Patientensicherheit Künstliche Intelligenz in der Medizin: Innovationen von neuem Forschungscluster in Dresden
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Modernste Medizintechnik muss schneller für Patientinnen und Patienten nutzbar sein. Das ist das Ziel der neuen Forschungsgruppe Semeco. Mit künstlicher Intelligenz und Chiptechnologie soll ein neuer Industriezweig entstehen. Das Bundesforschungsministerium fördert das Vorhaben mit bis zu 45 Millionen Euro. Der Freistaat Sachsen gibt zusätzlich 15 Millionen. Im Interview erklärt der medizinische Leiter, Prof. Dr. med. Jochen Hampe, den Nutzen für die Region und für Patientinnen und Patienten.
Was ist das Ziel des neuen Forschungsclusters Semeco?
Prof. Dr. med. Jochen Hampe: Es geht darum, Mediziner und Hightech-Spezialisten zusammenzubringen, damit wir gemeinsam bessere und intelligentere Medizintechnik entwickeln können. Wir wollen smartere und vernetztere Medizinprodukte, die kleiner sind und die die Chancen der Mikroelektronikindustrie nutzen. Beispiele sind neue Hörimplantate, bessere Computertomografen aber auch eine bessere Kommunikation der verschiedenen Geräte im Krankenhaus und in der Praxis.
Warum und wie wollen Sie die Entwicklung von Medizintechnik beschleunigen?
Jochen Hampe: Bisher werden Medizinprodukte monolithisch entwickelt. Das heißt, von der Schraube bis zur festen Anwendung wird alles bei einem Hersteller gebaut. Wir wollen ganz bewusst modular entwickeln und dabei von Anfang an schon an die medizinische Sicherheit und an die Zulassung denken.
Wer gehört zum Forschungscluster und wen soll es vernetzen?
Jochen Hampe: Der Zukunftscluster Semeco ist regional. Wir haben ein ganz starkes Zentrum um Dresden und in der Region Sachsen mit ihrer Halbleiterindustrie, mit der starken Hightech-Komponente und der medizinischen Community vor Ort. Wir vernetzen uns hier und arbeiten noch enger zusammen.
Gibt es einen Innovationsstau in der Medizintechnik?
Jochen Hampe: Die Zulassung von Medizinprodukten, wie wir sie heute machen, dauert sehr, sehr lange. Das führt dazu, dass das technisch Mögliche nicht genutzt wird für den Patienten. Wir wollen, dass das technische Niveau von Beatmungsgeräten, Infusionspumpen und Implantaten sich genauso agil und schnell entwickelt, wie es zum Beispiel in der Mobilfunkindustrie oder in der Halbleiterindustrie stattfindet.
Die Zulassung von Medizinprodukten, wie wir sie heute machen, dauert sehr, sehr lange. Das führt dazu, dass das technisch Mögliche nicht genutzt wird für den Patienten.
Welchen Nutzen bringt das Hightech-Cluster für Patientinnen und Patienten?
Jochen Hampe: In vielen Bereichen der Medizin ist vorstellbar, dass man Kommunikation, Datenverarbeitung und Sensorik nicht mehr in eine Kiste baut, sondern dass das ein Chip wird. Dann kann ich es in den Körper hineinbringen und auf Katheder aufbringen. Man kann viele Dinge machen, die wir jetzt noch gar nicht ahnen können. Medizin wird schonender und zielgenauer. Sie bringt mehr Lebensqualität und bessere Ergebnisse für die Patienten.
Was bedeutet "Semeco"? Der Name des Zukunftsclusters steht für "Secure Medical Microsystems and Communications".
Können Sie den Mehrwert an einem praktischen Beispiel aus der Medizintechnik beschreiben?
Jochen Hampe: Ein schönes Beispiel ist das Kommunikationsimplantat. Es sieht das Thema Hören viel ganzheitlicher, indem es nicht nur akustische Signale verarbeitet, sondern auch Signale aus dem Gehirn des Patienten. Damit ermöglicht es für Patienten mit Höreinschränkung gezielt die richtige Kommunikationssteuerung und Verständlichkeit, die weit über das hinaus geht, was wir bisher kennen.
Welchen wirtschaftlichen Effekt erwarten Sie für die Region Sachsen?
Jochen Hampe: Wir hoffen als Mediziner, dass wir die Ausgründungskultur der Technischen Universität Dresden in die Medizin bringen. Der technische Leiter Prof. Gerhard Fettweis steht als Koordinator für eine Ausgründungs- und Innovationskultur. Diese Agilität und Geschwindigkeit wollen wir für die Medizintechnik nutzen.
Warum ist der Standort Dresden für diese Forschungsinvestition interessant?
Jochen Hampe: Zum einen haben wir ein sehr gutes, konstruktives und niedrigschwelliges Miteinander auf dem gesamten Campus zwischen den Ingenieurdisziplinen und den Medizinern. Das gibt es in dieser Form nicht überall in Deutschland und international. Zum anderen haben wir viel Industrie in der Region. Von der Großindustrie, vor allem der Chipindustrie, bis hin zum Mittelstand und Start Ups, die in diesem Bereich schon aktiv sind und sehr gespannt auf die Medizin als Anwendungsfall schauen.
Zur Person Prof. Dr. med. Jochen Hampe koordiniert das Forschungsprojekt Semeco. Er ist Direktor der Medizinischen Klinik und Poliklinik des Uniklinikums Dresden und leitet den Bereich Gastroenterologie und Hepatologie an der Medizinischen Klinik. Zudem ist er Sprecher des Else Kröner-Fresenius Zentrums für Digitale Gesundheit. Prof. Dr. med. Jochen Hampe wuchs in Dresden auf und studierte Medizin an Charité Berlin.
MDR (akj)
Dieses Thema im Programm: MDR FERNSEHEN | Umschau | 16. Mai 2023 | 11:00 Uhr