unbegründet abgewiesen. Die jüngsten Entscheidungen vom Dienstag betreffen nach Angaben des Gerichts eigengenutzte und vermietete Eigentumswohnungen. Die Kläger hielten das neue Grundsteuergesetz für verfassungswidrig und wollten individuelle Gegebenheiten der Grundstücke für die Bewertung berücksichtigt wissen. Revision gegen die Urteile hat das Gericht zugelassen.
Musterklage und höchstrichterliche Entscheidung
Viele Eigenheimbesitzer hoffen nun auch in Sachsen auf einer Musterklage des Eigentümerverbands "Haus und Grund". Es geht dabei um vier vermietete Eigentumswohnungen in einem Sanierungsgebiet in Chemnitz. Mit einer verfassungsrechtlichen Klärung rechnet der Verband erst im kommenden Jahr, teilte der Verband auf Anfrage mit.
Einen Etappensieg habe man schon erreicht, nachdem der Bundesfinanzhof im Mai dieses Jahres Zweifel an der Rechtmäßigkeit der Bodenrichtwerte geäußert habe, wie sie auch nach dem in Sachsen verwendeten sogenannten Bundesmodell erhoben werden. "Folge war, dass die Finanzämter jetzt die Bewertung neu vornehmen müssen, wenn der Eigentümer nachweist, dass der Wert zum 1.1.22 mindestens 40 Prozent unter dem Wert lag, den das Finanzamt für diesen Stichtag ermittelt hat."
Der Nachweis der Abweichung wird nach Meinung von "Haus und Grund" aber nur wenigen Eigentümern gelingen und berge das Risiko, ein teures Gutachten mit ungewissem Ausgang zu beauftragen.
MDR (kbe)
Dieses Thema im Programm: MDR SACHSEN - Das Sachsenradio | Regionalreport aus dem Studio Leipzig | 01. November 2024 | 14:30 Uhr