Nach Insovenzantrag Stimmung bei Galeria Leipzig: "Jetzt sind wir wieder alle in Schockstarre"
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10. Januar 2024, 16:33 Uhr
Zum dritten Mal hat die Warenhauskette Galeria Karstadt Kaufhof Insolvenzantrag gestellt. Die Kette betreibt in Mitteldeutschland noch fünf Häuser: in Leipzig, Dresden, Chemnitz, Erfurt und Magdeburg. Noch im Frühjahr 2023 schien das Rettungskonzept aussichtsreich. Doch nach der Insolvenz wesentlicher Gesellschaften des Mutterkonzerns, der Signa-Gruppe in Österreich und dem nunmehr dritten Galeria-Insolvenzantrag, ist bei den bundesweit noch 12.000 Mitarbeitern die Angst zurück.
- "Wir wissen nicht, wie es weitergeht" - die Stimmung bei Galeria Leipzig.
- Kaufhauskonzern sucht neuen Eigentümer, Bundesagentur zahlt Beschäftigten Insolvenzgeld.
- Handelsexperte: "Zeit der Unsicherheiten für Mitarbeiter wird bleiben"
"Was soll ich noch sagen? Überall geht Unsicherheit um", sagt eine Mitarbeiterin Anfang 50 über die Stimmung bei Galeria in Leipzig am Dienstag. Die Inhaberin der Änderungsschneiderei Unikat im Kaufhaus, Stefanie Pres, beschreibt die Lage unter den rund 170 Beschäftigten so: "Jetzt sind wir wieder alle in Schockstarre und wissen nicht, wie es weitergeht." Seit Tagen sei die Stimmung unter den Mitarbeitenden bei Galeria gedrückt gewesen.
Weil es schon wieder um alles geht innerhalb so kurzer Zeit, macht sich auch stille Verzweiflung breit.
"Keiner sagt etwas. Die Chefs geben keine Antworten. Es herrscht große Angst. Weil es schon wieder um alles geht innerhalb so kurzer Zeit, macht sich auch stille Verzweiflung breit", meint die Leipzigerin. In den zurückliegenden Monaten hätten sich etliche Galeria-Mitarbeiter neue Arbeitsstellen gesucht. Doch die Schneiderei-Inhaberin will mit ihren drei Angestellten weiter in der Galeria bleiben. "Eine Insolvenz bedeutet ja nicht das Ende", meint die Handwerksmeisterin Stefanie Pres.
Das plant der Kaufhausriese
Das scheint auch das Unternehmen so zu sehen. Galeria Karstadt Kaufhof will mit einem erneuten Insolvenzverfahren den Befreiungsschlag schaffen und zielt auf einen Eigentümerwechsel, um sich "aus den durch Signa gesetzten Rahmenbedingungen" zu lösen, teilte das Unternehmen in Essen mit. Angeblich seien Gespräche mit möglichen Investoren bereits gestartet. Der vorläufige Insolvenzverwalter Stefan Denkhaus sagt, dass es bei Galeria zuletzt eine gute Entwicklung gegeben habe.
Doch die Pleiten der Signa-Gruppe in Österreich hätten den Kurs hintertrieben und das laufende Geschäft massiv beschädigt. "Dem Management blieb deshalb kein anderer Weg, als das Unternehmen im Zuge einer Insolvenz aus dieser Umklammerung zu befreien." Er werde nun "mit aller Kraft" daran arbeiten, Galeria zu erhalten. Problematisch seien vor allem "hohe Mieten und teure Dienstleistungen".
Arbeitsamt wird Beschäftigten Insolvenzgeld zahlen
Die Bundesagentur für Arbeit (BA) wird den Beschäftigten der Warenhauskette Insolvenzgeld zahlen, wenn das beantragte Insolvenzverfahren eröffnet wird. "Die BA hat nach intensiven Beratungen mit dem Unternehmen und einer detaillierten Prüfung der Voraussetzungen festgestellt, dass bei einer erneuten Insolvenzeröffnung die Beschäftigten Insolvenzgeld erhalten können", schreibt die Behörde. Insolvenzgeld wird für bis zu drei Monate rückwirkend bezahlt, üblicherweise in der Höhe des letzten Nettoeinkommens.
Nun ist das Unternehmen aufgrund der Insolvenz des Signa-Mutterkonzerns erneut in eine wirtschaftliche Schieflage geraten und für die rund 12.000 Beschäftigten und ihre Familien ist wieder offen, wie es für sie weiter geht.
Die Gewerkschaft Verdi verlangt nach dem neuerlichen Insolvenzantrag des Kaufhausriesen Galeria einen neuen Eigner mit Erfahrung im Einzelhandel. "Wünschenswert wäre ein strategischer Investor, der Handelskompetenz hat und Galeria Karstadt Kaufhof ermöglicht, als Ganzes erhalten zu bleiben und damit die Arbeitsplätze zu sichern", sagte Silke Zimmer vom Verdi-Bundesvorstand. Verdi sieht für das Unternehmen "mit einem stationär-digitalen Warenhauskonzept eine gute Zukunft".
Haben die Galeria-Warenhäuser eine Zukunft?
Das könne erfolgversprechend sein, sei aber mit Unsicherheiten behaftet. "Warenhäuser sind kein ausgemachtes Geschäftsmodell, das automatisch funktioniert", sagt der Experte für Marketing und Handel an der Handelshochschule Leipzig (HHL), Prof. Dr. Erik Maier MDR SACHSEN. Galeria Karstadt Kaufhof habe 2023 durchaus erfolgreich an der Sanierung gearbeitet. "Was man liest seien 80 der 92 Häuser bundesweit operativ profitabel. Das ist ja gar nicht so schlecht", findet Maier. Allerdings würden keine Zahlen über einzelne Warenhäuser veröffentlicht, es gebe nur Mutmaßungen und Einschätzungen aus dem Konzern.
Derzeit etwas über die Zukunft von Galeria zu sagen, ist Kaffeesatzleserei.
Warum attraktive Innenstädte ihre Kinder fressen
Für Kunden hätten Warenhäuser den Vorteil des breiten Angebots. "Attraktive Innenstädte wie in Dresden, Chemnitz oder Leipzig haben aber fast alle diese Artikel auch in der Innenstadt. Der Wettbewerbsvorteil des Warenhauses ist nicht mehr richtig gegeben. Wir sehen, dass die attraktiven Innenstädte ihre Kinder fressen." Daher müssten Warenhäuser Segmente reduzieren, die in der Stadt schon vorhanden sind und Lücken füllen, die noch nicht besetzt seien. Zudem müsse der stationäre Handel in den Online-Verkauf investieren, was Galeria nach Maiers Einschätzung zuletzt getan habe.
Experte: "Zeit der Unsicherheiten wird bleiben"
Über die drei Standorte in Sachsen sagt der Hochschulprofessor, dass dort die "gröbsten Konsolidierungen" bereits stattgefunden hätten. Konkret: "In Dresden wurde gerade erst investiert, in Chemnitz wurde die Miete nachverhandelt. In Leipzig wird seit langem kommuniziert, dass der Standort an sich profitabel ist, er wächst und ist attraktiv."
Trotzdem seien noch zu viele Fragen offen. "Derzeit etwas über die Zukunft von Galeria zu sagen, ist Kaffeesatzleserei." Auch Investoren hätten sich noch nicht aus der Deckung gewagt. Maier vermutet für die betroffenen Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, dass "die Zeit der Unsicherheiten leider noch bestehen bleiben wird".
Zweckoptimismus nach Leipziger Art
Davon will sich die Leipzigerin Stefanie Pres nicht unterkriegen lassen. Sie freut sich, dass Galeria-Kunden in die Änderungsschneiderei kämen und dem Team Mut zusprächen. Die Unternehmerin ärgert sich über die Geschäftsgebaren großer Investoren aus dem Ausland. "Wenn ich so wirtschaften würde wie die, würde es mein Geschäft schon lange nicht mehr geben." Den Galeria-Kollegen und sich selbst spricht sie optimistisch zu: "Wir Leipziger geben den Mut nicht so schnell auf."
MDR (kk)/dpa/rtr
Dieses Thema im Programm: MDR SACHSEN - Das Sachsenradio | Regionalnachrichten aus dem Studio Leipzig | 09. Januar 2024 | 15:30 Uhr